Technologie

WOHNEN UND LEBEN: Die Schattenseite des intelligenten Zuhauses

Intelligente Systeme bieten Wohnkomfort - von ihnen gehen aber auch beträchtliche Risiken aus. Lesen Sie heute den zweiten Teil unserer Analyse des "intelligenten Zuhauses".
29.08.2021 08:02
Lesezeit: 5 min

Während der erste Ansatz der zunehmenden Digitalisierung auf das Einsparen von Ressourcen abzielt, verweist der Aspekt der „Einbindung erneuerbarer Energien“ auf das zweite Ziel, welches offenbar mit der Digitalisierung und den „Smart Homes“ verbunden ist und das insbesondere von der Politik im Auge behalten wird - der Vernetzung des Hauses mit Systemen erneuerbarer Energien und den dazugehörigen Stromnetzen.

Kurz gesagt geht es hierbei um Folgendes: Der Anteil des aus Wind- und Solarenergie generierten Stroms im gesamten Strommix soll nach dem Willen der Bundesregierung immer größer werden - Strom aus Atom- und Kohlekraft hingegen an Bedeutung verlieren. Da aber sowohl Windstrom als auch Solarstrom schwankungsanfällig sind (wenn kein Wind weht und die Sonne nicht scheint, endet die Stromerzeugung abrupt) entstehen rasch „Stromlücken“ im System. Die Hoffnungen, welche die Politik mit intelligenten Häusern verbindet, zielen auf zwei Aspekte ab: zum einen soll der gesamte Strombedarf aufgrund des insgesamt effizienteren Wohnens mithilfe der Digitalisierung zurückgefahren werden - es braucht also künftig den Planungen zufolge nicht mehr so viel Strom wie heute im Bereich Wohnen. Hierbei sollte allerdings beachtet werden, dass die weiter fortschreitende Digitalisierung aller Alltags- und Berufsbereiche den Strombedarf trotzdem insgesamt erhöhen könnte - ebenso wie die von der Bundesregierung mit Milliarden geförderte Elektrifizierung des Verkehrs (Stichwort Elektroautos). Die durch digitale Effizienzmaßnahmen im Bereich Wohnen erzielten Einsparungen beim Strombedarf könnten daher von einer weitaus höheren Gesamtnachfrage überlagert werden.

Zum zweiten verbindet man mit flexiblen und mit dem Internet vernetzten Häusern die Hoffnung, den Bedarf an Strom dem nun schwankenden Angebot anzupassen. Früher wurden Haushaltsgeräte eingeschaltet, es kam sofort zu einer Nachfrage nach Strom, die vom System bedient werden musste. In Zukunft soll nach dem Willen der Bundesregierung die (aus alternativen Quellen generierte) Stromerzeugung den Takt für die Nachfrage vorgeben. Wenn also der Wind gerade weht und Strom vorhanden ist, können die Hintergrundaktivitäten im Haus wie etwa Wäschewaschen oder Geschirrspülen über das Internet darüber informiert werden und ihren Betrieb aufnehmen. Das meint das Wirtschaftsministerium, wenn es 2017 schreibt:

„Vor dem Hintergrund der zunehmenden Vernetzung der verschiedenen Energieerzeugungsanlagen und Verbrauchssektoren können IKT-basierte Anwendungen eine zentrale Rolle bei der verbesserten Systemintegration und der verstärkten Nutzung erneuerbarer Energien einnehmen. Dies gilt insbesondere für dezentrale strombasierte oder -gekoppelte Anlagen wie Wärmepumpen oder Blockheizkraftwerke, deren Vernetzung die Grundlage für deren netzdienlichen Betrieb und die Synchronisation mit Preissignalen ist. Zugleich kann die Digitalisierung auch einen Beitrag für den wirtschaftlichen Betrieb dieser Anlagen leisten, der beispielsweise durch die Teilnahme am Regelleistungsmarkt oder am Peer-to-Peer-Energiehandel ermöglicht wird. Dies könnte den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen und damit einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung und Dezentralisierung der Energieerzeugung leisten.“

Risiken der Vernetzung

Die Vernetzung der eigenen vier Wände birgt neben den beschriebenen Vorteilen auch beträchtliche Risiken - zum einen für den persönlichen Datenschutz, zum anderen für die Sicherheit des Hauses oder der Wohnung selbst.

Im Fall des Datenschutzes stellt sich grundsätzlich die Frage, ob die von Sensoren, Kameras und Mikrofonen gesammelten persönlichen Daten sicher gespeichert werden, ob sie in falsche Hände gelangen können oder ob sie von den Herstellern der Systeme sachgemäß behandelt werden.

Viel schwerwiegender ist jedoch das Risiko für die eigene Sicherheit und die Unverletzlichkeit der Wohnung beziehungsweise des Hauses einzuschätzen. Denn alles, was mit dem Internet verbunden ist, im Internet in Clouds gespeichert wird oder digitalisiert wurde, kann von Kriminellen gehackt, entwendet und verändert werden. Nicht nur könnten Kriminelle durch Zugriff auf die Daten ein komplettes Bewegungsprofil der Besitzer erstellen (wann verlassen die Leute das Haus, wann kommen sie zurück, welche Fenster sind geöffnet etc.), sondern die Systeme selbst lassen sich in ihrem Sinne manipulieren. Auf diese Weise können Tore und Türen geöffnet werden, Gespräche mit sensiblen Inhalten wie Passwörter abgehört oder die Hausbesitzer abgefilmt werden.

Das Bayerische Verbraucherschutzministerium schreibt dazu: „Auch kann das Smart Home ein Risiko für die Privatsphäre sein. Die Vertraulichkeit der in sprachgesteuerte, intelligente persönliche Assistenten wie Alexa eingespeisten Informationen ist nicht gewährleistet. Die Kontrolle über das Heimnetzwerk kann in falsche Hände geraten, Passwörter, die Gewohnheiten, Verbrauchs- oder Nutzungsdaten der Bewohner könnten ausgespäht werden. Tagesabläufe, übliche An- und Abwesenheitszeiten der Bewohner werden transparent. So können Kriminelle einen Einbruch einfacher planen, das digitale Schließsystem der Haustür manipulieren oder sogar Geräte vom Smart-Home Netz in betrügerische Bot-Netze einbinden. Solche Bot-Netze werden häufig für DDoS-Angriffe (Distributed Denial of Service) genutzt und Kriminelle können so beispielsweise wichtige Server lahmlegen.“

Die Zeitschrift Ökotest kam Ende 2020 mit Blick auf das „Smart Home“ zu einem durchwachsenen Fazit: „Wie groß der Gewinn ist, die Waschmaschine zukünftig per Handy oder Sprachbefehl einzuschalten statt wie bisher auf Knopfdruck, muss jeder Konsument selbst entscheiden. Aus ökologischer und auch ökonomischer Perspektive sollte man bedenken, dass sich bei neuen Haushalts-Anwendungen fast immer die bekannten Rebound-Effekte ('Abpralleffekte') einstellen. Das bedeutet, dass das mehr oder weniger große Einsparpotenzial (an Aufwand, Energie etc.), dass die neuen Geräte versprechen, sofort durch den Mehraufwand aufgefressen wird, den die neue Technik im Gepäck hat. Nicht selten übertrifft der Zusatzaufwand sogar die Einsparungen. Schließlich will das neue Küchenwundergerät auch verstanden, gewartet, geupdatet, mit Rezepten gefüttert, in möglichst allen Funktionsweisen genutzt und gegebenenfalls repariert werden. Auch die richtigen Sprachbefehle sind zu lernen, damit die Maschinen wie gewünscht strammstehen. Das alles kostet: Zeit und Energie. Bewusste und strategisch kluge Konsumenten überlegen deshalb genau, welche smarten Geräte wirklich eine Erleichterung versprechen – und welche eher neue Abhängigkeiten und Kosten bedeuten.

(...)

Berechnet man Anschaffungskosten, Installation, Instandhaltung und Reparatur, das Aneignen der nötigen Kenntnisse, Ein- und Ausloggen aus den Programmen, Energieverbrauch sowie die genannten Risiken für Privatsphäre und Datenschutz ein, sind bislang kaum smarte Geräte auf dem Markt, deren Anschaffung der schönen neuen Welt nahekommt, die die Hersteller versprechen. Eine tatsächliche Erleichterung versprechen bislang vor allem Saug- bzw. Wischroboter, sofern sich die eigene Wohnung dafür eignet. Außerdem smarte Thermostate, mit deren Hilfe sich tatsächlich eine, wenn auch geringe, Heizkostenersparnis erzielen lässt, sind eine sinnvolle Ergänzung in Haus oder Wohnung.“

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