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Kommt in Sachsen-Anhalt die Super-Koalition gegen die AfD?

Lesezeit: 4 min
05.06.2021 10:15  Aktualisiert: 05.06.2021 10:15
Derzeit regiert Sachsen-Anhalts CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff zusammen mit der SPD und den Grünen. Doch nach der Wahl am Sonntag muss er möglicherweise auch noch die FDP mit in die Regierung holen.
Kommt in Sachsen-Anhalt die Super-Koalition gegen die AfD?
Haseloff regiert seit 10 Jahren in Sachsen-Anhalt. (Foto: dpa)

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Einen Tag vor der Landtagswahl wollen die Parteien in Sachsen-Anhalt letzte Wähler mobilisieren. Die beiden Favoriten auf den Wahlsieg, CDU und AfD, schlossen am Freitagabend als letzte Parteien ihren Wahlkampf ab. In letzten Umfragen lag die AfD teilweise nur einen Prozentpunkt hinter der Partei von Ministerpräsident Reiner Haseloff, andere Umfragen sahen die Christdemokraten deutlicher vorn.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak rief Wähler aller Parteien der politischen Mitte dazu auf, sich hinter Regierungschef Reiner Haseloff zu stellen, um einen Wahlerfolg der AfD zu verhindern. "Jede Stimme für Reiner Haseloff ist eine Stimme gegen die AfD. Wer die AfD in Sachsen-Anhalt verhindern will, muss Haseloff wählen", sagte Ziemiak der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Wir brauchen einen demokratischen Aufstand gegen die Rechtsextremen", fügte er hinzu.

Die AfD löse keine Probleme, sondern schaffe neue. Mit ihr würden auch die wirtschaftlichen Erfolge der Regierung Haseloff zunichte gemacht, warnte der CDU-Generalsekretär. Deswegen gebe es keine Koalition oder Kooperation mit der "Anti-Deutschland-Partei".

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil warf der CDU vor, für die Stärke der AfD mitverantwortlich zu sein. "Wenn man die AfD umarmt, dann macht man sie stärker. Ich habe Sorge, dass wir das am Sonntag sehen werden", sagte Klingbeil der "Rheinischen Post" (Samstag). Dass sich so vieles um die AfD drehe, habe damit zu tun, dass die Union bis heute keine Strategie im Umgang mit der AfD habe.

"Ministerpräsident Reiner Haseloff glaubt man die klare Abgrenzung ja, in der zweiten Reihe sieht das aber schon anders aus", sagte Klingbeil. "Wer Interesse an einer Regierung hat, die auf Respekt, Seriosität und Verantwortung ausgerichtet ist, der kommt an der SPD nicht vorbei", betonte er.

Die CDU hatte ihre Abschlussveranstaltung am Freitagabend rein online abgehalten. Der Ministerpräsident unterstrich dabei den Anspruch seiner Partei, stärkste Kraft im Land zu bleiben. "Wir sind die Garanten für diese Demokratie hier in Sachsen-Anhalt. Ohne uns ist keine demokratische Regierung bildbar", sagte Haseloff.

Die AfD versammelte sich auf dem Magdeburger Domplatz mit etwa 150 Anhängern. Gegendemonstranten störten die Veranstaltung mit lauten Zwischenrufen und Sirenen. Unter anderem sprach AfD-Chef Tino Chrupalla, der am Samstag noch zu einer Veranstaltung nach Bitterfeld-Wolfen fahren wollte.

Linke, SPD, Grüne und FDP hatten für ihre Abschlussveranstaltungen Mittwoch und Donnerstag noch einmal Verstärkung aus Berlin nach Sachsen-Anhalt geholt. Wie viele der Wählerinnen und Wähler die Parteien mit ihren Veranstaltungen in dieser Woche überhaupt noch erreicht haben, ist allerdings unklar: Wie schon bei den Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wird in Sachsen-Anhalt mit einem hohen Anteil an Briefwählern gerechnet.

Haseloff regiert seit zehn Jahren in Sachsen-Anhalt und könnte als erster Ministerpräsident des Landes eine dritte Amtszeit antreten. Die Umfragen sahen für sein aktuelles Kenia-Bündnis mit SPD und Grünen eine Mehrheit voraus, Haseloff ist offen für eine Neuauflage. Sollte die FDP nach zehn Jahren in den Magdeburger Landtag zurückkehren, was nach Umfragen möglich ist, könnten auch die Liberalen Teil der neuen Landesregierung werden.

Was man über die Wahl in Sachsen-Anhalt wissen muss

- DIE FAKTEN:

Rund 2,2 Millionen Menschen leben in Sachsen-Anhalt, rund 1,8 Millionen Sachsen-Anhalter sind zur Wahl am 6. Juni aufgerufen. Insgesamt stellen sich 449 Kandidatinnen und Kandidaten von 22 Parteien zur Wahl, verteilt auf 41 Wahlkreise.

- DAS WAHLRECHT:

Die Wähler müssen zwei Kreuze machen: Eines für den Direktkandidaten ihres Wahlkreises und eines für die Landesliste einer Partei. Jeder der 41 Wahlkreise wird im neuen Magdeburger Landtag dann von dem Direktkandidaten mit den meisten Stimmen vertreten. Weitere mindestens 42 Abgeordnete kommen darüber hinaus über die Landeslisten ins Parlament - sofern ihre Partei mehr als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht hat. Wählen darf man in Sachsen-Anhalt ab 18.

- DIE BRIEFWAHL:

Trotz rückläufiger Infektionszahlen rechnet das Land mit einem deutlichen Zuwachs der Briefwahl-Stimmen. Bei der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz im März hatten zwei von drei Wählern per Brief gewählt. Auch in Sachsen-Anhalt sind die Briefwahlunterlagen sehr nachgefragt. Bei der Landtagswahl 2016 hatten sich in Sachsen-Anhalt nur 13,7 Prozent für die Briefwahl entschieden.

- DIE AUSGANGSLAGE:

Seit fünf Jahren regiert in Sachsen-Anhalt Deutschlands erste Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen. Das Bündnis hat 46 der 87 Sitze des Magdeburger Landtags. Oppositionsführerin ist die AfD mit 21 Mandaten, gefolgt von der Linken mit 16. Die CDU war bei der Wahl 2016 auf 29,8 Prozent gerutscht, die AfD hatte mitten in der Flüchtlingskrise mit 24,3 Prozent ihr bundesweit bislang zweitbestes Ergebnis errungen. Die übrigen Ergebnisse von damals: Linke 16,3, SPD 10,6, Grüne 5,2. Die FDP ist mit 4,9 Prozent nicht im Landtag.

- DAS PERSONAL:

Für die CDU geht zum dritten Mal Ministerpräsident Reiner Haseloff ins Rennen. Die weiteren Landtagsparteien schicken ihre Fraktionschefs auf Listenplatz eins ins Rennen: Oliver Kirchner bei der AfD, Eva von Angern bei der Linken, Katja Pähle bei der SPD und Cornelia Lüddemann bei den Grünen. FDP-Spitzenkandidatin ist die frühere Landtagsabgeordnete Lydia Hüskens.

- DIE WAHLKAMPFTHEMEN:

Die Corona-Krise überschattet auch den Wahlkampf in Sachsen-Anhalt, nur wenige Themen finden daneben wirklich Gehör. Für Aufmerksamkeit sorgte unter anderem eine Kampagne der Linken, die die Benachteiligung Ostdeutscher auf dem Arbeitsmarkt anprangerte. Die Regierungsparteien werben mit den Erfolgen ihrer Arbeit. Vor allem in der Schlussphase wurde der CDU von SPD, Grünen und Linken unterstellt, trotz gegenteiliger Beteuerungen bei der Abgrenzung zur AfD zu wackeln.

- DIE OPTIONEN:

Nach derzeitigen Umfragen ist eine Mehrheit für das Kenia-Bündnis nicht sicher. Dieselben Umfragen schreiben der FDP gute Chancen zu, nach zehn Jahren in den Magdeburger Landtag zurückzukehren. Die Liberalen könnten somit für Haseloff ein weiterer Koalitionspartner sein - und als vierte Kraft im Bunde eine Regierung jenseits von AfD und Linker absichern. Die jüngsten Umfragen prognostizieren einen Zweikampf zwischen CDU (25 bis 30 Prozent) und AfD (23 bis 26 Prozent), in den meisten Befragungen lag die CDU aber vorn. Die SPD verharrt in den Befragungen auf ihrem bisherigen Niveau knapp über 10 Prozent, die Grünen legen dort auf 8 bis 11 Prozent zu, die FDP auf 7 bis 8, die Linke rutscht weiter auf 10 bis 13 Prozent. Dass Haseloff sein Amt verliert, ist demnach ausgesprochen unwahrscheinlich, weil die AfD keine Koalitionspartner hätte.


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