Marktbericht

Steigende Versuchung zum Subventions- und Versicherungsbetrug in der Corona-Krise

Lesezeit: 2 min
08.07.2021 15:02  Aktualisiert: 08.07.2021 15:02
Die Corona-Krise hat zu einem Anstieg von Subventions- und Versicherungsbetrug in Deutschland geführt. Das Bundeskriminalamt (BKA) meldete am Dienstag 7585 Fälle von Subventionsbetrug, zum Großteil ging es dabei um Corona-Soforthilfeanträge. Außerdem registriert Deutschlands größter Versicherer Allianz steigende Fallzahlen von Versicherungsbetrug.
Steigende Versuchung zum Subventions- und Versicherungsbetrug in der Corona-Krise
Foto: Robert Michael

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Da 2019 Fälle von Subventionsbetrug noch Seltenheitswert hatten, hat die Wirtschaftskriminalität im vergangenen Jahr dementsprechend insgesamt sehr deutlich zugenommen - das BKA zählte 49 174 Fälle, über ein Fünftel mehr als 2019, berichtet die dpa. Das war der erste Anstieg seit 2017. Auch Anlagebetrüger wollten offenbar die Gunst der Stunde nutzen: Das BKA zählte 4865 Fälle, ein Anstieg von über einem Drittel.

Bei der Allianz auffällig ist ein mutmaßlicher Zusammenhang mit den Schließungen von Einzelhandel und Gastronomie. Demnach verzeichnete das Unternehmen eine plötzliche Zunahme von Wasserschäden bei gewerblichen Kunden von rund einem Viertel. Als Beispiel nennt das Unternehmen durch Wasser zerstörte Saisonware, die aufgrund der Corona-Beschränkungen in den Läden nicht verkauft werden konnte. So liegt die Vermutung nahe, dass in finanzielle Schwierigkeiten geratene Firmen versuchen, sich bei ihrer Versicherung schadlos zu halten.

Davon geht auch der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft aus. "Der weit überwiegende Teil der Versicherungskunden ist ehrlich, auch in Krisenzeiten", sagte Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen.

Aus den Angaben des GDV geht hervor, dass es sich branchenweit um einen relativen Anstieg handelt: Die Schadenzahlen in der Corona-Pandemie gingen demnach insgesamt zurück, die Anzahl dubioser Schadenmeldungen blieb jedoch nahezu unverändert. Damit machen diese dubiosen Fälle dann naturgemäß einen höheren Anteil der Schadenmeldungen aus.

"Es gibt Anzeichen dafür, dass es bei diesen Fällen eine Verlagerung weg vom Privatkunden und hin zu den durch den Lockdown betroffenen Branchen gab", sagte Asmussen. "Den Gesamtschaden durch Versicherungsbetrug schätzen wir auf etwa 5 Milliarden Euro im Jahr."

Weniger selbsterklärend ist der von der Allianz beobachtete Anstieg der Betrugsversuche von rund 10 Prozent in der Kfz-Versicherung und in der allgemeinen Haftpflicht von rund 20 Prozent. "Weltweit gehen Studien davon aus, dass zwischen 10 und 15 Prozent aller Schadenmeldungen dubios sind. Das trifft auch für Deutschland zu", sagt Jochen Haug, Vorstand der Allianz Versicherungs-AG, der für die Sachversicherung in Deutschland zuständigen Gesellschaft des Münchner Konzerns. "Wir konnten zudem beobachten, dass in Krisenzeiten die Betrugsversuche über alle Sparten zunehmen."

Haug wehrt sich daher gegen die in Online-Foren häufig zu lesenden Klagen über zahlungsunwillige Versicherer: "Uns geht es um den Schutz der ehrlichen Kunden, die den Versicherungsbetrug anderer mitzahlen", sagt der Allianz-Manager. "Jeder Betrüger, den wir nicht erwischen, belastet die Versichertengemeinschaft. Je besser unsere Betrugsabwehr ist, desto schneller und einfacher können wir auch der ganz großen Mehrheit unserer ehrlichen Kunden ihre berechtigten Ansprüche bezahlen."

Versicherungen unterscheiden zwischen zwei Arten von Betrug: einerseits überhöhte Schadenmeldungen, andererseits frei erfundene oder absichtlich herbeigeführte Schäden. "Immer wenn eine neue iPhone-Generation von Apple angekündigt wurde, nahm die Anzahl an verunfallten iPhones mit sehr kuriosen Schadenmeldungen zu", nennt Haug ein Beispiel. "Dieser Umstand flacht mittlerweile ab."

Die Digitalisierung hat sowohl für die Polizei als auch für die Versicherer Vor- und Nachteile. Einerseits erleichtert die Technologie Straftaten. Beispiel fingierte Autounfälle: "Früher wurden die Fahrzeuge tatsächlich beschädigt", sagt Allianz-Manager Haug. "Heute ist es so, dass die Schäden auch virtuell am Bildschirm durch entsprechende Bildbearbeitungsprogramme entstehen."

Ganz abgesehen davon sind manche Wirtschaftsdelikte in der realen Welt auch gar nicht vorstellbar. Ein Beispiel sind die Anlagebetrüger, die mit virtuellen Währungen wie Bitcoin hantieren. Zugleich erleichtert Technologie die Detektivarbeit, wovon Ermittler wie Versicherungen gleichermaßen profitieren.

Bei fingierten Autounfällen etwa kann das Auto selbst helfen, potenzielle Betrüger zu überführen. "Moderne Fahrzeuge sind mit einem Event Data Recorder ausgestattet", sagt Christoph Lauterwasser, der Geschäftsführer des Allianz Zentrums für Technik. Dank dieses automobilen Gegenstücks zum Flugschreiber lässt sich etwa herausfinden, ob ein Autofahrer absichtlich Gas gab, um sich rammen zu lassen.


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Streit ums liebe Geld: UN-Klimagipfel geht in die Verlängerung
22.11.2024

Milliarden für den Klimaschutz – doch wie weit sind die Staaten wirklich bereit zu gehen? Auf der UN-Klimakonferenz in Baku entbrannte...

DWN
Politik
Politik Netanjahu Haftbefehl: Deutschland und die rechtliche Zwickmühle
22.11.2024

Der Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu erschüttert die internationale Bühne. Deutschland sieht sich in einem schwierigen Spagat:...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bosch kürzt 5.550 Stellen - 3.800 davon in Deutschland
22.11.2024

Bosch steht vor massiven Einschnitten: Bis zu 5.550 Stellen sollen wegfallen, davon allein 3.800 in Deutschland. Die Krise in der...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis-Prognose 2025: Nach Kurskorrektur steigt der Goldpreis aktuell - wohin geht die Reise?
22.11.2024

Der Goldpreis steht derzeit im Fokus von Anlegern und Edelmetallexperten. Gerade in unsicheren Zeiten wollen viele Investoren Gold kaufen,...

DWN
Politik
Politik Iranisches Atomprogramm: Teheran will mehr Uran anreichern
22.11.2024

Droht der Iran dem Westen mit neuen Atomwaffen? Die IAEA warnt, Teheran wehrt sich – und eskaliert die Urananreicherung. Jetzt könnten...

DWN
Politik
Politik Dauerbaustelle Autobahn: Sie stehen hier im Stau, weil sich Verkehrsminister Volker Wissing verrechnet hat
22.11.2024

Wenn man im Sommer entspannt durch Frankreich oder Italien über die Autobahnen gleitet, fragt man sich jedesmal aufs Neue: Warum müssen...

DWN
Politik
Politik Krankenhausreform kommt: Lauterbachs Reform passiert den Bundesrat
22.11.2024

Karl Lauterbach freut sich: Der Bundesrat hat das sogenannte "Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz" gebilligt, das Herzensprojekt des...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Rezession droht im Winter, Euro ist im Sinkflug: Was sind die Gründe?
22.11.2024

Stagnation der deutschen Wirtschaft, ein schwächelnder Euro, miese Stimmung in den Unternehmen: Ökonomen befürchten eine...