Mit rund einem Jahr Verzögerung haben Aufseher die Banken in Europa einem umfassen Belastungstest unterzogen. Am Freitagabend will die europäische Bankenbehörde EBA ihre Ergebnisse veröffentlichen. Experten rechnen bei den meisten Instituten mit einem soliden Abschneiden. Die EU-Bankenwächter untersuchten, wie widerstandsfähig die Institute wären, falls sich die Corona-Krise bei anhaltenden Niedrig- oder Negativzinsen verschärfen würde. Einen ersten Hinweis auf die Ergebnisse lieferte vergangene Woche die Europäische Zentralbank (EZB). Sie erlaubte den Banken der Euro-Zone ab Oktober wieder Dividendenzahlungen ohne Einschränkungen. Die EBA wollte den Stresstest ursprünglich 2020 auflegen, verschob ihn dann aber wegen der Corona-Krise.
„Ich glaube, dass man insgesamt unter Beweis stellen wird, dass man krisenfest ist“, erwartet LBBW-Analyst Christian Götz. „Die geäußerten Befürchtungen, dass es eine Finanzkrise 2.0 geben werde, dürften ad acta gelegt werden.“ Der Banken-Experte rechnet allerdings damit, dass diesmal im Schnitt größere Eigenkapitalabschläge zu sehen sind als beim letzten Stresstest. Marco Troiano von der Ratingagentur Scope erwartet nur vereinzelte Problemfälle: „Die Resultate des Stresstests werden dabei helfen, etwas von der gebliebenen Unsicherheit bezüglich der Kapitalpositionen der europäischen Banken zu zerstreuen.“
Zu den 50 Banken, die getestet wurden, gehörten auch sieben deutsche Institute. Neben der Deutschen Bank sind das die Volkswagen Bank, die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), die DZ Bank, die Commerzbank und die Bayerische Landesbank. Insgesamt sind 38 der größten Banken aus dem Euro-Raum im Rahmen des EBA-Tests geprüft worden. Britische Banken sind nach dem Brexit zum ersten Mal nicht dabei. Parallel dazu hat die Europäische Zentralbank 51 zumeist kleinere Institute, die nicht Teil der EBA-Stichprobe sind, einem eigenen Stresstest unterzogen.
Marc Decker, Leiter Fondsmanagement bei der Privatbank Merck Finck, erwartet im Großen und Ganzen, dass der Bankensektor robuster dasteht als noch vor zehn Jahren. „In der Finanzkrise 2008, 2009 waren die Banken das Problem, das sind sie dieses Mal Gott sei dank nicht“, sagt Decker. Er wies zudem darauf hin, dass die Institute auch aufgrund der Regulierung massive Anstrengungen unternommen haben, um ihre Eigenkapital-Stabilität entsprechend zu verbessern.
In dem Stresstest wurde ein Krisenszenario angenommen, bei dem sich die Corona-Pandemie massiv verschärft und einen deutlichen Rückgang der Wirtschaftsleistung in der EU um 3,6 Prozent bis 2023 auslöst. Zudem wird davon ausgegangen, dass die Arbeitslosenquote noch oben schnellt, die Preise für Gewerbeimmobilien abstürzen und die Aktienmärkte einbrechen. Die Banken mussten zeigen, dass sie eine solche Krise überstehen können und noch über genügend Kapital verfügen. Durchfallen konnten sie zwar nicht. Die Ergebnisse sollen aber im Rahmen der regulären Bankenprüfung bei der Ermittlung ihres Kapitalbedarfs herangezogen werden.
Einen Fingerzeig, wie die Ergebnisse ausfallen könnten, gab unlängst die EZB-Bankenaufsicht. Sie beschloss, noch bestehende, pandemie-bedingte Einschränkungen bei Dividenden-Zahlungen Ende September auslaufen zu lassen. Ab Oktober sollen die Ausschüttungspläne der Institute dann wieder Teil des normalen Aufsichtsprozesses sein. Wegen der Corona-Krise waren sie bislang dazu aufgerufen, entweder keine oder nur in begrenztem Umfang Dividenden zu zahlen oder Aktien zurückzukaufen.