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Die Fuggerei: Älteste Sozialsiedlung der Welt schaut auf die nächsten 500 Jahre

Lesezeit: 2 min
25.05.2021 11:06  Aktualisiert: 25.05.2021 11:06
Die Kaltmiete für eine Wohnung beträgt nicht einmal einen Euro - pro Jahr. Die Fuggerei in Augsburg war vor 500 Jahren richtungsweisend. Und ist es immer noch. Das soll schon bald auch andernorts so sein.
Die Fuggerei: Älteste Sozialsiedlung der Welt schaut auf die nächsten 500 Jahre
Die Fuggerei in Augsburg (Schwaben) (Foto vom 25.04.2012). Mit der Fuggerei hat sich Finanzgenie Jakob Fugger im 16. Jahrhundert ein Denkmal gesetzt. (Foto: dpa)

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Auf den ersten Blick ist die Fuggerei mit weit mehr als 200 000 Besuchern pro Jahr eine der größten Touristenattraktionen Augsburgs. Doch tatsächlich ist sie viel mehr - ein großes soziales Projekt, das auch nach 500 Jahren noch rund 150 bedürftigen Augsburgern ein Dach über dem Kopf bietet. In diesem Jahr wird das Jubiläum groß gefeiert. Der Höhepunkt des Festjahres wird allerdings coronabedingt erst Mitte 2022 stattfinden.

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Die Fuggerei gilt als die älteste Sozialsiedlung der Welt. Die Fugger, die Augsburg bis heute mit dem Titel „Fuggerstadt“ prägen, gehörten einst zu den reichsten Kaufmannsfamilien Europas und hatten ein weltweites Handelsimperium aufgebaut. Ihr Erbe ist seit 1521 die Siedlung, eine Stadt in der Stadt mit 67 Häusern und 142 Wohnungen und sogar einer eigenen Kirche. Denn die Bewohner müssen sich bis heute zu „drei täglichen Gebeten“ verpflichten.

Auch nach einem halben Jahrtausend sei die Fuggerei „einzigartig auf der Welt“, betont die Stiftung. Und das Thema preiswertes Wohnen ist heute aktueller denn je. Daher wollen die Fuggerei-Verantwortlichen insbesondere die Perspektiven für die nächsten 500 Jahre beleuchten.

„Mit dem Geburtstag haben wir die alten 500 Jahre abgeschlossen und schauen in die Zukunft“, sagt der Administrator der Fuggerschen Stiftungen, Wolf-Dietrich Graf von Hundt. Es gehe nicht darum, sich auf den Lorbeeren auszuruhen. Die Stiftung will das Nachdenken über gesellschaftliche Herausforderungen anregen und die Frage stellen, ob es nicht an der Zeit wäre, jetzt ähnliche Projekte zu gründen.

Zwar gibt es auch andernorts Initiativen, die die Schaffung von günstigen Wohnungen beabsichtigen. Im katholischen Erzbistum Bamberg kümmert sich beispielsweise die Joseph-Stiftung darum. Die Stadt Zürich hat nach einer Volksinitiative vor wenigen Jahren die Stiftung „Einfach wohnen“ mit 80 Millionen Schweizer Franken ausgestattet. Ziel ist es unter anderem, „preisgünstige und ökologisch vorbildliche Wohnungen und Gewerberäume“ in Zürich zu schaffen.

Doch einen ähnlich radikalen Ansatz wie die Fuggerei haben diese Projekte nicht. Denn in Augsburgs Sozialsiedlung leben die Bewohner für eine symbolische Jahresmiete von 88 Cent plus Betriebskosten. Ein vergleichbares Projekt gebe es bislang nirgends, sagen die Verantwortlichen der Stiftung und wollen dies nun ändern.

Auch der Staat kommt seiner Aufgabe, ausreichend günstige Immobilien für nicht so gut Betuchte zu schaffen, längst nicht in ausreichendem Umfang nach. Sozialwohnungen gibt es viel zu wenige und oftmals werden sie von Menschen belegt, die schon lange nicht mehr bedürftig sind. Denn eine Pflicht, günstigen Wohnraum wieder frei zu machen, wenn das Einkommen steigt, gibt es nicht.

So werden beispielsweise in München von den 45 000 Sozialwohnungen pro Jahr nur 3200 neu vermietet - bei zehn Mal so viel Interessenten. Es könne mehrere Jahre dauern, bis Bedürftige eine Sozialwohnung erhalten, informiert die bayerische Landeshauptstadt die Betroffenen und betont: „Wir empfehlen Ihnen auch weiterhin auf dem freien Mietmarkt nach Wohnungen zu suchen.“

In der Fuggerei habe sich die Warteliste in den vergangenen zwei, drei Jahren auch verdoppelt, sagt Sprecherin Astrid Gabler. „Man merkt den Druck auf dem Immobilienmarkt ganz deutlich.“ Etwa 80 Bewerbungen gebe es, doch nur etwa zehn Wohnungen pro Jahr würden frei. „Die Leute leben teilweise 30 Jahre in der Siedlung“, erklärt Graf von Hundt. Im Durchschnitt ziehe ein Bewohner erst nach 14 Jahren wieder aus.

Wie solche Probleme gelöst werden können, wollen die Fuggerei-Verantwortlichen nun bei ihrem Festjahr diskutieren. Zunächst soll in wenigen Wochen ein neues Museum zur Geschichte der Fuggerei als Ergänzung der bisherigen Ausstellungen eröffnet werden, sofern es die Pandemiebeschränkungen erlauben.

Im Augst ist dann ein Fuggereifest geplant - pünktlich zu dem eigentlichen Jubeltag: Am 23. August 1521 hatte Jakob Fugger den Stiftungsbrief für die Sozialsiedlung unterzeichnet. Als Höhepunkt und Abschluss des Festjahres soll im Mai und Juni 2022 auf dem Augsburger Rathausplatz ein Pavillon aufgebaut werden. Dieser soll als Ausstellungs- und Veranstaltungszentrum genutzt werden.

Als Ziel der Veranstaltungsreihe „Next 500“ geben die Fugger-Stiftungen aus, die Idee der Fuggerei global umzusetzen: „Das Jubiläumsprogramm soll zur Neugründung von ,Fuggereien der Zukunft‘ in der ganzen Welt anstiften.“


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