Deutschland

Polizei beginnt Räumung des linken Projekts «Köpi» in Berlin

«Köpi» ist eines der letzten Symbolprojekte der linken Szene in Berlin. Der Eigentümer des Grundstücks lässt räumen.
15.10.2021 11:39
Lesezeit: 2 min

Hunderte Polizisten haben am Freitagvormittag mit der Räumung des linken Wagencamps «Köpi» im Berliner Bezirk Mitte begonnen. Beamte rückten mit schwerem Gerät auf das Gelände an der Köpenicker Straße vor. Ein Räumpanzer riss ein Stück Zaun nieder, hinter dem sich die Bewohner verschanzt hatten. Diese hatten Widerstand angekündigt. Laut Polizei wurden Beamte mit Gegenständen beworfen und mit Feuerlöschern besprüht. Das Camp gilt als eines der letzten Symbolprojekte der linken Szene in Berlin. Die Räumung hatte der Grundstückseigentümer vor Gericht erstritten.

Auf hohen Bäumen auf dem sogenannten Köpi-Platz waren vor der Räumung Personen zu sehen. Eine Sprecherin des Projekts rief per Megafon, ein Vormarsch auf das Gelände würde Menschenleben gefährden. Man lasse sich «das nicht gefallen», sagte sie und beschimpfte die Polizei. Vom Gelände stieg Rauch auf. Es flogen Gegenstände nach draußen. Die Umgebung war von der Polizei abgeriegelt.

Vor Absperrungen versammelten sich Gegendemonstranten zu drei angemeldeten Kundgebungen. Reporter vor Ort beobachteten, wie Beamte und Unterstützer des Projekts aneinander gerieten. Die Polizei hatte in Seitenstraßen Hunderte Beamte und Räumgerät zusammengezogen. 2000 Beamte waren für den Einsatz eingeplant, 700 von ihnen von außerhalb.

Auf dem rund 2600 Quadratmeter großen Grundstück neben einem 1990 besetzten Haus am ehemaligen Mauerstreifen wohnen etwa 30 Menschen in Bauwagen. Der Grundstückseigentümer hatte mit Hinweis auf eine Baugenehmigung im Juni erfolgreich auf Räumung geklagt. Einen Eilantrag der Bewohner zum Stopp der Zwangsvollstreckung wies das Berliner Kammergericht am Mittwoch ab.

Bis zuletzt gab es Bemühungen, die Räumung abzuwenden. Die Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus teilte mit, der Eigentümer habe das Grundstück über Makler zum Verkauf angeboten und sich in Verhandlungen bereit gezeigt, es an die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft zu verkaufen. Kaufpreis, Kaufvertrag und Notartermin hätten bereits festgestanden. «Dann ließ der Eigentümer die Verhandlungen platzen», hieß es in einer Mitteilung der Linken vom Donnerstag.

Nach Angaben der Polizei wurden bereits in der Nacht zum Freitag in der Umgebung Autos und Gebäude beschädigt. Mehrere Fahrzeuge wurden in Brand gesetzt. Am Donnerstagabend hatten zunächst einige Hundert Menschen weitgehend friedlich im nahen Kreuzberg demonstriert.

Schon am vergangenen Wochenende hatten Hunderte Unterstützer des «Köpi» in Mitte und Friedrichshain gegen die Räumung protestiert. In den vergangenen Nächten wurden in der Umgebung mehrfach Mülltonnen und Reifen in Brand gesteckt. Am Mittwochmorgen beschädigten Unbekannte am Bürgeramt in Berlin-Mitte die Verglasung der Eingangstüren und sprühten «Köpi bleibt» ans Gebäude.

Zu «Köpi» gehört ein großes Hinterhaus, das aber nicht geräumt werden soll. Das Gebäude am Mauerstreifen von Ost-Berlin wurde 1990, im Jahr nach dem Mauerfall, besetzt. Neben Wohnungen in den oberen Stockwerken gibt es im Keller und den unteren Geschossen einen Konzertraum, eine Kletterwand, eine kleine Sporthalle und ein Kino.

Die linke Szene Berlins hat sich gegen Räumungen immer wieder heftig gewehrt. Am besetzten Haus «Liebig 34» in Friedrichshain im Oktober 2020 fiel die Gegenwehr kleiner aus als bei ähnlichen Anlässen zuvor. Bei einer Brandschutzprüfung im teilbesetzten Haus «Rigaer 94» im Juni gab es jedoch einen heftigen Angriff auf die Polizei.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Putins Imperium zerbröckelt: Aserbaidschan demütigt den Kreml – mit Hilfe der Türkei
10.07.2025

Aserbaidschan widersetzt sich offen Moskau, schließt russische Propagandakanäle und greift zur Verhaftung von Russen – ein Tabubruch in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Gasfeld vor Zypern könnte Europas Energiestrategie neu ausrichten
10.07.2025

Ein neues Erdgasfeld vor Zypern könnte zum Wendepunkt in Europas Energiepolitik werden.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Baywa Milliardenverlust: Jahreszahlen zeigen das ganze Ausmaß der Krise beim Mischkonzern
10.07.2025

Jetzt ist der Milliardenverlust bei der Baywa amtlich: Das Minus von 1,6 Milliarden Euro ist vor allem auf Abschreibungen bei der...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Rechnung für die Private-Equity-Branche: 79 Milliarden
10.07.2025

Donald Trumps Zollkurs und globale Kriege setzen der Private-Equity-Branche massiv zu. Was hinter dem dramatischen Kapitalschwund steckt...

DWN
Politik
Politik „Kleiner Lichtblick für die Ukraine“ nach Trumps Kehrtwende
10.07.2025

Der Kurswechsel der USA beim Waffenlieferprogramm für die Ukraine dürfte die Gespräche europäischer Staats- und Regierungschefs in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ostdeutsche Betriebsräte fordern Ende von Habecks Energiewende: Industriestandort gefährdet
10.07.2025

Nach dem Verlust von über 100.000 Industriearbeitsplätzen richten ostdeutsche Betriebsräte einen dramatischen Appell an Kanzler Merz....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Schuldenkrise: Droht der Dollar-Kollaps? Was Anleger jetzt wissen müssen
10.07.2025

Die USA spielen mit dem Feuer: Zölle, Dollar-Schwächung und wachsende Schulden bedrohen das globale Finanzsystem. Doch es gibt Strategien...

DWN
Finanzen
Finanzen Hochsteuerland: Staat zockt Menschen ab - Von einem Euro bleiben Arbeitnehmern nur 47 Cent
10.07.2025

Bis zum 13. Juli arbeiten die Menschen in Deutschland in diesem Jahr nach Angaben des Bundes der Steuerzahler für die Staatskasse. Der...