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Kommentar

Klima oder Great Reset: Wie die Angst vor der Krise Deutschland spaltet

Lesezeit: 7 min
23.10.2021 11:50  Aktualisiert: 23.10.2021 11:50
Wenn es wahr ist, dass die Zukunft einer Gesellschaft entscheidend durch die in ihr vorherrschenden Ängste bestimmt wird, steuert Deutschland mit Wucht auf eine Spaltung zu.
Klima oder Great Reset: Wie die Angst vor der Krise Deutschland spaltet
Die befeuerte Angst vor dem Klimawandel beschäftigt derzeit alle Bereiche des öffentlichen Lebens. (Foto: dpa)

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Die Angst vor einer – wie auch immer gearteten – Krise findet sich praktisch in allen Teilen der Bevölkerung. Dominant ist derzeit die Angst vor einer Klimakrise: dass die großen Unwetter sich häufen, die Ernten sich immer weiter verschlechtern, weite Teile der Erde unbewohnbar werden – in Deutschland beispielsweise die Küstenregionen –, und dass die Temperaturen selbst in unseren kalten Breitengeraden so weit steigen könnten, dass ein normales menschliches Leben kaum noch möglich ist. Andere fürchten weniger eine Klimakrise, dafür aber eine neue Finanzkrise, einen Flüchtlingsansturm, eine Pandemie, einen Krieg oder die Machtergreifung einer diktatorischen Regierung.

Bei manchen mag die übertriebene Angst vor der von ihnen befürchteten Krise vor allem eine Inszenierung darstellen, ein sich-wichtig-Machen. Sich in die Opferrolle zu begeben, hat heutzutage Konjunktur – aus der Position der Schwäche seine Argumente vorzubringen, ist ein probates Mittel, seiner Meinung erst Gehör zu verschaffen und sie anschließend durchzusetzen. Allerdings sind für viele ihre Ängste real, was sich nicht zuletzt sehr deutlich in der Zunahme von psychischen und psychosomatischen Erkrankungen niederschlägt.

Die Angst vor der Klimakrise

Die Furcht vor einer desaströsen Klimakrise ist – wie schon gesagt – die mit Abstand verbreitetste aller Krisenängste, vor allem unter jungen Leuten. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Kantar gaben kürzlich zwei Drittel der befragten 16- bis 25-Jährigen an, dass sie Angst vor der Zukunft haben. Dabei fanden 72 Prozent von ihnen, dass die Regierungen der Welt „nicht genug tun, um eine Klimakatastrophe zu verhindern“. Und die Angst vor den negativen Folgen des Klimawandels hat offenbar auch konkrete Folgen für die persönlichen Entscheidungen der jungen Leute. So gab die Hälfte der befragten jungen Frauen an, dass sie zögern, Kinder zu bekommen. Auch bei den jungen Männern waren 42 Prozent skeptisch, ob sie Väter werden wollten.

Diese radikale Reaktion – nämlich der Verzicht darauf, Kinder zu bekommen – führt dazu, dass sich, völlig unabhängig davon, ob die Klimakrise eintritt oder nicht, mit Sicherheit eine andere Krise einstellen wird: Schon die aktuelle Geburtenrate von 1,5 Kindern pro Frau in Deutschland wird unaufhaltsam eine historisch in dieser Form nie dagewesene demographische Krise herbeiführen – wenn die Geburtenrate noch weiter sinkt, werden die Folgen noch weitaus drastischer ausfallen, als sie es ohnehin schon tun.

Die Angst vor dem Great Reset

Während die Klimakrise in aller Munde ist und immer wieder heftige Diskussionen auslöst – schließlich gibt es nicht wenige, die in diesem Zusammenhang von unbegründetem Alarmismus sprechen –, spielt eine bestimmte potentielle Krise, oder besser vielleicht Gefahr, in der öffentlichen Diskussion bisher kaum eine Rolle. Wovon die Rede ist? Von der Initiative „Great Reset“. Nach Aussage des Weltwirtschaftsforums (WEF) ist es ihr Ziel, nach Überwindung der Pandemie eine neue, bessere und nachhaltigere gesellschaftliche und politische Ordnung zu schaffen, Von denjenigen, die sie fürchten, wird sie allerdings als absolute Katastrophe angesehen. Ihre Gegner glauben, dass sie das Ende der Demokratie bedeutet, eine Herrschaft der Eliten und der Konzerne, eine Verschmelzung von Sozialismus und Kapitalismus, in der die Diktatur des Guten herrscht – wobei die Eliten bestimmen, was dieses Gute ist. Hinzu kommt die Furcht, dass die derzeitigen Eliten mithilfe fortgesetzter Propaganda und politischer Einflussnahme noch weitere und vielleicht sogar noch schlimmere Verbrechen auf den Weg bringen werden, gegen die kein Widerstand möglich sein wird, etwa eine erzwungene Verschmelzung des Menschen mit fortgeschrittener Technologie, was als Transhumanismus bekannt ist. Die entscheidende Gefahr dabei ist, dass die Eliten, die diesen Fortschritt unter der Bezeichnung „Vierte industrielle Revolution“ vorantreiben, die totale Kontrolle erlangen werden. Der einzelne Mensch würde dadurch in einem nie dagewesenen Maße der technologischen Manipulation seiner Gedanken und Gefühle ausgesetzt werden und in vollkommene Abhängigkeit von fremden Mächten geraten.

Derzeit fühlen sich jene, die einen Great Reset fürchten, durch die Ereignisse der letzten rund anderthalb Jahre mehr als bestätigt. Denn viele ihrer Befürchtungen sind ihrer Meinung nach schon Realität geworden – so seien die (Zwangs)Maßnahmen im Zusammenhang mit Corona bereits eine Vorstufe des Great Reset. Weiterhin weisen sie darauf hin, dass der digitale Impfpass schon Realität sei, dass Zwangsimpfungen faktisch schon eingeführt seien. Auch die Warnungen im Zusammenhang mit den Corona-Impfungen werden als Argument angeführt - die Befürchtungen im Hinblick auf den geringen Nutzen und das erhebliche Risiko der Impfungen seien wahr geworden.

Häufig angeführt wird Christian Perronne, der von 1994 bis 2020 Frankreichs Impfprogramm leitete, und der kürzlich in einem Interview sagte: „Es ist genau umgekehrt! Die neuen Covid-Varianten sind ein Risiko für die Geimpften. Bei der Übertragung hat sich inzwischen in mehreren Ländern gezeigt, dass geimpfte Menschen unter Quarantäne gestellt und von der Gesellschaft isoliert werden sollten. Ungeimpfte Menschen sind nicht gefährlich, geimpfte Menschen sind für andere gefährlich. Das wurde jetzt in Israel bewiesen, wo ich mit vielen Ärzten in Kontakt stehe. In Israel gibt es jetzt große Probleme: Schwere Fälle in Krankenhäusern treten bei geimpften Menschen auf.“

Auch im Hinblick auf die Berichterstattung sehen sich die Corona-Leugner mehr als bestätigt. So sagt der französische Impfexperte weiter: „Zudem sind die Varianten nicht sehr gefährlich. Alle Varianten seit dem letzten Jahr sind immer weniger virulent. Das ist bei Infektionskrankheiten immer der Fall. In meinem Krankenhaus war im März/April 2020 das ganze Gebäude voll von Menschen mit Covid-19: fünfzig Patienten. Und die so genannte zweite, dritte und vierte Welle waren nur sehr kleine Wellen – das zeigt sich daran, dass die Krankenhäuser nicht mehr voll sind. Aber in den Medien hieß es, alle Krankenhäuser seien voll mit Patienten. Das ist nicht wahr. Natürlich ging die Epidemie weiter, aber die Varianten waren immer weniger virulent.“

Was nach Ansicht des Mediziners sogar noch schlimmer ist: „Es gibt Regierungen, die ihre Bürger dazu verpflichteten, sich mit diesen so genannten Impfstoffen impfen zu lassen - und in den Ländern, in denen sie das taten, kam die Epidemie, nachdem sie bereits beendet war, wieder zurück, und die Todesfälle begannen erneut. In Vietnam zum Beispiel war die ursprüngliche Bekämpfung der Epidemie ein erstaunlicher Erfolg, sie hatten nur ein paar Dutzend Todesfälle über mehr als ein Jahr, die Epidemie war vorbei, und dann sagte ein Minister: ´Wir müssen die gesamte Bevölkerung impfen.´ Die Impfung ist jetzt fast obligatorisch, und nach Beginn dieser Impfkampagne kam die Epidemie zurück, und es traten wieder tödliche Fälle auf.“

Wer die Welt so wahrnimmt, der kommt wohl nicht umhin zu glauben, dass er eine der schlimmsten Krisen der Weltgeschichte durchlebt, denn die obige Sicht bedeutet, dass praktisch alle Regierungen, Behörden, Universitäten und Konzerne von den schlimmsten Verbrechern geführt werden. Denn nach Ansicht der Corona-Leugner ist es zum Beispiel recht leicht erkennbar, dass Covid kaum gefährlicher als eine Grippe sei. Wenn Politiker, Wissenschaftler, Journalisten und Konzernchefs im Zusammenhang mit Corona noch immer von einer höchst gefährlichen Krankheit sprechen, dann könne dies nur schwer durch Unwissen oder Dummheit erklärt werden.

Getrennte Welten

Auch viele von jenen, die eine Klimakatastrophe erwarten, fürchten die größte Krise der Menschheitsgeschichte. Die Umweltbewegung sagt seit Jahrzehnten, dass, wenn nicht sofort drastische Maßnahmen zur Bekämpfung der globalen Erwärmung ergriffen werden, Krankheiten, Verwüstung und Hungersnöte das Ende allen Lebens auf der Erde herbeiführen werden, da die Erde dann „wie die Venus enden könnte, mit 250 Grad Celsius und Regen aus Schwefelsäure“, wie etwa der Star-Kosmologe Stephen Hawking im Jahr 2006 warnte. Wer dies tatsächlich erwartet, der sieht sich natürlich - genau wie die Corona-Leugner – auf dem Weg zur schlimmsten Krise der Menschheitsgeschichte.

Interessanterweise haben die beiden hier ausführlich diskutierten Zukunftsängste – die Klimakrise und der Great Reset - geradezu entgegengesetzte Ursprünge. Die Furcht vor einer Klimakatastrophe ist die offizielle Meinun. Schon im Kindergarten und in der Schule werden die jungen Menschen immer wieder mit den möglichen Folgen des Klimawandelts konfrontiert. Der staatliche Rundfunk und die großen Medienkonzerne berichten regelmäßig über die Gefahren des Klimawandels, die Universitäten und wissenschaftlichen Institute stellen Studien darüber bereit, und auch die großen Konzerne sowie praktisch alle Prominenten aus der Unterhaltungsbranche präsentieren sich als Kämpfer gegen die drohende Katastrophe.

Die Furcht vor dem Great Reset hingegen wird in der offiziellen Meinung - also in den Bildungsinstitutionen, in den wissenschaftlichen Institutionen, in den Leitmedien, in den Konzernen und seitens der Prominenten - nicht nur als unbegründet abgetan, sondern geradezu für bösartig erklärt. Es handle sich bei den erwarteten Entwicklungen um „Verschwörungstheorien“, die längst widerlegt seien, heißt es. Wer von dieser Meinung abweicht, der wird in den Leitmedien in der Regel lächerlich gemacht oder bestenfalls totgeschwiegen.

Dies ist auch der Grund, warum es kaum Menschen gibt, die beide Krisen fürchten, also sowohl eine Klimakatastrophe als auch einen - mithilfe von Corona betriebenen - Great Reset. Denn wer an eine drohende Klimakatastrophe glaubt, der hat ein gewisses Maß an Vertrauen gegenüber den wissenschaftlichen, medialen und politischen Institutionen und hält den Great Reset entsprechend für eine Verschwörungstheorie. Wer hingegen den Great Reset fürchtet, der hat offensichtlich den Glauben an die offizielle Meinung verloren und wird also auch nicht an eine drohende Klimakatastrophe glauben, da diese in seinen Augen von genau jenen Institutionen als entscheidende Gefahr dargestellt wird, die den Great Reset vorantreiben.



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