Grafik oben: Entwicklung der Erdgas-Futurepreise in Dollar in den vergangenen 12 Monaten. Quelle: Tradingeconomics
Die drastisch gestiegenen Gaspreise zwingen in Deutschland einen ersten Versorger in die Knie. Die im niedersächsischen Salzbergen ansässige Deutsche Energiepool teilte am Freitag auf ihrer Online-Seite mit, vielen Kunden die Lieferverträge gekündigt zu haben. "In den letzten Monaten haben sich die Beschaffungspreise für Erdgas und für Strom am Terminmarkt rund verdreifacht, die Preise für kurzfristige Beschaffung sind rund verfünffacht", erklärte das Unternehmen. Mit einer solchen Entwicklung habe kaum jemand gerechnet. Deutsche Energiepool habe sich daher zu den Kündigungen gezwungen gesehen. Zudem sei beschlossen worden, die bundesweite Belieferung von Erdgas vollständig einzustellen. Wie viele Kunden das betrifft blieb offen.
In der Kälte müssen die Kunden aber nicht sitzen. Der Energiekonzern E.ON springt ein. "Als zuständiger Grund- und Ersatzversorger in weiten Teilen Deutschlands steht E.ON allen betroffenen Kunden zur Seite, die nicht mehr beliefert werden können." Der Konzern stelle sicher, dass es zu keiner Unterbrechung der Energieversorgung komme. Bei E.ON stehe beim Energieeinkauf vor allem die Planungssicherheit im Vordergrund, betonte E.ON-Energie-Manager Christoph Müller. "Wir kaufen die benötigten Energiemengen langfristig und vorausschauend ein, um genau solche Preisspitzen, wie wir sie derzeit erleben, im Sinne unserer Kunden zu vermeiden."
Bundesregierung erkennt keinen Gas-Engpass
Die drastisch gestiegenen Gaspreise hatten in Großbritannien bereits mehrere Billiganbieter in die Insolvenz getrieben. "Die Versorgungssicherheit in Deutschland ist weiterhin hoch", betonte am Freitag eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums in Berlin. Versorgungsengpässe werde es nach derzeitigem Stand nicht geben. Die Gasspeicher in Deutschland mit einer Gesamtkapazität von 24,6 Milliarden Kubikmeter seien zu 64,69 Prozent gefüllt, dieser Prozentsatz steige wöchentlich. Im Vergleich etwa zu Großbritannien habe Deutschland 16 mal mehr Kapazitäten aufgebaut.
Deutsche Energiepool kündigte an, sich künftig auf Dienstleistungen im Energiesektor zu konzentrieren. "Derzeit sind wir auf telefonischem Weg aufgrund der Überlastung nur schlecht erreichbar", hieß es zudem. Auf eine Email der Nachrichtenagentur Reuters reagierte das Unternehmen zunächst nicht. Die Firma mahnte ihre Kunden zur Zahlungstreue. "Bis zum Tag des Wirksamwerdens der Kündigung wird der Vertrag unsererseits erfüllt – Bitte halten auch Sie sich daran."
Baerbock will Nord Stream 2 noch verhindern
Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock will im Falle einer Regierungsbeteiligung keine Gaslieferungen aus Russland durch die fertiggestellte Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 nach Deutschland erlauben. Über die letzten noch ausstehenden EU-Genehmigungen für das umstrittene Projekt sagt Baerbock dem Nachrichtenportal The Pioneer laut Vorabmeldung: "Ich würde sie nicht erteilen." Es sei fatal, wenn Gas hier durchgeleitet werde. Russland setze den Rohstoff als Druckmittel gegen Europa und besonders gegen Osteuropa ein. Den Zusicherungen Moskaus, auch nach Inbetriebnahme von Nord Stream 2 Gas durch die Ukraine zu leiten, sei nicht zu trauen.
Thunberg: Deutschland ist ein Klima-Schurke
Weltweit sind am Freitag wieder Tausende Jugendliche der Bewegung "Fridays for Future" auf die Straße gegangen, um für wirkungsvollen "Klimaschutz" zu demonstrieren. Bei dem auch in Deutschland ausgerufenen "globalen Klimastreik" konzentrierten sich die Proteste zwei Tage vor der Bundestagswahl in Berlin. "Ihr müsst wählen gehen, aber das ist nicht genug", rief die Gründerin der Bewegung, die Schwedin Greta Thunberg, Tausenden Menschen vor dem Reichstagsgebäude zu. "Wir wollen Änderung, wir fordern Änderung, wir sind Änderung." Thunberg warf Deutschland vor, weltweit der viertgrößte CO2-Emittent zu sein. "Mit 80 Millionen Menschen ist das schon eine Leistung", sagte Thunberg und nannte Deutschland einen der größten "Klima-Schurken".
Dafür erntete sie Lob aus der Bundesregierung. Regierungssprecher Steffen Seibert würdigte Fridays for Future insgesamt als "enorme Leistung der Bewusstmachung der jungen Generation". Es sei bemerkenswert, weil eine weltweite Bewegung geschaffen worden sei, die Millionen Menschen erreicht habe, sagte Seibert und würdigte dabei auch Greta Thunberg, die mit ihrem Schulstreik angeblich die Bewegung ins Leben gerufen habe.
Wer sich auch nur ansatzweise mit Machtpolitik auskennt weiß natürlich, dass ein kleines Mädchen niemals selbst eine weltweite Bewegung "ins Leben rufen kann", sondern dass dafür massive Kapazitäten in Politik und Medien notwendig sind.
Annalena Baerbock erhofft sich von dem "Klimastreik" derweil Rückenwind für die Bundestagswahl am Sonntag. "Dies sind entscheidende Tage für den Klimaschutz", sagte sie der Zeitung Welt. "Die Bürgerinnen und Bürger haben die Möglichkeit, die Klimapolitik endlich zu ändern: mit einem kraftvollen Klimastreik und vor allem bei der Bundestagswahl." Die nächste Regierung müsse eine "Klimaregierung" werden. "Das geht nur mit starken Grünen." Baerbock hatte bereits vor einigen Wochen angekündigt, dass sie im Falle eines Wahlsieges ein "Klima-Ministerium" gründen werde, welches alle anderen Ministerien beherrscht.