Technologie

Elektroautos in Deutschland: Jobkiller und Jobmotor zugleich

Der Strukturwandel in der Automobilindustrie hat seine negativen und positiven Seiten.
17.08.2021 11:56
Aktualisiert: 17.08.2021 11:56
Lesezeit: 2 min

Noch ist unklar, wie sich der Strukturwandel in der Autoindustrie vom Verbrenner zu emissionsfreier Elektromobilität langfristig auf die Beschäftigtenzahlen auswirken wird. Jüngste Untersuchungen kommen auf gesamtwirtschaftlich positive Arbeitsplatzeffekte, vor allem weil durch Batteriefertigung und Ladenetzaufbau neue Jobs entstehen.

Bis 2030 werden in der Automobilherstellung und -wartung sowie bei den Zulieferern für die Produktion von Verbrennermotoren rund 180.000 Arbeitskräfte weniger gebraucht. Insgesamt kann die Zahl der Arbeitsplätze aber konstant bleiben. Stark zulegen werde die Beschäftigung bei Herstellern und Zulieferern, die vom traditionellen Antriebsstrang unabhängig sind, sowie bei Unternehmen in Energieinfrastruktur, Energieproduktion und in geringem Maße im Maschinen- und Anlagenbau. Prognostiziert wird hier ein Zuwachs von 205.000 Arbeitsplätzen. Circa 800.000 Arbeitnehmer müssen sich bei ihrem jetzigen oder für einen künftigen Arbeitgeber weiterbilden.

Die Bildungsforscher vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) kommen bei ihrer breit angelegten Untersuchung zur Transformation des Mobilitätssystems ebenfalls zu einem positiven Nettoeffekt: „Im Ergebnis ziehen die getroffenen Annahmen im gesamten Projektionszeitraum positive Wirkungen für das Bruttoinlandsprodukt sowie Arbeitskräfteangebot und ‐bedarf nach sich.“ Bis 2040 fallen nach der Studie rund 220.000 Arbeitsplätze weg, während 280.000 neu entstehen. Urbane Ballungsräume seien vermutlich stärker von einer veränderten Mobilität betroffen als ländliche Gebiete. „Zudem gibt es gerade im Bereich der Automobilindustrie starke regionale Unterschiede in Deutschland.“

Die Wissenschaftler untersuchten die Effekte am Beispiel Volkswagen anhand konkreter Produktions- und Planungsdaten. Von den gut 64.000 Beschäftigten, die bei der Marke Volkswagen in der Produktion von Fahrzeugen und Komponenten in Deutschland arbeiten, werden bis 2029 nach der Untersuchung zwölf Prozent weniger gebraucht. Unter dem größten Druck steht die Komponentenfertigung mit ihren rund 32.000 Mitarbeitenden. „Dort sind aber bereits umfangreiche Maßnahmen zum Beschäftigungserhalt oder für einen sozialverträglichen Stellenabbau eingeleitet worden. Absehbare negative Beschäftigungseffekte können durch eine Erhöhung der Stückzahlen und durch die Verlagerung auf die Fertigung neuer Komponenten (wie z. B. Batteriezellen) abgefedert werden.“ Die enorme Transformationsaufgabe in der gesamten Autoindustrie lasse sich durch gemeinsames Handeln durchaus meistern. Die qualitative Veränderung der Arbeit sei dabei ein größeres Problem als das Volumen des Personalabbaus.

In einer Studie von 2018 mit Fokus auf die Autoteileproduktion in Deutschland war das Fraunhofer IAO zu dem Ergebnis gekommen, dass im besten Fall unter dem Strich rund 75.000 von damals 210.000 Jobs verschwinden.

Die Wirtschaftsforscher des Ifo-Instituts ließen das Potenzial neuer Arbeitsplätze außer Acht, berücksichtigten aber das Ausscheiden von Arbeitnehmern aus dem Berufsleben in die Rente. Bei einem Anteil von Elektroautos bis 2025 von 29 Prozent seien 178.000 Stellen gefährdet. Sollten 36 Prozent reine E-Autos notwendig sein, weil es keine Spriteinsparungen bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor mehr gäbe, wären es gut 221.000 Arbeitsplätze. Davon seien rund 75.000 Beschäftigte abzuziehen, die bis 2025 in Rente gehen. Ifo kommt auf einen Personalüberhang von gut 81.000 Arbeitnehmern bis 2030, wenn die Beschäftigten regulär in Rente gehen. Sollten sie vorzeitig ausscheiden, wären es knapp 25.000.

Bei einer Notwendigkeit von zehn Millionen E-Autos bis 2030 gäbe es in Deutschland fast 410.000 Arbeitsplätze weniger als 2018, hieß es Anfang 2020. Der größte Job-Abbau wäre im Fahrzeugbau zu erwarten mit fast 240.000 Stellen weniger. Rund 30.000 neue Arbeitsplätze entstehen, beispielsweise im Bauwesen, bei den Stromversorgern oder im verarbeitenden Gewerbe.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Gewerkschaften: Koalition plant Steuerprivileg für Gewerkschaftsbeitrag
03.12.2025

Die schwarz-rote Koalition will den Gewerkschaften den Rücken stärken. Geplant ist eine Steuerersparnis, die die Mitgliedschaft...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Hochleistungsteams: Wie Führungskräfte ihre größten Talente verlieren – oder halten
03.12.2025

Wer Spitzenleistungen will, braucht mehr als gute Mitarbeiter. Vertrauen, Offenheit und Konfliktfähigkeit entscheiden darüber, ob Teams...

DWN
Politik
Politik Trumps Verteidigungsminister im Sturm: Angeklagt des möglichen Kriegsverbrechens
03.12.2025

Ein mutmaßlicher US-Verteidigungsskandal erschüttert Washington. Neue Enthüllungen legen nahe, dass Verteidigungsminister Pete Hegseth...

DWN
Finanzen
Finanzen Hugo Boss-Aktie: Kurssturz nach katastrophalem Ausblick – Machtkampf und Übernahmefantasie
03.12.2025

Zur Wochenmitte hat sich der DAX leicht aufwärts bewegt, der Blick der Anleger fiel aber zu einem Großteil auf die Hugo Boss-Aktie: Das...

DWN
Politik
Politik Recht auf Bargeld: Slowenien verankert Recht auf Barzahlung in Verfassung
03.12.2025

Ungarn und die Slowakei haben es vorgemacht, nun zieht ein weiteres EU-Land nach. Slowenien stärkt das Bargeld – und hebt es auf die...

DWN
Politik
Politik Importstopp russisches Gas: EU einig über Komplettverzicht auf Gas aus Russland
03.12.2025

Die EU will bis spätestens Ende 2027 vollkommen unabhängig von russischem Erdgas sein. Das sieht eine Einigung zwischen Vertretern der...

DWN
Finanzen
Finanzen Wärmewende: Heizen ist teurer geworden - mal wieder
03.12.2025

Wer seine Wohnung schön warm haben wollte, musste in den Jahren 2022 und 2023 besonders tief in die Tasche greifen. Nun haben Experten die...

DWN
Politik
Politik Putin versucht in Europa, was nicht einmal Stalin gelang
03.12.2025

Europa steht vor einer sicherheitspolitischen Zäsur. Neue Enthüllungen über Washingtons Verhandlungen, interne Machtkämpfe in Kiew und...