Wirtschaft

„Weihnachtsgeschenke fallen aus“: Überlastung der weltweiten Lieferketten verschärft sich

Die seit Wochen herrschende Überlastung der weltweiten Lieferketten verschärft sich, die Staus von Containerfrachtern vor der südchinesischen Küste werden länger.
05.07.2021 12:00
Lesezeit: 3 min

Die ohnehin sehr angespannten weltumspannenden Lieferketten geraten noch stärker unter Druck. Wie mehrere Medien berichten, werden die Staus von Containerfrachtern vor wichtigen Häfen an der südchinesischen Küste länger.

Demnach müssen Frachter vor dem großen Yantian International Container Terminal der südchinesischen Metropole Schenzhen nun durchschnittlich 18 Tage auf Reede liegen, bevor sie in den Hafen einlaufen können. Ende Juni warteten demnach etwa 70 Schiffe im Mündungsgebiet des Perlflusses - verglichen mit rund 35 während der Komplikationen im Suez-Kanal im Februar und etwa 50 im Februar 2020, als das Coronavirus in der Region wütete.

Der Yantian-Hafen operiert derzeit nur mit einer Kapazität von rund 40 Prozent seiner maximalen Auslastung. Grund dafür sind seit mehreren Wochen anhaltende Eindämmungsmaßnahmen der örtlichen Behörden zur Bekämpfung eines lokalen Virusgeschehen, der Hafen wurde erst am 24. Juni wiedereröffnet.

Das Kieler Institut für Weltwirtschaft berichtete am Montag: „Gegenwärtig sind bereits knapp fünf Prozent aller Containerschiff-Kapazitäten durch Staus an den chinesischen Häfen gebunden. Das ist mehr als in der ersten Corona-Welle.“ Im Roten Meer zwischen Nordafrika und der arabischen Halbinsel, seien daher „aktuell zehn Prozent weniger Containerschiffe unterwegs, als zu erwarten wäre.“

Die weltgrößte Container-Reederei Maersk hatte ihren Kunden zwar zuletzt am Freitag signalisiert, dass sich die Überlastung in Yantian allmählich auflöse - „aber es ist zu beachten, dass wenn ein Hafen betroffen ist, dies zu einer Abwärtsspirale für benachbarte Häfen werden kann.“ Die coronabedingten Störungen im weltweiten Container-Schiffsverkehr sind eine der Ursachen für Materialengpässe in Europa. Sie sorgen nach Einschätzung vieler Volkswirte dafür, dass zum Beispiel die deutsche Industrie ihre prall gefüllten Auftragsbücher derzeit nur zum Teil abarbeiten kann.

Das IfW wertet mit einem neuen Analyse-Tool weltweit Schiffsbewegungen aus, um so Rückschlüsse auf die Entwicklung der globalen Handelsströme zu ziehen. Dabei werden an- und ablegende Schiffe in 500 Häfen weltweit erfasst. Zusätzlich werden Schiffsbewegungen in 100 Seeregionen analysiert, anhand des Tiefgangs wird außerdem die effektive Auslastung der Containerschiffe gemessen.

Frachtraten explodieren

Die Verstopfung wichtiger Häfen im Welthandelssystem - zu denen neben einigen südchinesischen auch die an der US-Westküste gelegenen Häfen Oakland, Los Angeles und Long Beach gehören - übt seit Wochen Druck auf die weltweiten Lieferketten aus. Beobachtern zufolge sind die Auswirkungen inzwischen schwerwiegender als während der Blockade des Suez-Kanals durch den havarierten Frachter „Ever Given“ Ende Februar. „Die Verzögerungen in Yantian alleine führen zu größeren Rückständen bei der Abwicklung des Containerhandels als die Suez-Blockade“, sagt ein Analyst der Beratungsgesellschaft Vespucci Maritime. „Dazu gesellt sich noch das Problem, leere Container wieder zeitnah nach Südchina zurückzubekommen.“

Als Folge der Unterbrechungen im Welthandel sind die Frachtraten auf zahlreichen Strecken inzwischen auf Allzeit-Höchststände gestiegen. Am höchsten liegen sie derzeit auf den chinesisch-europäischen Routen Schanghai-Rotterdam und Schanghai-Genua, gefolgt von den Strecken Schanghai-New York und Schanghai-Los Angeles. Aber auch die Preise auf der Route Rotterdam-New York sind in den vergangenen Wochen stark angestiegen.

Fallen Weihnachtsgeschenke dieses Jahr aus?

Einer Umfrage von Reuters zufolge erwarten zahlreiche Großhändler noch auf Monate bestehende Schwierigkeiten, die auch das Weihnachtsgeschäft in den USA und Europa beeinträchtigen könnten.

Reuters befragte fast ein Dutzend Lieferanten und Einzelhändler von Spielzeug bis hin zu Computerausrüstung in den USA und Europa. Alle erwarten wochenlange Verzögerungen bei der Abwicklung aufgrund von Versandengpässen, einschließlich einer weltweiten Containerknappheit und der jüngsten Schließung des Hafens Yantian, welcher als Tor zur Welt für die Waren wichtiger Produzenten in der Nähe von Schenzhen dient.

Das Risiko für die Einzelhändler besteht darin, dass just zu dem Zeitpunkt keine Artikel mehr vorrätig sein könnten, wenn Millionen von Menschen aufgrund der nachlassenden Pandemie und im Vorfeld von Weihnachten konsumieren und Geschenke einkaufen wollen.

„Es wird ein großes, großes Durcheinander geben“, zitiert Reuters den Manager eines Großhändlers mit Sitz in Los Angeles, dessen Spielzeug in Hunderten von Containern im Hafen von Yantian feststeckt. Wenn er nicht genug Inventar für seine Einzelhandelskunden besorgen könne, „wird es den Weihnachtsverkäufen massiven Schaden zufügen.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Micron Technology-Aktie und der KI-Boom: Experten sehen Parallelen zu Nvidia
19.12.2025

Der KI-Boom verändert den Halbleitermarkt und lenkt den Blick auf Speicherhersteller. Kann die Micron Technology-Aktie dauerhaft von...

DWN
Politik
Politik EU lockert Gentechnik-Vorgaben: Was sich im Supermarkt ändert und wo Chancen und Risiken liegen
19.12.2025

Die EU stellt die Weichen für lockerere Gentechnik-Vorgaben – mit Folgen für Supermärkte, Kennzeichnung und Landwirtschaft....

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt SumUp-IPO 2026: Wie SumUp-Gründer Daniel Klein eines der größten Fintechs Europas an die Börse bringt
19.12.2025

Ob Taxi oder Dönerbude: Die kleinen weißen SumUp-Terminals haben die Kartenzahlung in deutschen Kleinstbetrieben etabliert. Nun führt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Verbrenner-Aus: EU lockert Vorgaben und setzt den Fokus auf Unternehmen und Hersteller
19.12.2025

Die Europäische Kommission richtet ihre Verkehrsklimapolitik neu aus und verändert damit die Rahmenbedingungen für Industrie und...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Prognose 2026: Kurs erholt sich – Experten streiten über den weiteren Weg
19.12.2025

Der Bitcoin-Kurs schwankt, die Jahresendrally bleibt aus – und doch überbieten sich Experten mit kühnen Zielen. Zwischen 87.900 Dollar...

DWN
Finanzen
Finanzen Jetzt die besten Dividenden-Aktien kaufen: Diese Titel überzeugen Experten von Morningstar
19.12.2025

Dividenden gelten für viele Anleger als stabiler Ertragsanker in unsicheren Marktphasen. Doch woran lässt sich erkennen, welche...

DWN
Politik
Politik E-Autos: Kfz-Steuerbefreiung bei Elektroautos bis 2035 verlängert
19.12.2025

Elektroautos sollen länger steuerfrei bleiben – doch die neuen Regeln haben einen Haken. Ein Beschluss im Bundesrat verschiebt Fristen,...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Finanzierung bis 2027: EU einigt sich auf 90 Milliarden Euro – Moskau spottet
19.12.2025

Die EU hat sich nach zähem Ringen auf eine Ukraine-Finanzierung bis 2027 geeinigt. Ein zinsloser Kredit über 90 Milliarden Euro soll...