Finanzen

EZB sieht Abschaffung des Bargelds als Gefahr für das Finanzsystem

In einem Artikel erklärt EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta, warum der schleichende Bedeutungsverlust des Bargelds gefährlich ist. Als Lösung des Problems sieht er den digitalen Euro.
20.11.2021 11:04
Lesezeit: 2 min

Fabio Panetta, Mitglied des EZB-Direktoriums, hat am Donnerstag in der Financial Times einen Artikel mit dem Titel "Die Argumente der EZB für eine digitale Zentralbankwährung" veröffentlicht. Darin wirbt der Italiener für den digitalen Euro, dessen Einführung beschlossene Sache ist und der derzeit von der Europäischen Zentralbank entwickelt wird.

Panetta erklärt die vermeintliche Notwendigkeit digitaler Zentralbankwährungen mit einer Analogie. Er schreibt: "So wie die Briefmarke mit dem Aufkommen von Internet und E-Mail an Bedeutung verlor, so könnte auch Bargeld in einer digitalen Wirtschaft an Bedeutung verlieren." Tatsächlich gibt es zahlreiche Parallelen zwischen diesen Entwicklungen im Hinblick auf technologischen Fortschritt und Privatsphäre.

Panetta weist darauf hin, dass die Menschen immer weniger Bargeld zum Bezahlen verwenden, auch weil der Online-Umsatz sich seit 2015 verdoppelt hat. Doch derzeit ist Bargeld die einzige Form von Zentralbankgeld, die von Verbrauchern genutzt werden kann. Finanzinstitute haben zudem Zugang zu elektronischem Einlagen bei der EZB, die ebenfalls Zentralbankgeld darstellen.

Panetta weist darauf hin, dass die Digitalisierung des Bezahlens die Rolle des Bargelds und somit die Rolle des Zentralbankgelds zunehmend in Frage stellt. "Um seine Rolle als Anker des Geldsystems weiterhin zu erfüllen, muss das Zentralbankgeld auf die sich verändernden Bedürfnisse reagieren. Dies bedeutet, dass die Arbeit an digitalen Zentralbankwährungen intensiviert werden muss", so der EZB-Direktor.

Panetta zufolge geht es bei Zentralbankwährungen (CBDCs) für Privatkunden darum, "die Möglichkeit zu schaffen, dass jedermann Zentralbankgeld für digitale Massenzahlungen verwenden kann". Für das reibungslose Funktionieren des Zahlungsverkehrs sei es notwendig, "dass staatliches Geld auch im digitalen Zeitalter seine Ankerfunktion erfüllen kann".

Panetta erklärt, dass zum Beispiel ein Euro auf dem Konto kein Zentralbankgeld ist, sondern lediglich ein Anspruch gegenüber der entsprechenden Geschäftsbank. Die Tatsache, dass Bankeinlagen heute als gleichwertig zum Bargeld betrachtet werden, ist nach Ansicht des Italieners letztlich eine Folge der Tatsache, dass das Bargeld eine zentrale Rolle im Währungssystem erfüllt.

Panetta schreibt:

"Wir haben uns daran gewöhnt, verschiedene Formen von Geld austauschbar zu verwenden. Wir sind davon überzeugt, dass 'ein Euro ein Euro ist', egal in welcher Form, und dies ermöglicht einen reibungslosen Ablauf der Zahlungssysteme und einen reibungslosen Geschäftsverkehr. Aber diese 'Einheitlichkeit' des Geldes ist nicht zufällig entstanden.

Das Vertrauen in privates Geld - Bankeinlagen, Kreditkarten und E-Payment-Lösungen - beruht auf der Möglichkeit, es zum Nennwert in Zentralbankgeld umzutauschen, das die sicherste Form des Geldes darstellt. Ein Ansturm auf privates Geld beginnt, wenn dieses Vertrauen schwindet.

Ohne Zentralbankgeld als unbestrittenen monetären Anker müssten die Menschen die Solidität privater Emittenten überwachen, um den Wert jeder Form von privatem Geld zu beurteilen, was die 'Einheitlichkeit' der Währung untergraben würde. In der Tat hat die Geschichte wiederholt gezeigt, dass das Nebeneinander verschiedener Formen privaten Geldes ohne staatliches Geld zu Krisen führt.

Das vorrangige politische Ziel eines digitalen Euro wäre es, einer solchen Situation vorzubeugen. Zentralbankwährungen zum Gebrauch für die Verbraucher sollen sicherstellen, dass staatliches Geld für die täglichen Transaktionen weithin zugänglich und nutzbar bleibt. [...]

Indem wir sicherstellen, dass Zentralbankgeld der Anker des Zahlungssystems bleibt, werden wir die Finanzstabilität und das Vertrauen in die Währung fördern. Dies ist von entscheidender Bedeutung, um die Wirksamkeit der Geldpolitik aufrechtzuerhalten und somit den Wert des Geldes zu schützen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Airbus-Aktie fällt nach A320-Software-Update
01.12.2025

Ein Pflicht-Update für die A320-Reihe schickt die Airbus-Aktie auf ein Zweimonatstief. Airlines reagieren hektisch, doch der Hersteller...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Kurs rutscht zum Wochenstart ab: Liquidationswelle bringt Kryptowährungen unter massiven Druck
01.12.2025

Der Bitcoin-Kurs startet tiefrot in den Dezember: Ein Wochenend-Schock hat den Markt binnen Stunden umgekrempelt. Liquidationen rollen auf...

DWN
Politik
Politik Bürgergeldreform „Bullshit“: Arbeitsministerin Bas muss bei Jusos einstecken - wackelt die neue Grundsicherung?
01.12.2025

Die Bürgergeldreform steht bevor, der erste Teil der neuen Grundsicherung soll noch im Dezember durch das Bundeskabinett von Kanzler Merz...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Industrie: Materialmangel trifft Autoindustrie am härtesten – Ursache wohl in China
01.12.2025

Materialmangel trifft die deutsche Industrie unerwartet hart und legt Schwachstellen in globalen Lieferketten offen. Besonders Halbleiter...

DWN
Politik
Politik NATO-Krise: Ex-Spitzenoffizier fordert im DWN-Interview totale Umstellung von Gesellschaft und Wirtschaft
01.12.2025

Ein früherer NATO-Spitzenoffizier warnt in einem exklusiven Interview, dass Europa nur wenige Jahre hat, um sich auf einen möglichen...

DWN
Finanzen
Finanzen Hugo Boss-Aktie: Machtkampf mit Großaktionär Frasers?
01.12.2025

Beim Modekonzern Hugo Boss knirscht es im Machtgefüge: Der wichtigste Investor zieht dem Aufsichtsratschef die Unterstützung weg,...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Wird 2026 alles steigen? Prognose für Aktien, Bitcoin-Kurs und Goldpreis
01.12.2025

Der November brachte an den US-Börsen einen synchronen Aufschwung über sämtliche Anlageklassen hinweg. Jetzt legen die größten Häuser...

DWN
Finanzen
Finanzen Dividenden-Aktien: Wie Anleger jetzt potenzielle Dividendenrenditen erkennen
01.12.2025

Dividenden-Aktien gewinnen für Anleger in unsicheren Zeiten an Bedeutung, da sie regelmäßige Ausschüttungen mit potenziellem...