Die deutschen Produzenten hoben ihre Preise im Mai wegen der starken Nachfrage durch die Erholung von der Corona-Krise und Angebotsengpässen so kräftig an wie seit annähernd 13 Jahren nicht mehr. Die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte stiegen um 7,2 Prozent zum Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Das ist das größte Plus seit Oktober 2008, als die Preise vor der Finanz- und Wirtschaftskrise merklich gestiegen waren. Von Reuters befragte Ökonomen hatten nur 6,4 Prozent erwartet, nachdem es im April ein Plus von 5,2 Prozent gegeben hatte.
In der Statistik werden die Preise ab Fabrik geführt - also in der Regel bevor die Produkte weiterverarbeitet werden oder in den Handel kommen. Sie können damit einen frühen Hinweis auf die Entwicklung der Inflation geben. "Ein Teil des Anstiegs dürfte in den nächsten Monaten auch in der Breite beim Verbraucher ankommen", sagte LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch. "Vor allem für das zweite Halbjahr rechnen wir mit einer deutlichen Zunahme der Konjunkturdynamik, da nimmt der Überwälzungsspielraum der Unternehmen voraussichtlich zu."
Das sieht man bei der Commerzbank ähnlich. "Auf Dauer wird dieser stärkere Anstieg der Erzeugerpreise an den Verbraucherpreisen nicht spurlos vorübergehen", sagte deren Ökonom Ralph Solveen. Die Verbraucherpreise waren im Mai mit 2,5 Prozent so kräftig gestiegen wie seit annähernd zehn Jahren nicht mehr. Das Institut für Weltwirtschaft (IfW) erwartet bei der Inflationsrate zeitweise eine Vier von dem Komma.
Hauptverantwortlich für den Anstieg der Erzeugerpreise waren im Mai deutlich höhere Kosten für Energie und Vorleistungsgüter. Energie verteuerte sich im Durchschnitt um 14,9 Prozent. Grund dafür sei vor allem ein "Basiseffekt aufgrund der im Frühjahr 2020 im Zuge der Pandemie stark gefallenen Preise", so die Statistiker. Auch die seit Januar teilweise zusätzlich anfallende deutsche CO2-Sondersteuer hatte einen Einfluss.
Vorleistungsgüter waren 10,7 Prozent teurer als im Mai 2020. Besonders stark waren die Anstiege bei metallischen Sekundärrohstoffen aus Eisen- Stahl- und Aluminiumschrott (+69,9 Prozent), aber auch bei gesägtem und gehobeltem Holz (+38,4 Prozent) und Metallen (+23,1 Prozent). "Hauptgründe für die anziehenden Stahl- und Holzpreise dürften die steigende Nachfrage im In- und Ausland sowie Probleme in der Versorgung mit Rohstoffen sein, bei den Stahlpreisen zusätzlich kräftige Preissteigerungen bei Eisenerz", erklärte das Statistikamt.