Wirtschaft

Wegen Chipmangels: Globale Autobranche erleidet Umsatzeinbußen von 210 Milliarden Dollar

Der Chipmangel belastet die globale Automobilindustrie. Ein Abklingen der Krise ist nicht in Sicht.
30.09.2021 17:55
Lesezeit: 3 min

Der anhaltende Chipmangel setzt der globalen Autoindustrie weiter zu. Wegen der fehlenden Halbleiter dürften der Branche dieses Jahr Einnahmen in Höhe von 210 Milliarden US-Dollar (179 Milliarden Euro) entgehen, prognostizierte die Beratungsfirma Alix Partners am Donnerstag in München. Im Mai war sie noch von 110 Milliarden Dollar ausgegangen.

Der Produktionsausfall in der Branche wird der Studie zufolge mit rund 7,7 Millionen Fahrzeugen fast doppelt so groß wie bisher gedacht. Im Mai hatte Alix Partners einen Ausfall von 3,9 Millionen Fahrzeugen prognostiziert. Die Experten des britischen Forschungsinstituts IHS Markit hatten ihre jüngste Schätzung für die weltweite Jahresproduktion von Autos vergangene Woche um 5 Millionen auf 75,8 Millionen Fahrzeuge gesenkt.

So hatte der japanische Autobauer Toyota Mitte September mitgeteilt, im bis Ende März 2022 laufenden Geschäftsjahr 300 000 weniger Autos produzieren zu können. Und Daimler-Vorstandschef Ola Källenius erwartet erst 2023 eine deutliche Entspannung der Lage in der Branche. Das deckt sich mit der Prognose von IHS Markit. Dessen Forscher erwarten für 2022 jetzt weltweit nur noch eine Jahresproduktion von 82,6 Millionen Fahrzeugen, neun Prozent weniger als bisher gedacht.

Während die Autobauer dies zum Teil mit höheren Fahrzeugpreisen kompensieren könnten, täten sich die Zulieferer damit schwerer, analysierte Marcus Kleinfeld von Alix Partners in Deutschland. Deshalb treffe der Chipmangel sie noch stärker als die Autobauer. Autozulieferer hängen insbesondere vom Produktionsvolumen der Hersteller ab.

So strich der Scheinwerfer- und Elektronikspezialist Hella am Donnerstag denn auch seine Geschäftsprognosen zusammen. Weil die Autohersteller infolge der Engpässe weniger Fahrzeuge bauen können, dürfte der Umsatz im laufenden Geschäftsjahr bis 31. Mai 2022 nur 6 bis 6,5 Milliarden Euro erreichen, teilte das im MDax gelistete Unternehmen in Lippstadt mit. Bisher war der Vorstand von 6,6 bis 6,9 Milliarden Euro ausgegangen. Währungseffekte sowie der Kauf- und Verkauf von Unternehmensteilen sind dabei ausgeklammert.

Zudem dürfte ein geringerer Teil des Umsatzes als bereinigter operativer Gewinn (bereinigtes Ebit) bei Hella hängen bleiben: Das Management rechnet jetzt mit einer bereinigten operativen Marge von 5 bis 7 Prozent. Bisher hatten die Westfalen etwa 8 Prozent angepeilt. Auch der französische Autozulieferer Faurecia und Continental-Rivale kappte an diesen Donnerstag seine Jahresziele. Faurecia ist derzeit dabei, Hella zu übernehmen. Der Umsatz werde mit 15,5 Milliarden Euro rund eine Milliarde Euro niedriger ausfallen als bislang gedacht, hieß es von den Franzosen in Nanterre. Auch den Gewinn im Tagesgeschäft erwartet der Konzern nun auf einem niedrigeren Niveau: Statt 7 Prozent dürften der neuen Prognose zufolge nur 6 bis 6,2 Prozent des Umsatzes als operativer Gewinn übrig bleiben.

Die Faurecia-Aktie gewann in Paris jedoch fast 6 Prozent. Viele Experten hatten bei Zulieferern angesichts der Chipprobleme bei den Herstellern bereits mit weiteren Einbußen gerechnet. Auch Conti-Papiere konnten in einem starken Marktumfeld deutlich zulegen. Die Aktien der Unternehmen hatten in den vergangenen Wochen zudem spürbar nachgegeben. Die Chipflaute belastet die Autobranche schon seit Monaten. Zunächst hatten sich die großen Chip-Auftragsfertiger in der Corona-Krise auf Halbleiter für Verbraucherelektronik verlegt, um die hohe Nachfrage zu decken. Hinzu kamen in diesem Jahr Produktionsausfälle bei Chipfirmen in Japan und Texas sowie die Corona-Lockdowns in Malaysia und anderen südostasiatischen Staaten. Weltweit sind Halbleiter derzeit knapp, und der von den Chipfertigern für hohe Milliardensummen angestoßene Aufbau neuer Kapazitäten gestaltet sich langwierig.

Die Knappheit weiterer Ressourcen wie Harz und Stahl belaste die Autoindustrie zusätzlich, analysierte Mark Wakefield, globaler Co-Chef des Segments Automobil- und Industriepraxis bei Alix Partners. Auch der Arbeitskräftemangel sei ein Problem. Sein Kollege Dan Hearsch fügte hinzu: „In der Branche gibt es derzeit wirklich keine Puffer mehr, wenn es um die Produktion oder die Beschaffung von Material geht.“ Praktisch jede Verknappung oder Produktionsunterbrechung in irgendeinem Teil der Welt wirke sich auf Unternehmen in der ganzen Welt aus, und die Auswirkungen würden jetzt durch alle anderen Engpässe noch verstärkt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gasversorgung in Deutschland: Das Für und Wider der Gasspeicherung
14.12.2025

Vor ein paar Jahren liefen wir Gefahr, im Winter zu frieren, denn bei schlechten Witterungsbedingungen einem und hohem Verbrauch bestand...

DWN
Politik
Politik Die entstellte Seele Europas. Wie ein ganzer Kontinent seine Richtung verliert
14.12.2025

Ganze 210 Milliarden Euro stehen auf dem Spiel. Die EU sucht einen Weg, russische Vermögenswerte zu nutzen, Belgien fürchtet Vergeltung...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Eurowind-Rückzug erschüttert US-Markt: Warum Europa nun wichtiger ist
14.12.2025

Der überraschende Rückzug des dänischen Energieparkentwicklers Eurowind aus den Vereinigten Staaten trifft eine Energiebranche, die...

DWN
Panorama
Panorama Feiertage 2026: Alle Termine, Brückentage und Regeln – wie Sie am besten profitieren
13.12.2025

Die Feiertage 2026 liegen günstig und ermöglichen viele lange Wochenenden. Wer früh plant, kann deshalb Brückentage optimal nutzen....

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienrendite: Es lohnt sich wieder zu vermieten
13.12.2025

Eine Mietimmobilie als Kapitalanlage kann wieder eine interessante Investition sein. Doch nicht überall macht das Sinn. Wo sich das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Prominenter China-Experte zeichnet düsteres Bild für Europa: „Es wird ziemlich schlimm“
13.12.2025

Europa wähnt sich sicher, doch die nächste ökonomische Erschütterung rollt bereits heran. Der prominente China-Analyst Dan Wang...

DWN
Finanzen
Finanzen Falsche Gehaltsgruppe: Was kann ich tun, wenn meine Gehaltseinstufung nicht zum Tarifvertrag passt?
13.12.2025

Viele Beschäftigte merken erst spät, dass ihre Gehaltsgruppe im Tarifvertrag nicht zur Arbeit passt. Das kann monatlich bares Geld...

DWN
Technologie
Technologie Lidl krempelt den Einkauf um: Warum die Scan-and-Go-Technologie den Handel umdreht
13.12.2025

Litauens Handelsketten treiben den digitalen Umbruch voran. Das Selbstscansystem Scan & Go kommt nun in die Lidl Filialen. Bisher wurde...