Deutschland

Gas- und Strompreise steigen deutlich – Millionen Verbraucher betroffen

Lesezeit: 2 min
19.11.2021 16:00  Aktualisiert: 19.11.2021 16:16
Die Gas- und Strompreise steigen. Das bekommen Millionen Verbraucher in Deutschland zu spüren. In der Grundversorgung drohen Mehrkosten von Hunderten Euro im Jahr.
Gas- und Strompreise steigen deutlich – Millionen Verbraucher betroffen
Ein Stromzähler in einem privaten Haushalt. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Immer mehr Verbraucher in Deutschland bekommen die stark gestiegenen Preise auf den Weltenergiemärkten zu spüren. Ab dem Jahreswechsel müssen Millionen von Haushaltskunden deutlich mehr für Strom und Gas bezahlen. Die Vergleichsportale Check24 und Verivox berichteten am Freitag von mehreren hundert Gas- und Stromversorgern, die vor allem ihre Grundversorgungstarife erhöhen wollen. Bis zu diesem Samstag müssen die Unternehmen Erhöhungen zum Jahreswechsel angekündigt haben - sechs Wochen vor dem Stichtag. Die Verbraucherzentrale riet dazu, in diesem Jahr Post vom Energieversorger besonders aufmerksam zu lesen.

Laut Verivox haben seit Juli insgesamt 463 Gasversorger die Preise erhöht oder Erhöhungen angekündigt, im Durchschnitt um 21 Prozent. Für einen Musterhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 20 000 Kilowattstunden bedeute dies Mehrausgaben von 305 Euro im Jahr. Rund 3,9 Millionen Haushalte seien davon betroffen. Check24 kommt auf anderer Datengrundlage auf eine jährliche Mehrbelastung von im Schnitt 369 Euro.

Nach Angaben der Bundesnetzagentur gibt es in Deutschland derzeit 684 Gasversorgungsunternehmen, die Haushaltskunden beliefern. Demnach beziehen noch rund 17 Prozent aller Haushalte eine Gasgrundversorgung. Das bedeutet, dass sie weder den Lieferanten gewechselt noch beim örtlichen Grundversorger einen Tarifwechsel vorgenommen haben. Der Behörde zufolge konnten Haushaltskunden 2020 im Durchschnitt zwischen 113 Gaslieferanten wählen. In Deutschland gibt es rund 42,8 Millionen Wohnungen (Stand 2020). Knapp die Hälfte wird mit Gas beheizt.

Beim Strom liegen die Angaben der beiden Portale näher beieinander. Demnach wollen mehr als 190 Unternehmen wiederum vor allem in der Grundversorgung ihre Preise erhöhen oder haben schon erhöht, im Schnitt um 7 (Verivox) beziehungsweise 9 Prozent (Check24). Für einen Musterhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 5000 Kilowattstunden bedeutet dies laut Check24 Mehrausgaben von 146 Euro pro Jahr. Rund 1,6 Millionen Haushalte seien davon betroffen. Laut Check24 gibt es in Deutschland 831 Stromgrundversorger. Der Netzagentur zufolge konnten Haushaltskunden 2020 in ihrem jeweiligen Netzgebiet im Durchschnitt zwischen 142 Stromanbietern wählen.

Nicht alle Stromanbieter erhöhen die Preise. Unter anderem wegen der zum Jahreswechsel sinkenden EEG-Umlage zur Förderung von Ökostrom konnten mehr als 20 Unternehmen die Preise um gut 2 Prozent senken. Dies wird rund einer Million Haushalten zugute kommen. Strom beziehen laut Netzagentur rund 25 Prozent der Haushalte im Grundversorgungstarif.

„Der Energiemarkt steht Kopf, und bei vielen Verbrauchern landen drastische Preiserhöhungen im Briefkasten oder Maileingang“, sagte der Energieexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, Udo Sieverding. „In diesem Jahr sollten Verbraucher daher besonders aufmerksam die Post des Energieversorgers lesen und reagieren.“ Allerdings herrsche auch bei den Vermittlungsportalen ein Ausnahmezustand. „Denn auf den vorderen Plätzen sind keine Schnäppchen mehr zu finden, sondern bestenfalls Übergangstarife, um noch Schlimmeres zu verhindern.“ Bei einem Wechsel sollten Kunden daher auf kurze Vertragslaufzeiten achten und eine frühestmögliche Kündigung im Kopf behalten.

Experten sehen mehrere Gründe für die gestiegenen Gaspreise im Großhandel. So habe sich die Nachfrage nach verflüssigtem Erdgas stark erhöht, besonders in Asien, erklärte Eren Çam vom Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität zu Köln. Eine Rolle habe auch die Trockenheit in Lateinamerika gespielt. Dort mussten Gaskraftwerke mehr Strom produzieren, nachdem weniger Strom aus Wasserkraft erzeugt werden konnte. Ein erheblicher Teil der Flüssiggasexporte (LNG) aus den USA ging dorthin, so dass für Europa weniger zur Verfügung stand.

Die Nachfrage in Asien sei hoch, sagte Çam. „Es gibt eine gewisse Knappheit, das treibt die Preise.“ Hinzukomme, dass nach dem kalten Winter die Gasspeicher nicht wieder so gut gefüllt worden seien wie üblich. Russland habe in den vergangenen Monaten zwar seine vertraglichen Lieferverpflichtungen erfüllt, darüber hinaus aber keine zusätzlichen Mengen nach Europa geliefert.

„Die Speicher-Füllsaison in Russland ist nun beendet, und es wurden zusätzliche Mengen für Europa angekündigt“, sagte Çam. Trotz geringfügig erhöhter Lieferungen aus Russland hätten die Mengen aber nicht ausgereicht, um die Preise zu senken. Der Energieexperte hält es für möglich, dass sich der Markt über den Winter entspannt, falls Russland mehr Gas liefert. „Es wird trotzdem eine gewisse Knappheit geben. Wenn wir einen kalten Winter haben, könnten die Preise hoch bleiben.“

Als Gründe für die steigenden Strompreise nennen die Energieexperten von Check24 unter anderem die steigenden Preise für Erdgas und Steinkohle sowie die steigende Nachfrage nach Elektrizität.


Mehr zum Thema:  

DWN
Finanzen
Finanzen Drohende Bankenkrise: Westliche Notenbanken lancieren Dollar-Notversorgung

Die Not-Übernahme der Credit Suisse kann die Nervosität an den Finanzmärkten nicht lindern. Große westliche Zentralbanken legen ein...

DWN
Finanzen
Finanzen Bankenkrise: UBS übernimmt angeschlagene Credit Suisse

Kurz vor Öffnung der Börsen steht der Mega-Deal: Die schlingernde Großbank Credit Suisse wird vom größeren Konkurrenten UBS...

DWN
Finanzen
Finanzen Bankenbeben - Die Feuerwehr löscht ihren Brand

Die US-Zentralbank löschte einen Brand, den sie selbst ausgelöst hatte, schreibt Marc Friedrich. In Zukunft drohen größere...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Toyota-Patriarch enthüllt: „Schweigende Mehrheit“ lehnt Fokussierung auf E-Autos ab

Der Patriarch des japanischen Autobauers warnt mit Blick auf E-Autos vor Risiken. Er gehöre zur „schweigenden Mehrheit“, welche die...

DWN
Politik
Politik China steigt zum diplomatischen Machtfaktor im Nahen Osten auf

Die von Peking vermittelte Annäherung zwischen dem Iran und Saudi-Arabien soll in einem größeren Format vertieft werden. China...

DWN
Politik
Politik Habecks geplantes Verbot von Öl- und Gasheizungen ab 2024 erntet heftige Kritik

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will den Einbau neuer Gas- und Ölheizungen ab 2024 verbieten. Der aktuelle Gesetzesentwurf...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft US-Immobilienmarkt: Signale deuten auf Rezession trotz Aufschwung

Während Bauunternehmer clevere Wege finden, um Hypothekenzinsen zu senken, könnte die Fed zurückschlagen.

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Unser neues Magazin ist da: Wie sich die Preise für Strom, Benzin, Öl und Gas entwickeln

Die Energiekrise hat Bürger wie Unternehmen in Deutschland im vergangenen Jahr hart getroffen. Wohin es mit den Preisen perspektivisch...