Technologie

Digitaler Führerschein krachend gescheitert - Rücknahme wenige Tage nach Einführung wegen Sicherheitslücken

Der digitale Führerschein - nach dem Willen des Kanzleramtes offenbar ein Testprojekt für eine komplette Digitalisierung amtlicher Dokumente - muss wegen Sicherheitslücken zurückgezogen werden. Der verantwortliche Minister ist „stocksauer“.
30.09.2021 16:00
Aktualisiert: 30.09.2021 16:12
Lesezeit: 2 min
Digitaler Führerschein krachend gescheitert - Rücknahme wenige Tage nach Einführung wegen Sicherheitslücken
Ein Mann hält ein iPhone mit der App "ID Wallet", in der die digitale Variante eines Führerscheins zu sehen ist. (Foto: dpa) Foto: Christoph Dernbach

Eine Woche nach dem Startschuss für den digitalen Führerschein in Deutschland ist die dazugehörige Smartphone-App "ID Wallet" wieder zurückgezogen worden. Die Anwendung war am Donnerstag weder im Apple App Store noch im Google Play Store mehr verfügbar. Zuvor hatten Expertinnen und Experten auf mögliche Sicherheitslücken in der App hingewiesen. Ein Regierungssprecher sagte, dass dem Bundeskanzleramt noch keine belastbaren Erkenntnisse über mögliche Sicherheitslücken der App vorliegen.

Der von der Bundesregierung beauftragte Dienstleister Digital Enabling GmbH erklärte, der Start der App habe viel Aufmerksamkeit von Nutzerinnen und Nutzern erhalten, die sich intensiv mit Sicherheits- und Vertrauensfragen befassen. Das Unternehmen räumte nicht direkt ein, dass Sicherheitslücken tatsächlich vorhanden seien, sondern verwies auf Probleme durch die Überlastung der Server. "Um das System auf höhere Nutzlasten auszulegen und den Sicherheitshinweisen nachzugehen, werden wir in den nächsten Wochen umfangreiche weitere Tests durchführen. In dieser Zeit werden wir die App aus den Stores nehmen."

Der digitale Führerschein, der in der "ID Wallet" aufbewahrt wird, soll nach den Plänen der noch amtierenden Bundesregierung beispielsweise die Anmietung von Mietwagen oder die Nutzung von Carsharing-Angeboten erleichtern. Langfristig sollte das digitale Abbild des Führerscheins auf dem Smartphone das analoge Papier vollständig ersetzen können, etwa bei einer Ausweiskontrolle. Das Projekt war vor einer Woche von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) vorgestellt worden.

Scheuer zeigte sich "stocksauer", dass die ID-Wallet-App vorerst gestoppt werden musste, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Ministeriumskreisen erfuhr. Es gehe ihm "auf den Zeiger", dass sein Ministerium funktionierende Projekte abliefere und es an zersplitterten Zuständigkeiten "wieder einmal hake". Das Kanzleramt habe darauf bestanden, dass der digitale Führerschein in der App "ID Wallet" zur Verfügung stehe.

Ein Sprecher des Ministeriums verwies darauf, dass die Schnittstellen zum Kraftfahrtbundesamt für das Ausstellen des digitalen Führerscheins fehlerfrei liefen und durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik überprüft worden seien. "Diese Anwendung funktioniert, kann aber wegen aktueller Probleme der "ID Wallet" derzeit nicht abgerufen werden. An der Behebung wird durch das beauftragte Unternehmen mit Hochdruck gearbeitet."

In der schwarz-roten Bundesregierung hatte sich vor allem die Staatsministerin für Digitalisierung, Dorothee Bär (CSU), für eine Digitalisierung von amtlichen Dokumenten und darauf aufsetzenden Anwendungen wie die "ID Wallet" stark gemacht. Die Anwendung liegt auch formell in der Zuständigkeit des Bundeskanzleramtes.

Nach der Vorstellung des Projektes "Digitaler Führerschein" traten zunächst technische Schwierigkeiten auf, weil die Server überlastet waren. Außerdem kritisierten Sicherheitsexperten aus dem Umfeld des Chaos Computer Clubs (CCC) die Anwendung. Zu den Kritikern gehört auch Lilith Wittmann, die zuvor bereits gravierende Sicherheitslücken in der Wahlkampf-App der CDU entdeckt hatte. Man habe "Grund zur Annahme", dass die Infrastruktur hinter der App und die zugrundeliegende Blockchain-Technik angreifbar sein könnten, twitterte der CCC-Hacker Fabian Lüpke, der unter dem Pseudonym Flüpke im Internet auftritt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Wertekrieg: Warum es ökonomisch vernünftig ist, das Wort „Vielfalt“ zu streichen
29.04.2025

Von der internationalen Wirtschaftselite kaum beachtet, vollzieht sich derzeit in den USA eine tektonische Verschiebung – nicht in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Microsoft vollzieht leisen Rückzug aus China – Angst vor Trump-Sanktionen wächst
29.04.2025

Während sich die Spannungen zwischen den USA und China weiter zuspitzen, zieht sich ein globaler Technologieriese offenbar still und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Donald Trumps Zollhammer trifft Amazon – Prime-Day-Händler ziehen sich zurück
29.04.2025

Händler, die auf chinesische Produkte angewiesen sind, reagieren auf Trumps Zollpolitik mit einem Rückzug vom Prime Day 2025.

DWN
Politik
Politik Digitale Gesundheitsakte: Fortschritt mit Risiken
29.04.2025

Mit dem Start der elektronischen Patientenakte (ePA) wird der digitale Wandel im Gesundheitswesen in Deutschland konkret spürbar. Seit dem...

DWN
Politik
Politik Rubio drängt Lawrow: „Beenden Sie diesen sinnlosen Krieg“ – USA forcieren neue Friedensdynamik
29.04.2025

Die USA erhöhen den Druck auf Moskau: Rubio verlangt ein schnelles Ende des Ukraine-Krieges.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsches Wachstumspaket sorgt für Jubel – im Ausland
29.04.2025

Inmitten der weltwirtschaftlichen Unsicherheiten, angefacht durch Donald Trumps aggressiven Zollkurs gegenüber China, sorgt ausgerechnet...

DWN
Panorama
Panorama Fast alle haben in Spanien und Portugal wieder Strom
29.04.2025

Ein massiver Stromausfall stürzt die Iberische Halbinsel ins Chaos. Erst nach vielen Stunden können die meisten aufatmen. Eine wichtige...

DWN
Politik
Politik Kanada-Wahl: Liberale siegen knapp – Trump mischt sich ein
29.04.2025

Auf dem Wahlzettel stand Trump in Kanada nicht – trotzdem wirbelte der US-Präsident die Parlamentswahl im Nachbarland durcheinander. Den...