Schon immer war eine Fußballmeisterschaft ein Garant für volle Kassen bei Unternehmen, die mit oder von dem Sport leben. Grund dafür ist die große Popularität des Sports, der je nach Meisterschaft schon einmal 3,6 Milliarden Menschen vor den Bildschirm ziehen kann. Traditionell profitieren besonders diejenigen Unternehmen, die direkt mit dem Sport und den Spielern zu tun haben. Allen voran die Arenen über die Ticketverkäufe oder die Trikothersteller, die fleißig Deutschland-Trikots an Fans verkaufen.
Natürlich sind auch andere Branchen vom sogenannten EM-Effekt betroffen. Adidas, Nike und andere Sportartikelhersteller zählen zu den großen Nutznießern einer Europameisterschaft. Auch die Brauereien haben traditionell einen Verkaufszuwachs rund um die EM zu verzeichnen. Schließlich gehören Biertrinken und Fußballschauen hierzulande einfach zusammen. Doch auch andere Unternehmen – von Baumärkten bis Versicherungen – können durch die Werbung rund um das Fußballfest im Fernsehen mehr Einnahmen verzeichnen. Schließlich sind die Einschaltquoten während der Meisterschaft sehr hoch und je mehr Publikum, desto mehr potentiell kaufkräftige Kundschaft gibt es für die werbenden Unternehmen.
Euro 2020: Eine wirtschaftliche Enttäuschung
Bei der Euro 2020 bleiben die Zahlen bislang deutlich hinter den Erwartungen zurück. Die Gründe dafür liegen jedoch nicht nur bei Corona. 2014 wurde die Entscheidung der UEFA bekannt gegeben, dass die Euro 2020 gleich in mehreren Ländern ausgerichtet werden soll. Es sollte damit das 60-jährige Bestehen der Spiele gefeiert werden. Die Vision war, dass die Fußballfans für ihre Spiele von Land zu Land fliegen würden, um dort mit vollen Hotels und Restaurants die Wirtschaft anzukurbeln.
Positiver Nebeneffekt: Die Last der Finanzierung lag somit nicht mehr nur auf einem Land. Stattdessen bewarben sich einzelne Austragungsorte um die renommierten Länderspiele. Wie bei der UEFA üblich, wurde dabei viel hinter den Kulissen gefeilscht. London erwarb den Zuschlag für die Halbfinals und das Finale nur, weil München seine Bewerbung zurückzog. Im Gegenzug wird der englische Fußballverband die deutsche Bewerbung für die EM 2024 unterstützen. So zumindest der Plan 2014.
Flugscham, Vergabeskandal und schließlich Corona
2014 gab es den Begriff Flugscham noch nicht. Dass das Städte-Hopping via (Billig-)Flieger mittlerweile als verpönt gilt, hat sogar die Nationalmannschaft mit einem Shitstorm für einen Flug von Stuttgart nach Basel zur EM-Qualifikation jetzt begriffen. Dass viele Menschen mittlerweile diese Art von Reisen aus ökologischem Gewissen ablehnen, kann jenseits der Covid-19-Maßnahmen ebenfalls dazu beitragen, dass rund um die Stadien der Euro 2020 nur wenig zusätzliche Touristen eintreffen.
Hinzu kommt der Streit um Austragungsorte wie Budapest und Baku, die politisch mehr als fragwürdig sind. Sie sorgten im Vorfeld für einige Proteste, was manche Zuschauerinnen und Zuschauer sogar zum Boykott der EM veranlasst hat.
Und zuletzt kam 2020 natürlich Corona selbst, das alle Pläne vollends zunichte machte und den Sport von kleinen Vereinen bis in die Profiligen in eine Krise schoss. Nur dem Online Glücksspiel inklusive den Sportwetten bescherten 2020 und 2021 positive Zahlen. Das lag nicht zuletzt an Angeboten wie diesen: Online Casino Bonus ohne Einzahlung, die auf die Couch verbannte Fußballfans seither vermehrt nutzen. Noch nie wurden virtuell so viele Sportwetten abgegeben, auch auf die sogenannten Geisterspiele, die ohne Publikum in verwaisten Arenen ausgetragen werden.
Die Liebe zum Fußball blieb also über die Pandemie bei den Fans, zumindest online, doch der Fußball auf dem Rasen selbst ist seither nicht mehr derselbe.
Die Euphorie kommt nicht auf
Der Funke, der bei Europameisterschaften normalerweise selbst diejenigen irgendwann in Fußball-Euphorie verfallen lässt, die sich über das Jahr hinweg nicht ein Bundesliga-Spiel anschauen, will dieses Jahr einfach nicht überspringen. Die Einschaltquoten für die Vorrundenspiele sind deutlich schlechter als zur EM vor fünf Jahren in Frankreich. Die nur halb gefüllten Stadien sorgen für wenig Ticketverkäufe und entsprechende Fangesänge auf den Rängen, die zerpflückte Geographie der Spielstätten sorgt für müde Berichterstattung vor den Arenen.
Zuletzt hat die Pandemie in Europa mit ihren Gegenmaßnahmen wohl trotz sinkender Fallzahlen alle Menschen noch mindestens gedanklich voll im Griff. All das sorgt für fehlende Stimmung bei den Fans in ganz Europa. Und das hat auch für die Wirtschaft Konsequenzen. Die Werbeindustrie verzichtet in diesem Jahr großflächig auf EM-Angebote, Werbeplätze in den Pausen verlieren damit zusätzliche Kundschaft und schließlich berichten auch Brauereien von “wenig Hoffnung” bei den Verkaufszahlen ihrer Markenbiere, selbst wenn es die Nationalelf um Jogi Löw dieses Jahr weit brächte.
Ein “Agua” für ein Halleluja
Die Lustlosigkeit bis hin zur Ablehnung gegenüber dem althergebrachten Fußballzirkus hat scheinbar auch die Spieler ergriffen. So machte am Rande der EM der portugiesische Rekordfußballer Cristiano Ronaldo auf einer Pressekonferenz von sich reden, als er einen der Hauptsponsoren der EM, Coca-Cola, die vor ihm auf dem Tisch stand, für eine Flasche “Agua” (dt. Wasser) austauschte. Am folgenden Tag stürzte die Coca-Cola-Aktie an den Börsen um vier Milliarden US-Dollar ab.
Dass am selben Tag des Aktienfalls ohne das Bezugsrecht der bevorstehenden Dividende gehandelt wurde, bricht dem Mythos, Ronaldo habe die Coca-Cola-Aktie entwertet, nichts ab. Es scheint, als habe der Hype um Ronaldos Entblößung des Zuckerwasserherstellers auch damit zu tun, dass die Menschen in Zeiten von Fake News einen gewissen Hunger nach Wahrheiten haben, die unbequem sind, sogar wenn Sie von so hochbezahlten Werbeikonen wie Ronaldo kommen, der selbst schon für die braune Brause posierte.
Deutlich wird damit vielmehr, dass das Publikum dem althergebrachten Treiben, dass die Sportler als Helden feiert und die Doppelmoral und Korruption im Hintergrund des Multi-Milliarden-Dollar-Business stets unter den Teppich kehrt, nicht mehr ganz so blindlings vertrauen will. Der Vorfall mit Coca-Cola ist dabei noch ein relativ harmloses Beispiel. Ein viel größerer Skandal sind die 6.500 toten Gastarbeiter auf den Baustellen der Stadien für die WM 2022 in Katar, die nach Recherchen von The Guardian herauskamen und die 2022 sicherlich für weniger Zuschauerzahlen sorgen werden.
Alles hängt an der Nationalelf
Doch noch ist die EM nicht vorbei. Die Euphorie wächst zumindest hierzulande vielleicht weiter, wenn es die Nationalmannschaft bis in das Finale schafft. Nicht wenige Unternehmen hoffen hierzulande dennoch darauf, von einer siegenden Nationalmannschaft zumindest bei den Verkaufszahlen ihrer Produkte zu profitieren. Doch ob ein Sieg der deutschen Elf zu einem deutschen Sommermärchen wie 2006 bei der Fußballweltmeisterschaft führen wird, ist wohl schon jetzt eher unwahrscheinlich.
Selbst wenn es die Mannschaft zum Titel schaffen würde, gäbe es keine mit Millionen von Fans gesäumten Straßen oder eine Fanmeile am Brandenburger Tor. Es bliebe wohl auch dann recht still um die siegreiche Mannschaft nach der Rückkehr aus London.