Angesichts der extremen Geldentwertung hat die venezolanische Regierung Anfang August bei der Landeswährung Bolívar sechs Nullen gestrichen. Der neue Bolíviar Digital gilt seit dem 1. Oktober. Die Änderung verändere nicht den Wert der Währung, mache aber die Handhabung einfacher. Natürlich wird die Streichung von sechs Nullen die Inflation im Land nicht bremsen, da die neuen Geldscheine genauso billig gedruckt werden können wie die alten.
Venezuela steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise. Die Ölförderung im Land mit den größten Reserven der Welt ist auf den niedrigsten Stand seit mindestens 80 Jahren gesunken. Angesichts der humanitären Krise haben rund 5,6 Millionen Venezolaner ihre Heimat verlassen. Der Bolivar hat allein im laufenden Jahr 2021 bereits 73 Prozent seines Wertes verloren, und der IWF schätzt, dass die jährliche Inflationsrate bis Ende des laufenden Jahres extreme 5.500 Prozent erreichen wird.
Der 1-Million-Bolivar-Schein mit dem höchsten Nennwert wurde durch einen Ein-Bolivar-Schein ersetzt. Gleichzeitig wurde ein neuer 100-Bolivar-Schein im Wert von etwa 20 Euro als neue höchste Stückelung des Bolivars eingeführt. Mit der Währungsumstellung wollte die Regierung die Ausgabe eines 100-Millionen-Bolivar-Scheins vermeiden. Denn von den alten Scheinen brauchten die Bürger schon ganze Bündel, nur um alltägliche Dinge zu kaufen. So war etwa der Preis für ein Brot auf rund 7 Millionen alte Bolivars angestiegen.
Viele Venezolaner haben den Bolivar längst aufgegeben, und zwar nicht nur als Tauschmittel, sondern auch als Rechnungseinheit oder gar als Geldanlage. In der Hauptstadt Caracas und in anderen Großstädten ist der US-Dollar das bevorzugte Tauschmittel, während entlang der Grenze zu Kolumbien der kolumbianische Peso dominiert, insbesondere in der Regionalstadt San Cristobal. Und an der südlichen Grenze zu Brasilien ist der brasilianische Real gebräuchlich. Selbst der Euro und Kryptowährungen kommen zur Anwendung.
Besonders kurios ist die spontane Entstehung einer reinen Goldwährung in einer abgelegenen Region im Südosten Venezuelas, über die Bloomberg berichtet. Die Region um die Städte Tumeremo und El Callao ist reich an Edelmetallerzen und lockt seit langem Schürfer und Bergleute an, die hier ihr Glück suchen. Heute jedoch werden viele der größeren Minen vom venezolanischen Militär kontrolliert, das zudem gegen lokale Banden und Guerillas kämpft.
Trotz der Gewalt und der Gesetzlosigkeit strömen arbeitslose Venezolaner aus nah und fern in die Region, um in den florierenden illegalen Minen zu arbeiten und sich dafür mit Goldnuggets bezahlen zu lassen. Infolgedessen sind Goldplättchen, die mit Handwerkzeugen aus den rohen Nuggets herausgeschält werden, zur bevorzugten Währung in der Region geworden, wobei die Preise für Waren und Dienstleistungen in Gramm Gold angegeben werden.
Für ein halbes Gramm Gold erhält man zum Beispiel eine Übernachtung im Hotel, ein Essen für zwei Personen in einem chinesischen Restaurant kostet ein Viertel ein Haarschnitt ein ein Achtel Gramm Gold. Die Menschen haben die Goldplättchen einfach in der Tasche und wickeln sie in der Regel in die praktisch wertlosen alten Bolivar-Banknoten ein. Zwar verfügen einige Geschäfte über Waagen, um die Goldplättchen zu wägen. Doch die meisten Käufer und Verkäufer sind so vertraut damit, dass sie das Gewicht nach Augenmaß bewerten können.
So einigten sich dem Bericht zufolge zum Beispiel ein Friseur und sein Kunde, dass der Haarschnitt drei Goldplättchen von einem Achtel Gramm kosten soll, das entspricht knapp 6 Euro. Auch in den nahe gelegenen Städten wie der Regionalhauptstadt Ciudad Bolivar dringt das Gold allmählich in den Handel ein, da die Geschäfte in den Einkaufszentren das Gold gerne von Bergleuten annehmen, die ihr verdientes Gold gern gegen US-Dollar eintauschen.