Technologie

Bis 2030: EU will Bürger mit digitalen Identitäten ausstatten

Die EU plant, 80 Prozent der EU-Bürger bis zum Jahr 2030 mit digitalen IDs auszustatten. Die digitalen Impfpässe spielen als Vorläufer für die Einführung mobiler digitaler IDs eine Schlüsselrolle.
14.09.2021 14:33
Aktualisiert: 14.09.2021 14:33
Lesezeit: 2 min
Bis 2030: EU will Bürger mit digitalen Identitäten ausstatten
Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, gibt eine Erklärung zum Klimaschutz und zur Digitalisierung ab. (Foto: dpa) Foto: Yves Herman

Kristel Teyras, die beim französischen Rüstungskonzern Thales für den Bereich „Digital Identity Services Portfolio“ zuständig ist, führt auf der Webseite des Rüstungskonzerns unter der Überschrift „Wie digitale ID Bürgern helfen kann, von überall auf Regierungsdienste zuzugreifen“ aus:

„In den letzten 18 Monaten hat sich die Digitalisierung öffentlicher und privater Dienste wie nie zuvor beschleunigt. Aufgrund von Beschränkungen des physischen Kontakts und Sperren auf der ganzen Welt mussten sich Bürger – oft aus Notwendigkeit – auf das digitale Äquivalent zu Diensten zurückgreifen, auf die sie zuvor persönlich (und physisch, Anm.d.Red.) zugegriffen hatten. Vom Internet-Banking bis zum Online-Ausfüllen von Steuererklärungen hat die Pandemie als Katalysator für eine umfassende Änderung des Verbraucherverhaltens gewirkt. Auch wenn wir wieder zur Normalität zurückkehren, wird die Digitalisierung der Dienstleistungen voraussichtlich an Fahrt gewinnen. Dies liegt zum Teil daran, dass Regierungen auf der ganzen Welt ihre Bürger bitten, digitale Gesundheitspässe mit sich zu führen, um nachzuweisen, dass sie doppelt geimpft sind oder einen negativen Test haben, bevor sie auf bestimmte Dienste zugreifen können. Als aktuelles Beispiel dafür hat die britische Regierung ab September den Nachweis einer ,vollständigen Impfung‘ für das Betreten von Nachtclubs vorgeschrieben, und Länder wie Italien oder Frankreich verfolgen einen ähnlichen Weg. Sogenannte digitale ,Impfpässe‘ werden eine Schlüsselrolle spielen, um den Bürgern den Zugang zu allen Arten von Diensten zu ermöglichen und als Vorläufer für die Einführung mobiler digitaler IDs dienen.“

In einigen Regionen sei der Einsatz digitaler IDs und die Modernisierung ehemals analoger Dienste bereits in vollem Gange. Florida zum Beispiel sei dabei, seinen Bürgern mobile Führerscheine zur Verfügung zu stellen, um bequemere und sicherere Identifizierungsmethoden zu entwickeln. Gleiches gelte für Queensland in Australien, wo die erste digitale Lizenz-App des Bundesstaates kürzlich getestet wurde. In beiden Fällen werde der Einsatz einer digitalen Geldbörse – hauptsächlich für digitale Führerscheine – als Gateway und Grundlage für andere wichtige staatliche Dienstleistungen wie Gesundheitspässe dienen.

Die Thales-Funktionärin Teyras wörtlich:

„Das digitale Portemonnaie ist praktisch, da es mehrere Dokumente an einem Ort aufbewahren kann – anstatt dass Bürger prall gefüllte Geldbörsen mit Karten herumtragen müssen (…) Richtig spannend wird es, wenn man merkt, dass das Wallet sowohl digitalisierte Identität als auch Bezahldaten hosten kann. Damit könnte man zum Beispiel eine Kaution für eine neue Wohnung hinterlegen oder eine ausstehende Geschwindigkeitsstrafe direkt vom Smartphone aus begleichen (…) Digital Wallets können digitale Signaturen verwalten, sodass Verträge bequem vom Benutzer unterzeichnet und akzeptiert werden können (z. B. für die Wohnung, die er gerade kauft).“

Der Rüstungskonzern teilt mit, dass das EU-Ziel darin bestehe, bis zum Jahr 2030 80 Prozent der EU-Bürger mit digitalen IDs auszustatten. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte am 16. September 2020 in ihrer Rede zur Lage der Union:

„Jedes Mal, wenn eine Website uns auffordert, eine neue digitale Identität zu erstellen oder uns bequem über eine große Plattform anzumelden, haben wir in Wirklichkeit keine Ahnung, was mit unseren Daten geschieht. Aus diesem Grund wird die Kommission demnächst eine sichere europäische digitale Identität vorschlagen. Eine, der wir vertrauen, und die Bürgerinnen und Bürger überall in Europa nutzen können, um alles zu tun, vom Steuern zahlen bis hin zum Fahrrad mieten. Eine Technologie, bei der wir selbst kontrollieren können, welche Daten wie verwendet werden.“

EU-Länder sollen künftig dazu verpflichtet sein, ihren Bürgerinnen und Bürgern einen digitalen Identitätsnachweis zur Verfügung zu stellen. Die EU-Kommission will dafür gemeinsam mit den EU-Staaten die technischen Voraussetzungen bis September 2022 schaffen. Bürgerinnen und Bürger sollen so etwa einfacher ihr Alter, den Besitz eines Führerscheins oder eines Abschlusses nachweisen können, teilte die Brüsseler Behörde laut der Nachrichtenagentur dpa mit. Man habe das Recht dazu, solch einen Nachweis zu bekommen, sei aber nicht dazu verpflichtet. Nach Angaben der Kommission können derzeit die Menschen in nur 14 Mitgliedstaaten ihren nationalen elektronischen Identitätsnachweis länderübergreifend nutzen. EU-Kommissionsvize Margrethe Vestager betonte zudem, dass durch die geplanten neuen Möglichkeiten nicht mehr Daten ausgetauscht würden, als es ohnehin schon analog gemacht würde.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bürokratieabbau: Normenkontrollrat kritisiert Bund-Länder-Pläne als zu schwach
24.11.2025

Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) hält die aktuellen Vorschläge von Bund und Ländern zum Bürokratieabbau für unzureichend. In...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Infrastruktur in der Finanzlücke: Pkw-Maut als mögliche Lösung?
24.11.2025

Eine aktuelle Studie der Denkfabriken Agora Verkehrswende und Dezernat Zukunft zeigt, dass Deutschland bis 2030 rund 390 Milliarden Euro...

DWN
Panorama
Panorama Kita unter Druck: Experten fordern besseren Gesundheitsschutz für Erzieher
24.11.2025

Das Kita-System in Deutschland steht vor großen Herausforderungen: Hohe Ausfallraten und Personalmangel belasten Erzieherinnen und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Technologie im Mittelstand: Cloud bleibt bei kleinen Unternehmen ein Nischenthema
24.11.2025

Während große Unternehmen längst auf Cloud-Dienste für Speicher, Rechenleistung und Softwareanwendungen setzen, ist die Nutzung bei...

DWN
Technologie
Technologie Digitalisierung: Was Deutschland von Estland lernen sollte
24.11.2025

Deutschland steckt im digitalen Stau: Ämter arbeiten auf Papier, Gründer warten wochenlang, Unternehmen verlieren Zeit und Geld. Estland...

DWN
Politik
Politik Deutschland investiert am meisten in Soziales – IW-Studie zeigt EU-Spitzenplatz
24.11.2025

Deutschland führt europaweit bei den Sozialausgaben: Laut einer aktuellen Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft fließen...

DWN
Panorama
Panorama Artenschutz-Gipfel eröffnet: 185 Staaten verhandeln über das Überleben bedrohter Arten
24.11.2025

In Usbekistan hat eine internationale Artenschutzkonferenz begonnen, bei der Vertreter aus 185 Staaten über strengere Regeln für den...

DWN
Politik
Politik US-Sanktionen: Warum Russlands Schattenflotte außer Kontrolle gerät
24.11.2025

Der Druck aus Washington entfaltet weltweit Wirkung, weil Russlands Ölexporte unter den US-Sanktionen einbrechen und zugleich der...