Finanzen

Sind Aktien eine Absicherung gegen Inflation? - Ein Blick in die Geschichte

Lesezeit: 3 min
09.11.2021 10:16  Aktualisiert: 09.11.2021 10:16
In Phasen erhöhter Inflation konnten die Aktienkurse im Verlauf der letzten 100 Jahre in der Regel nicht profitieren. Analysten warnen nun vor einem Börsencrash.
Sind Aktien eine Absicherung gegen Inflation? - Ein Blick in die Geschichte
Aktien waren in der Vergangenheit kein guter Schutz gegen Inflation. (Foto: dpa)
Foto: epa Yonhap

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Wenn die Inflation steigt, dann erscheint es auf den ersten Blick sinnvoll, in Aktien zu investieren. Denn wenn das Geld an Wert verliert, dann ist es in der Regel von Vorteil, statt Geld Dinge zu besitzen, die eben nicht an Wert verlieren, sondern ihren Wert behalten. Aktien - also Anteile an Unternehmen - scheinen dabei eine gute Wahl zu sein, da sie nicht nur einen Ausweg aus dem Wertverlust des Geldes darstellen, sondern zudem eine Rendite abwerfen. Oder nicht?

Tatsächlich ist es nicht so einfach. Denn wenn die Inflation zum Beispiel von einer Wirtschaftskrise begleitet wird, dann können Unternehmen große Verluste machen, möglicherweise sogar pleitegehen. Aktien sind in einem solchen Szenario keine gute Wahl. Hinzu kommt die Gefahr, dass Aktien möglicherweise vor dem Hintergrund einer steigenden Inflation überbewertet sind, da die Mehrheit der Anleger eine Absicherung gegen die drohende Geldentwertung sucht und Aktien kaufen will, was die Kurse in die Höhe treibt.

Um die doch recht schwierige Frage zu beantworten, ob eine Aktieninvestition vor dem Hintergrund der aktuell steigenden Inflation eine gute Wahl ist, lohnt sich durchaus auch ein Blick in die Geschichte. Eine Analyse von Dimensional beantwortet diese Frage mit ja. Zitat: "Die Anleger fragen sich vielleicht, ob die Aktienrenditen leiden werden, wenn die Inflation weiter steigt. Hier eine gute Nachricht: Inflation ist nicht unbedingt eine schlechte Nachricht für Aktien."

Weiter heißt es: "Ein Blick auf die Aktienperformance der letzten drei Jahrzehnte zeigt keinen verlässlichen Zusammenhang zwischen Zeiten hoher (oder niedriger) Inflation und US-Aktienrenditen. Seit 1991 haben die jährlichen Renditen von US-Aktien stark geschwankt. Schwache Renditen traten jedoch auf, wenn die Inflation in einigen Zeiträumen niedrig war, und in 23 der letzten 30 Jahre waren die Renditen selbst nach Bereinigung um die Auswirkungen der Inflation positiv. Dies war auch in den ersten sechs Monaten des Jahres 2021 der Fall."

Seit dem Jahr 1991 verzeichnete der S&P 500 inflationsbereinigt eine durchschnittliche jährliche Rendite von 8,5 Prozent. Seit dem Jahr 1926 lag die inflationsbereinigte Jahresrendite von Aktien bei 7,3 Prozent. Nach Ansicht der Studienautoren ist dies ein deutliches Zeichen dafür, dass Aktien langfristig die offiziellen Inflationsraten übertreffen. Allerdings sind "durchschnittliche jährlich Renditen" mit Vorsicht zu genießen, da sie eben nur ein Durchschnitt sind. Börsencrashs können ein Portfolio auf lange Zeit massiv schädigen.

"Es besteht ein enormer Unterschied zwischen der durchschnittlichen und der tatsächlichen Rendite des investierten Kapitals. In jedem Jahr machen also die Auswirkungen von Verlusten den annualisierten 'Aufzinsungseffekt' des Geldes zunichte", schreibt der Analyst Lance Roberts. Wer zum Beispiel auf dem Höhepunkt der Dotcom-Blase in den Aktienindex S&P 500 investiert hat, der musste mehr als 13 Jahre warten, bis er die Verluste des auf die Blase folgenden Crashs zumindest wieder ausgeglichen hatte.

Roberts weist noch auf einen weiteren interessanten Zusammenhang hin: "Seit 1990 [...] ist die Inflation stetig gesunken. Dies verlieh den Aktienkursen einen erheblichen Auftrieb, da die Inputkosten sanken und die Rentabilität der Unternehmen stieg." Dies würde im Umkehrschluss bedeuten, dass eine hohe Inflation die Inputkosten steigen lässt und also die Rentabilität der Unternehmen schwächt, was in der Folge eine Belastung für die Aktienkurse darstellt.

Roberts langfristige Untersuchungen über einen Zeitraum von mehr als 100 Jahren zeigt die Auswirkungen der Inflation auf Wirtschaft und Aktienmärkte. Der Analyst kommt zu dem Ergebnisse, "dass Inflationsschübe im Laufe der Geschichte immer wieder mit Krisenereignissen einhergegangen sind. Von Bankenkrisen über wirtschaftliche Rezessionen bis hin zu verheerenden Bärenmärkten - Inflationsschübe lösten Umwälzungen aus."

Der derzeitige Inflationsschub ist im Vergleich zu historischen Auslösern noch gering. Doch selbst bei der Federal Reserve hat man zuletzt eingeräumt, dass die Inflation sich ausweitet und möglicherweise nicht nur vorübergehend ist. Nach Ansicht des Analysten Michael Lebowitz ist das größte Problem der Inflation im Hinblick auf den Aktienmarkt die "Margenkompression", also die Situation, dass die Inputkosten schneller steigen als der Verkaufspreis des Produkts.

"In sechs der sieben Inflationsperioden [seit 1920], einschließlich der beiden Phasen in den 1970er Jahren, verzeichneten die Unternehmen eine Margenkompression", so Lebowitz. Und weiter: "Die Ära der moderaten Inflation nach der Rezession 2008/09 ist die einzige Periode, in der sich die Margen verbesserten. Die Gewinnmargen sind jetzt auf dem höchsten Stand seit mindestens 1947." In dem untersuchten Zeitraum hat es so hohe Gewinnmargen wie aktuell nur mit deutlich niedrigeren Inflationsraten gegeben, wie die folgende Grafik zeigt.

"Wenn die Inflation weiter steigt und die Margen sinken, werden die Gewinne leiden", schreibt Lebowitz und warnt: "Wenn die Gewinne aufgrund sinkender Margen zurückgehen und die Bewertungen auf ein Niveau fallen, das dem früherer Inflationsperioden entspricht, so könnten die Aktienkurse leicht um 40 bis 50 Prozent fallen. Auch noch stärkere Rückgänge wären nicht ungewöhnlich." Nach Ansicht von Lance Roberts ist selbst die Fed nach Jahren extremer Geldpolitik nicht mehr in der Lage, die Investoren vor einem solchen Crash zu bewahren.


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