„Die Corona-Krise hat vielen Selbständigen und Betrieben vor Augen geführt, wie nahe der wirtschaftliche Abgrund liegen kann: dem Kneipier, der monatelang keine Gäste bewirten durfte. Der Boutique, die entweder gar nicht oder nur mit Einzelterminen öffnen durfte. Oder der Künstlerin, die nirgendwo auftreten konnte. Viele Unternehmer hangelten sich mit staatlicher Hilfe von Shutdown zu Shutdown - oder lösten private Ersparnisse auf, um ihr Geschäft zu retten. Doch zuweilen bleibt nur der schmerzliche Gang zum Insolvenzgericht. In der ersten Hälfte dieses Jahres werden gut 65.000 Privatleute und Firmen in Deutschland Insolvenz angemeldet haben, schätzt die Auskunftei Creditreform anhand ihrer Datenbank. Es wäre der höchste Wert seit sieben Jahren - allerdings nicht nur infolge der Pandemie“, so die „SZ“ unter dem Schlagzeile „Handel, Gastgewerbe, Freiberufler: So viele Pleiten wie seit Jahren nicht“.
Bis Ende 2020 hatte der Staat die Insolvenzantragspflicht für überschuldete Unternehmen ausgesetzt. Bis Ende April 2021 galt dies auch noch für Firmen, bei denen die Auszahlung der seit November 2020 vorgesehenen staatlichen Hilfen noch ausstand. Seit Mai ist die Pflicht zur Beantragung eines Insolvenzverfahrens wieder vollumfänglich in Kraft. Für den Monat sei unter anderem aufgrund der Bearbeitungszeit bei den Gerichten aber noch keine Zunahme der Insolvenzen erkennbar, erklärten die Statistiker. „Dies wird sich voraussichtlich erst in späteren Berichtsmonaten zeigen.“
In der EU ist die Lage insgesamt dramatisch.
Spaniens Notenbankchef Pablo Hernandez de Cos warnt vor sich verschlechternden Krediten in der Bilanzen der heimischen Geldhäuser infolge der Corona-Krise. Die Qualität des Kreditportfolios bei den Banken könne sich eintrüben, sagte de Cos am Dienstag auf einer Veranstaltung der IESE Business School. „Das Risiko eine Verschlechterung der Kreditqualität in der Zukunft besteht weiterhin“, sagte das Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB) am 6. Juli 2021. De Cos verwies auf Branchen, denen die Pandemie besonders zugesetzt hat, sowie auf das Auslaufen von Unterstützungsmaßnahmen, meldet Reuters. Die EZB-Bankenaufsicht hatte die Geldhäuser im Euro-Raum wiederholt dazu aufgerufen, genügend Vorsorge zu treffen für den Fall, dass bei Krediten Ausfälle drohten. EZB-Chefbankenaufseher Andrea Enria hatte gemahnt, Banken sollten nicht nachlässig mit Darlehen umgehen, die im Zuge der Krise in Wackeln geraten könnten.
„Bloomberg Law“ wörtlich: Eine Billionen-Dollar-Welle notleidender Kredite könnte im nächsten Jahr in Europa als Folge der durch die Pandemie verursachten Wirtschaftskrise entstehen. Da staatliche Stützungsprogramme und Schuldenmoratorien im Laufe dieses Jahres auslaufen, werden die Verkäufe notleidender Kredite durch Banken, die versuchen, ihre Bilanzen zu bereinigen, laut einem Bericht des Beratungsunternehmens JLL im Jahr 2022 zunehmen.“
Doch was bedeutet das alles in der Praxis für die Unternehmer? „Miguel Ríos hatte ein gutes Geschäft mit vier Karaoke-Bars in Barcelona, bis das Coronavirus ihn zwang, sie zu schließen. Er nahm Bankdarlehen im Wert von 80.000 Euro auf, was 96.000 US-Dollar entspricht, stellte seine 10 Mitarbeiter in ein staatliches Lohnunterstützungsprogramm und hoffte auf das Beste. Fast ein Jahr später sind die Türen seiner Bars immer noch geschlossen. Nun befürchtet Ríos, dass sein Geschäft scheitern wird, was ihn mit einem Haufen Schulden zurücklässt und seine Banken Verlusten aussetzt. ,Wir widersetzen uns dank Ersparnissen und Bankkrediten, aber wir können nicht mehr lange so durchhalten‘, sagt der 59-jährige Unternehmer. Seine Geschichte wiederholt sich in ganz Europa, weil kleine Unternehmen darum kämpfen, sich im Verlauf der Pandemie über Wasser zu halten. Ihr Überleben ist der Schlüssel für die Banken der Euro-Zone, die zusammen über zwei Billionen Euro ausgeliehen haben – 40 Prozent der gesamten Geschäftskreditbücher der Kreditgeber. Insgesamt haben die Kreditgeber die notleidenden Kredite aus der vorherigen Krise erheblich bereinigt, aber viele sind immer noch mit Souring-Portfolios beschäftigt. Sie kämpfen auch darum, in einem Umfeld mit negativen Zinssätzen Geld zu verdienen. Die Aufsichtsbehörden befürchten, dass eine neue - und möglicherweise größere - Welle von Ausfällen die Banken dazu bringen könnte, Verluste zu erleiden (…) Andrea Enria, Leiterin der Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank, hat gewarnt, dass notleidende Kredite in der Eurozone - mehr als nach der Finanzkrise - bis zu 1,4 Billionen Euro erreichen könnten, wenn die Wirtschaft stärker als erwartet schrumpft“, so das „Wall Street Journal“ in einem Artikel, der auf den 20. Januar 2021 datiert ist.