Politik

Russland drosselt Lieferungen um 50 Prozent: EU-Erdgaspreise explodieren, Kohlekraft wird benötigt

Russland hat die Gaslieferungen nach Europa über die Jamal-Europa-Pipeline, die durch Weißrussland verläuft, um etwa 50 Prozent reduziert. Die Erdgaspreise in Nordeuropa explodieren. Ein Rückgriff auf Kohleenergie ist nicht mehr ausgeschlossen.
03.08.2021 16:00
Aktualisiert: 03.08.2021 16:11
Lesezeit: 2 min
Russland drosselt Lieferungen um 50 Prozent: EU-Erdgaspreise explodieren, Kohlekraft wird benötigt
02.07.2020, Russland, Moskau: Wladimir Putin. (Foto: dpa) Foto: Alexei Druzhinin

Stephen Stapczynski von „Bloomberg“ berichtet, dass russisches Gas über die Jamal-Europa-Pipeline durch Weißrussland und Polen nach Mallnow in Deutschland fließt. Doch die aktuelle Situation sei anders als zuvor. Denn Russland hat eine Angebotsknappheit herbeigeführt, die die Erdgaspreise in Nordeuropa zum „explodieren“ bringt.

Am vergangenen Wochenende ist das Gasangebot plötzlich gesunken, so dass Europa keine Zeit mehr hat, die Lagerbestände vor dem Winter aufzufüllen.

Aus der obigen Grafik geht hervor, dass die Gasmenge, die an die Kompressorstation Mallnow nach Deutschland gelangt, um fast die Hälfte gesunken ist. Das bedeutet, dass Russland weniger Gas durch die Jamal-Europa fließen lässt. „Bloomberg“ zufolge habe die außergewöhnliche, weltumspannende Angebotskrise bei Erdgas „berauschende Preisrallyes von den Niederlanden bis nach China ausgelöst, und die Anleger sind darauf vorbereitet, zu sehen, ob die Gewinne ausgeweitet werden.“

Doch nicht nur Europa hat Probleme. Die Preise für Flüssigerdgas (LNG) in Asien nähern sich einem saisonalen Höchststand, da die Importeure inmitten des heißeren Sommerwetters um das Angebot konkurrieren.

Darüber hinaus nimmt Russlands staatlicher Gazprom-Konzern ukrainische Transportkapazitätsbuchungen nicht annähernd auf dem Niveau von vor 2018 vor. Folglich füllen sich die europäischen Gas-Speicher nicht schnell genug. Sie werden Bloomberg zufolge wahrscheinlich nicht bis zum Winterbeginn ausreichend aufgefüllt werden. Tatsächlich sind die russischen Exporte in die EU über Nord Stream 1, Jamal und die Ukraine in die Slowakei im Vergleich zum relevantesten Vergleichsjahr 2018 in den beiden Speicherjahren ab April 2019 um 26,5 Milliarden Kubikmeter gesunken.

Ironischerweise stellt Bloomberg fest, dass die aktuelle Situation die Versorgungsunternehmen in Europa dazu bewegen könnte, auf Kohle-Verbrennung umzusteigen, was wiederum gegen das EU-Klimapaket verstoßen würde.

EU-Gasspeicher müssen aufgefüllt werden

Nach einer außergewöhnlich kalten Heizperiode müssen die europäischen Energiespeicher wieder aufgefüllt werden, was die Nachfrage zur Vorbereitung auf den kommenden Winter weiter ankurbelt. Außerdem erleben einige Teile Europas einen ungewöhnlich warmen Sommer, der zu einem höheren Strombedarf für den Betrieb von Klimaanlagen führt. Unter normalen Umständen würden Kohlekraftwerke die Lücke füllen, aber der CO2-Preis im europäischen Emissionshandel hat sich seit November auf 52 Euro verdoppelt, so der englischsprachige Dienst von Reuters. In der Vergangenheit hätte Gazprom die Exporte schnell hochgefahren, um zusätzlichen Bedarf zu decken, mit dem ultimativen Ziel, den Marktanteil zu erhöhen. Allerdings hält sich das russische Unternehmen inzwischen davor zurück, zusätzliche Transitkapazitäten durch das ukrainische Pipelinesystem zu „buchen“.

Nick Campbell , Direktor des Beratungsunternehmens Inspired Energy, teilte dem englischsprachigen Dienst von Reuters mit: „Gazprom hat in diesem Sommer noch keine Kapazitäten bei den monatlichen Auktionen (der Ukraine) erworben. Daher könnte man dies als eine Strategie ansehen, um Nord Stream 2 bis zur Fertigstellung voranzutreiben.“ Mit diesem Argument liegt Campbell offenbar nicht ganz falsch. Die Exportleiterin von Gazprom, Elena Burmistrowa, räumte im Mai 2021 ein, dass Kunden um zusätzliche Liefermengen gebeten hätten. Sie sagte, Gazprom „könnte mit der Inbetriebnahme von Nord Stream 2 den zusätzlichen Bedarf decken.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Trump will "echtes Ende": Diplomatie oder einen Kriegseintritt der USA?
17.06.2025

Trumps vorzeitiges Verlassen des G7 Gipfels in Kanada hat viele Fragen offen gelassen. Reporter die Trump auf seiner Rückreise begleitet...

DWN
Politik
Politik Kriegswaffe Hunger? Israel greift erneut Menge bei Gaza-Hilfszentrum an
17.06.2025

Das israelische Militär hat erneut wartende Menschen in der Nähe eines Verteilzentrums für humanitäre Hilfsgüter im Gazastreifen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Slowenien verliert Glanz: Deutsche Firmen zweifeln am Standort
17.06.2025

Deutschlands Wirtschaft verliert das Vertrauen in Slowenien: Hohe Kosten, politische Unsicherheit und Reformstau treiben Firmen in Richtung...

DWN
Technologie
Technologie Starlink gegen den Rest der Welt: Wem gehört der Orbit?
17.06.2025

Während Elon Musk mit Starlink das All kolonisiert, stolpern Amazon, China und Europa hinterher. Geht es im neuen Weltraumrennen wirklich...

DWN
Finanzen
Finanzen Silberpreis bricht aus: Folgt nun eine Rallye bis 50 US-Dollar?
17.06.2025

Anfang Juni hat der Silberpreis die magische Marke von 35 US-Dollar pro Unze geknackt und hält sich seitdem beständig darüber. Damit ist...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Aus Alt wird Auto: EU will Rohstoffe besser nutzen- Mehr Recycling im Auto
17.06.2025

Autos bestehen aus wertvollen Rohstoffen – und viele davon lassen sich wiederverwenden. Damit in Europa künftig mehr Recyclingmaterial...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis vor dem Absturz? Citi warnt vor Ende der Rekordrally
17.06.2025

Der Goldpreis steht auf wackligen Füßen: Nach einem Höhenflug von über 30 % warnt Citigroup vor dem Absturz – kommt jetzt der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft ESG-Wende: Banken öffnen sich für Rüstungsfinanzierung
17.06.2025

Lange galten Rüstungsfirmen als tabu für ESG-Investoren – jetzt vollzieht die deutsche Finanzwelt offenbar eine Kehrtwende. Sicherheit...