Wirtschaft

EU-Höchstgericht erklärt Handelsgeschäfte mit Marokko teilweise für nichtig

Das Gericht der Europäischen Union hat einige Bereiche der wirtschaftlichen Zusammenarbeit beider Seiten für nichtig erklärt. Das Urteil dürfte die ohnehin angespannten Beziehungen weiter belasten.
30.09.2021 11:20
Aktualisiert: 30.09.2021 11:20
Lesezeit: 2 min
EU-Höchstgericht erklärt Handelsgeschäfte mit Marokko teilweise für nichtig
Miguel Urbán, Europaabgeordneter von United We Can, hält eine politische Rede bei einer Demonstration für die Freiheit der Sahrauis in Madrid. (Foto: dpa) Foto: Alejandro Martínez Vélez

Die EU muss nach einem Urteil des Gerichts der Europäischen Union Abkommen mit Marokko nachbessern, weil die „Zustimmung des Volkes der Westsahara“ fehle. Wie das Gericht am Mittwoch mitteilte, sind Entscheidungen in den Bereichen Landwirtschaft und Fischerei des EU-Ministerrats mit Marokko nichtig. Die Westsahara war bis 1975 eine spanische Kolonie und wurde nach Abzug der Spanier zum Großteil von Marokko annektiert, was von den meisten Staaten aber nicht anerkannt wird.

Die Unabhängigkeitsbewegung Polisario, die einen Teil des Gebietes beherrscht, hatte 2019 gegen die Beschlüsse eine Klage eingereicht. Die von Algerien unterstützte Gruppe strebt seit langer Zeit einen Abzug Marokkos aus der Westsahara an.

Bei den Beschlüssen der EU und Marokkos ging es um die Änderung eines Abkommens über die Einfuhr landwirtschaftlicher Produkte aus Marokko in die Europäische Union und um die Änderung eines Fischereiabkommens. Dabei war laut Mitteilung des Gerichts geplant gewesen, die an die Westsahara angrenzenden Gewässer in den Geltungsbereich des Abkommens aufzunehmen.

Das Gericht teilte mit, dass die Polisario im Sinne des Völkerrechts klagen dürfe, da die „Rolle und die Repräsentativität der Klägerin geeignet sind, ihr die Klagebefugnis vor den Gerichten der Union zu verleihen“. Die Organisation Western Sahara Resource Watch wertete das Urteil als „bedeutenden Sieg für das Volk der Westsahara“.

Einzelne Teile der Beschlüsse dürften aber demnach für einen bestimmten Zeitraum aufrechterhalten werden, um die Rechtssicherheit in Bezug auf internationale Verpflichtungen zu wahren.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) begrüßte das Urteil des EU-Gerichts. „Die Westsahara ist nicht einfach ein Teil Marokkos, über den die Regierung in Rabat frei verfügen kann“, sagt die GfbV-Referentin Nadja Grossenbacher. „Durch die Importe von Produkten aus der Westsahara unter marokkanischer Flagge macht sich die EU mitschuldig an der fortdauernden Verletzung des Völkerrechts.“ Der einzig gangbare Weg wäre nun, das seit Jahrzehnten angestrebte Referendum der Sahraouis über ihr Territorium zu realisieren.

Kritik äußerten Repräsentanten Marokkos. Ein Diplomat des Landes bezeichnete das Urteil gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters als „inkohärent“, „ideologisch motiviert“ und „schädlich für die strategische Partnerschaft“.

Beziehungen ohnehin angespannt

Das Urteil könnte die ohnehin angeschlagenen Beziehungen der EU zu Marokko weiter belasten. Marokko hatte jüngst seine Grenze zur spanischen Nordafrika-Exklave Ceuta faktisch für Migranten aus Afrika geöffnet und damit eine Massenflucht auf spanisches Territorium ausgelöst.

Mit Deutschland hat Marokko die diplomatischen Beziehungen inzwischen sogar komplett auf Eis gelegt. Hintergrund ist auch hier der Streit um die Westsahara sowie die Unzufriedenheit in Rabat über die Rolle der EU im Stellvertreterkrieg in Libyen. Marokko gilt als Standort mehrerer wichtiger Zukunftsprojekte für die deutsche „Energiewende.“

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