Deutschland

VW-Chef Diess hält Warnungen vor Jobverlusten in der Auto-Industrie für überzogen: "Man kann einen Großteil der Arbeitsplätze retten"

Der Vorstandsvorsitzende von VW, Herbert Diess, wagt einen optimistischen Rundumschlag.
07.08.2021 18:02
Aktualisiert: 07.08.2021 18:02
Lesezeit: 2 min

Die Umwälzungen in der Auto-Branche werden aus Sicht des VW-Konzern-Chefs zwar beträchtlich sein - Herbert Diess warnt jedoch vor einer Dramatisierung der Job-Folgen. «Die ganzen Negativszenarien, die da manchmal gezeichnet werden, sind überzogen», sagte er. Fahrzeugfertigung werde Ende des Jahrzehnts immer noch das VW-Kerngeschäft sein, wenngleich sich die Wagen stark verändern und mit deutlichen kleineren CO2-Lasten unterwegs sein würden. Aber, so Diess´ Fazit: «Wir bleiben ein Autobauer.»

Weiter sagte der 63-jährige Österreicher: «Um viele Autos zu bauen, braucht man auch 2030 noch viele Menschen in der Produktion. Und viele werden ziemlich ähnliche Tätigkeiten ausüben wie heute. Vielleicht höher automatisiert, aber es bleibt im Wesentlichen Produktion.» Das schließe nicht aus, dass der gleichzeitige Aufbau von mehr IT-Kompetenz große Veränderungen und umfassendes Umdenken mit sich bringe. «Natürlich werden wir im Bereich Software wachsen mit neuen Mitarbeitern», so der Manager. «Aber anders als in schnellen Branchen braucht der Wandel in der Autoindustrie viel Zeit. Zwei Modelllebenszyklen sind bei uns 15 Jahre. Tesla ist heute da - nach 15 Jahren harter Arbeit.»

Als Volumenanbieter mit Größenvorteilen habe die VW-Gruppe vielleicht etwas mehr Anpassungszeit als andere. «Aber auch nicht zu viel. Wenn wir es gut weitermachen, kann man einen Großteil der Arbeitsplätze sicher retten, an bestimmten Stellen wachsen, an anderen schrumpfen.»

Während Auto- und Zulieferkonzerne Milliardeninvestitionen vor allem in alternative Antriebe und Vernetzungstechnik pumpen, bedeutet der Umbruch für kleinere Lieferanten hohen Mehrbedarf in Sachen Finanzierung und Weiterbildung. Diess ist relativ zuversichtlich, dass der Wandel vielerorts gelingt: «Auch 70 Prozent der Zulieferer fahren durch diese Transformation, als gäbe es keine. Sitze bleiben Sitze, Stahl bleibt Stahl, Räder bleiben Räder, Bremsen bleiben Bremsen.»

Im Antrieb tue sich viel. «Aber auch da wird der Wandel überschätzt, weil der Antrieb heute schon nicht der mitarbeiterintensivste Bereich ist», so Diess. «Ein Motor hat eine Fertigungszeit von etwa einer Stunde bei uns im Haus, im Vergleich zu 20 bis 30 beim Fahrzeug.» Die Frage sei in den kommenden Jahren eher: «Bleiben wir wettbewerbsfähig gegenüber den neuen Konkurrenten wie zum Beispiel aus Asien?»

Ziehen Belegschaften und Kunden im ökologischen und digitalen Umbau mit, könne das Auto noch in der Bedeutung zulegen. Es werde «viele Negativaspekte verlieren», prognostiziert Diess. «In ein paar Jahren können Sie guten Gewissens mit einem SUV hier herumfahren. Es gibt Kritiker, die sich aufs Klima berufen, aber eigentlich gegen das Auto sind, gegen die individuelle Mobilität. Aber die verliert viel von ihrem Schrecken, sie wird sehr viel sicherer, sie wird umweltfreundlicher.»

Was Diess nicht erwähnte, ist, dass Gewerkschafter und Politiker sich vor allem in den automobilstarken Regionen Niedersachsens, Bayerns und Baden-Württembergs Sorgen um die Zukunft von Jobs in kleinen Firmen machen. Und dass die neue VW-Betriebsrats-Chefin Daniela Cavallo jüngst mahnte, die Gesellschaft müsse das Beschäftigungsthema ernster nehmen, um weiterer politischer Enttäuschung vorzubeugen. Die Begleitung des Umbruchs in Zusammenarbeit mit der IG Metall, den Arbeitgebern und den Herstellern war auch Thema mehrerer «Autogipfel» bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Die in der Branche herrschenden Arbeitsbedingungen wurden zudem durch die Pandemie stark verändert. Auch er habe das in der zurückliegenden Zeit selbst oft gespürt, so Diess. Und weiter: «Ich bin im Vorstand zum Beispiel für China verantwortlich, da war ich seit eineinhalb Jahren nicht mehr. Das ist ein dramatischer Nachteil; ich kann die Situation dort nicht wirklich gut einschätzen, wenn man die Leute nur am Telefon und in der Videokonferenz spricht.»

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Airbus-Aktie fällt nach A320-Software-Update
01.12.2025

Ein Pflicht-Update für die A320-Reihe schickt die Airbus-Aktie auf ein Zweimonatstief. Airlines reagieren hektisch, doch der Hersteller...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Kurs rutscht zum Wochenstart ab: Liquidationswelle bringt Kryptowährungen unter massiven Druck
01.12.2025

Der Bitcoin-Kurs startet tiefrot in den Dezember: Ein Wochenend-Schock hat den Markt binnen Stunden umgekrempelt. Liquidationen rollen auf...

DWN
Politik
Politik Bürgergeldreform „Bullshit“: Arbeitsministerin Bas muss bei Jusos einstecken - wackelt die neue Grundsicherung?
01.12.2025

Die Bürgergeldreform steht bevor, der erste Teil der neuen Grundsicherung soll noch im Dezember durch das Bundeskabinett von Kanzler Merz...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Industrie: Materialmangel trifft Autoindustrie am härtesten – Ursache wohl in China
01.12.2025

Materialmangel trifft die deutsche Industrie unerwartet hart und legt Schwachstellen in globalen Lieferketten offen. Besonders Halbleiter...

DWN
Politik
Politik NATO-Krise: Ex-Spitzenoffizier fordert im DWN-Interview totale Umstellung von Gesellschaft und Wirtschaft
01.12.2025

Ein früherer NATO-Spitzenoffizier warnt in einem exklusiven Interview, dass Europa nur wenige Jahre hat, um sich auf einen möglichen...

DWN
Finanzen
Finanzen Hugo Boss-Aktie: Machtkampf mit Großaktionär Frasers?
01.12.2025

Beim Modekonzern Hugo Boss knirscht es im Machtgefüge: Der wichtigste Investor zieht dem Aufsichtsratschef die Unterstützung weg,...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Wird 2026 alles steigen? Prognose für Aktien, Bitcoin-Kurs und Goldpreis
01.12.2025

Der November brachte an den US-Börsen einen synchronen Aufschwung über sämtliche Anlageklassen hinweg. Jetzt legen die größten Häuser...

DWN
Finanzen
Finanzen Dividenden-Aktien: Wie Anleger jetzt potenzielle Dividendenrenditen erkennen
01.12.2025

Dividenden-Aktien gewinnen für Anleger in unsicheren Zeiten an Bedeutung, da sie regelmäßige Ausschüttungen mit potenziellem...