Politik

Biden-Regierung hilft China, Verantwortung für Corona-Virus zu vertuschen

Die "Kommunistische Partei Chinas" (KPCh) tut alles, um zu verhindern, dass Informationen über den möglichen Ursprung des Virus in Wuhan nach außen dringen. Die Frage stellt sich: Was hat China zu verbergen?
22.08.2021 12:01
Lesezeit: 4 min
Biden-Regierung hilft China, Verantwortung für Corona-Virus zu vertuschen
Einst schützte die Große Mauer das Reich vor barbarischen Reiterhorden. Jetzt hat China wieder eine Mauer errichtet, eine Mauer des Schweigens: Sie verhindert, dass ausländische Wissenschaftler und Institutionen Informationen über den möglichen Ursprung des Corona-Virus in China erlangen. (Foto: dpa) Foto: epa Azubel

COVID-19 begleitet uns inzwischen seit mehr als anderthalb Jahren. Es hat ganze Gesellschaften zum Stillstand gebracht, starke Wirtschaftsabschwünge ausgelöst und mehr als 4,2 Millionen Menschen das Leben gekostet. Doch wir wissen noch immer nicht, wo das tödliche Virus hergekommen ist, und zwar aus einem simplen Grund: weil China das nicht will.

Dass ein neuartiges Coronavirus in Wuhan aufgetreten war, vermeldete China erstmals Wochen nach dessen ursprünglicher Feststellung. Das sollte niemanden überraschen. Die herrschende Kommunistische Partei Chinas (KPCh) zieht es vor, Informationen zu unterdrücken, die sie in ein schlechtes Licht rücken könnten, und das Auftreten von COVID-19 innerhalb der Landesgrenzen erfüllt diese Beschreibung zweifellos. Tatsächlich gingen die chinesischen Behörden so weit, Whistleblower wegen der „Verbreitung von Gerüchten“ zu inhaftieren.

Als China die Welt endlich über COVID-19 informierte, war es längst zu spät, um das Virus einzudämmen. Doch die KPCh hat ihre Lektion nicht gelernt. Zu verstehen, ob das Coronavirus auf natürliche Weise in freier Wildbahn zutage trat oder aus einem Labor entkam, ist für die Verhinderung einer weiteren Pandemie von elementarer Bedeutung. Doch bisher tut die KPCh als in ihrer Macht Stehende, um eine unabhängige forensische Untersuchung des Sachverhalts zu verhindern.

Eine „Untersuchung“ hat die KPCh gestattet: eine „gemeinsame Studie“ zusammen mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unter chinesischer Federführung. Doch als WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus vor kurzem eine zweite Studienphase vorschlug – in deren Mittelpunkt Überprüfungen chinesischer Märkte und Laboratorien, darunter insbesondere das „Wuhan Institute of Virology“ (WIV), stehen sollten –, wurde China störrisch. Und als US-Präsident Joe Biden eine neue Untersuchung der Ursprünge von COVID-19 durch US-Nachrichtendienste ankündigte, verwahrte sich die chinesische Führung gegen Amerikas „Politisierung der Ursachenforschung“.

Ohne Chinas Kooperation ist die Ermittlung der Ursprünge von COVID-19 praktisch unmöglich. Wir wissen, dass das WIV Veröffentlichungen zu genetisch manipulierten Coronaviren herausgegeben hat, von denen einige SARS-CoV-2 (dem Virus, das COVID-19 verursacht) ähneln, und dass es zumindest seit 2017 mit dem chinesischen Militär an Geheimprojekten zusammengearbeitet hat. Diese Information war in einem Bericht des US-Außenministeriums enthalten, der in den letzten Tagen der Regierung von Präsident Donald Trump herauskam.

Doch um zu beweisen, ob COVID-19 aus dem WIV entwichen ist oder nicht, müssten die US-Nachrichtendienste Zugriff auf zusätzliche Daten aus den Anfangstagen des Ausbruchs in Wuhan erhalten, und die KPCh gibt diese nicht heraus. Zudem verfügen die US-Dienste derzeit nicht über jene Art von Agentennetz in China, das sie brauchen würden, um die behördliche Blockade zu umgehen (China hat dies vor einem Jahrzehnt sichergestellt, indem es CIA-Informanten ermittelte und beseitigte).

Jedenfalls hat China inzwischen eine Menge Zeit gehabt, alle Hinweise auf eigene Fahrlässigkeit oder Komplizenschaft zu beseitigen. Hierfür kann sich das Land bei den wichtigen US-Nachrichtenorganisationen, Social-Media-Riesen und einflussreichen Wissenschaftlern (von denen einige ihre Interessenkonflikte verbargen) bedanken, die während der Pandemie die Hypothese eines Laborlecks überwiegend als unbegründete Verschwörungstheorie darstellten.

Diese Haltung war häufig politisch motiviert. Trump verwandte viel mehr Aufmerksamkeit auf Schuldzuweisungen gegenüber China als auf die Entwicklung einer wirksamen Reaktion auf die Pandemie in den USA. Als er die Theorie eines Labor-Lecks propagierte, verwarfen seine Gegner diese überwiegend als neuerliche Trump’sche Manipulation.

Selbst heute, wo Biden ein Labor-Leck als eines von „zwei wahrscheinlichen Szenarien“ betrachtet, widersetzen sich viele Demokraten dieser Vorstellung. Die Republikaner im Kongress beschuldigen die Demokraten derweil, China zu helfen, die Ursprünge des Virus zu verschleiern. Die Republikanische Partei hat kürzlich einen eigenen Bericht veröffentlicht, der zu dem Schluss kommt, dass das WIV daran arbeitete, Coronaviren so zu modifizieren, dass sie Menschen infizieren würden, und dass COVID-19 versehentlich bereits Monate vor den Warnungen aus China freigesetzt wurde.

Falls der von Biden angeordnete Bericht der US-Nachrichtendienste zu einer ähnlichen Schlussfolgerung gelangt, könnte das die schon jetzt angespannten chinesisch-amerikanischen Beziehungen an ihre Belastungsgrenze bringen. Wie die Bemühungen der stellvertretenden US-Außenministerin Wendy Sherman zur „Absteckung von Bedingungen für eine verantwortungsvolle Steuerung der US-chinesischen Beziehungen“ bei ihrem jüngsten Besuch Chinas zeigen, ist das nicht die Absicht der Biden-Regierung. Und da Biden und der chinesische Präsident Xi Jinping zudem ein Treffen am Rande des G20-Gipfels in Rom im Oktober in Betracht ziehen, scheint es wahrscheinlich, dass die Untersuchung durch die US-Nachrichtendienste zumindest über ihren vorgesehenen Zeitrahmen von 90 Tagen hinaus verlängert werden wird.

Doch ist ihre Abneigung, China zu provozieren, nicht der einzige Grund, warum die Biden-Regierung zögern könnte, ihren Forderungen nach Transparenz Taten folgen zu lassen. US-Regierungsbehörden – von den National Institutes of Health bis hin zu USAID – haben von 2014 bis 2020 über die EcoHealth Alliance, die ihren Sitz in den USA hat, die Forschung an Coronaviren im WIV finanziell unterstützt.

Die Einzelheiten bleiben undurchsichtig, und US-Behördenvertreter haben bisher kein Fehlverhalten zugegeben. Doch Anschuldigungen, wonach die USA sogenannte „Gain-of-Function-Forschung“– d. h. die Veränderung des genetischen Aufbaus von Pathogenen, um deren Virulenz oder Infektiosität zu steigern – finanziert hätten, sind bisher noch nicht eindeutig beigelegt. Im Gegenteil: In einer Untersuchung der Zeitschrift Vanity Fair heißt es: „In einer Sitzung des US-Außenministeriums wurden Regierungsmitarbeiter, die danach strebten, Transparenz von der chinesischen Regierung zu verlangen … von Kollegen ausdrücklich aufgefordert, die Gain-of-Function-Forschung am Wuhan Institute of Virology nicht zu thematisieren, weil dies deren Finanzierung durch die US-Regierung unerwünschte Aufmerksamkeit bescheren könnte.“

Doch auch, wenn die Umstände sich verschworen haben, die Wahrheit unter Verschluss zu halten, wird eine Frage nicht verschwinden: Kann es Zufall sein, dass die global destabilisierende Pandemie in derselben Stadt ihren Ursprung hat, in der China an Wegen forscht, um die Übertragbarkeit von Fledermaus-Coronaviren auf menschliche Zellen zu steigern? Wie CIA-Direktor William Burns eingestanden hat, werden wir dies womöglich nie mit Sicherheit wissen. Doch wir sollten uns keine Illusionen darüber machen, was das bedeutet. Indem wir es versäumt haben, bei Pandemiebeginn eine ordnungsgemäße Untersuchung durchzuführen, haben wir die KPCh womöglich mit Millionen Todesfällen davonkommen lassen.

Aus dem Englischen von Jan Doolan

Copyright: Project Syndicate, 2021.

www.project-syndicate.org

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deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/513104/Bernegger-analysiert-Die-Anzeichen-verdichten-sich-das-Corona-Virus-stammt-aus-dem-Labor-in-Wuhan

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Brahma Chellaney

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Brahma Chellaney ist Professor für Strategische Studien am Zentrum für Politikforschung in Neu-Delhi, Mitarbeiter der Robert-Bosch-Akademie in Berlin und Verfasser von neun Büchern. 

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