Deutschland

Arbeitslos ins E-Zeitalter? Tausende Bosch-Angestellte protestieren gegen Stellenstreichungen

Der Gewerkschaft IG Metall zufolge werden in der Zulieferbranche in großem Stil Arbeitsplätze nach Osteuropa verlegt.
22.11.2021 17:08
Lesezeit: 2 min
Arbeitslos ins E-Zeitalter? Tausende Bosch-Angestellte protestieren gegen Stellenstreichungen
«Zukunft für Bosch Arnstadt» steht auf den Plaketten während einer Kundgebung der IG Metall zum Erhalt der Arbeitsplätze bei Bosch in Arnstadt. (Foto: dpa) Foto: Martin Schutt

Tausende Beschäftigte von Bosch haben nach Gewerkschaftsangaben am vergangenen Freitag gegen den Abbau von Arbeitsplätzen protestiert. Allein im badischen Bühl waren es rund 3000 Menschen, teilte die IG Metall mit.

Vor dem Werk des Autozulieferers in München demonstrierten annähernd 600 Menschen gegen die Schließung des Standorts. Nach Angaben der IG Metall gingen zudem im thüringischen Arnstadt etwa 300 Bosch-Mitarbeiter auf die Straße.

Der baden-württembergische IG-Metall-Chef Roman Zitzelsberger erklärte, Verlagerungen in Billiglohnländer nähmen zu - nicht nur bei Bosch. Bosch-Geschäftsführerin Filiz Albrecht äußerte Verständnis für die Sorge um die Arbeitsplätze. Bosch sei sich seiner unternehmerischen Verantwortung bewusst.

Bereits vor einigen Monaten hatte die IG Metall gewarnt, dass Autobauer zunehmend Arbeitsplätze nach Osteuropa verlagern. Zuvor würden die Beschäftigten an den deutschen Standorten „ausgequetscht.“ „Wir erleben schon jetzt, dass Standorte noch einmal richtig ausgepresst werden mit neuen Schichtsystemen und Wochenendarbeit. Die Leute werden nicht weiter qualifiziert, sie sollen einfach fallengelassen werden, weil bereits feststeht, dass der Standort in zwei, drei Jahren dichtgemacht wird", sagte ein Gewerkschafter damals.

Die Autoindustrie muss den von der Politik vorgeschriebenen raschen Übergang vom Benzin- und Dieselauto zum Elektroauto schaffen, um die sogenannten Klimavorgaben der EU einzuhalten. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Bosch Mobility Solutions, Frank Sell, kritisierte: „Bosch spaltet die Belegschaft in Gewinner und Verlierer des Strukturwandels.“

In Bühl sollen nach Unternehmensangaben bis 2025 rund 700 Vollzeitstellen sozialverträglich abgebaut werden, weniger als die Hälfte soll nach Osteuropa verlagert werden. In München mit rund 265 Beschäftigten wird Bosch zufolge über das Verlagern der industriellen Fertigung an andere Standorte gesprochen. In Arnstadt will die Robert Bosch Elektronik Thüringen GmbH ihre Tätigkeit einstellen, weil es bald keine Aufträge mehr gibt. Betroffen sind 100 der zusammen 160 Stellen am Standort, wie das Unternehmen mitgeteilt hatte.

Beschwichtigung bei VW

Volkswagen-Konzernchef Herbert Diess hat gegenüber den Beschäftigten erneut betont, keinen Stellenabbau in Form eines zusätzlichen Sparprogramms in den kommenden Jahren anzupeilen. „Es sollte keiner Angst haben“, sagte er Anfang November in einer internen Runde, zu der die Belegschaft Fragen einreichen konnte. Sollte der Eindruck entstanden sein, es gehe um gezielte Kürzungen, dann sei das „nicht das Ziel“ gewesen. „Wir sind ein soziales Unternehmen“, so Diess. „Wir haben eine Arbeitsplatzsicherung ausgesprochen bis 2029.“

Der Vorstandschef musste sich jüngst deutliche Kritik vor allem von Betriebsratschefin Daniela Cavallo anhören, nachdem eine Zahl von angeblich bis zu 30.000 gefährdeten Stellen die Runde gemacht hatte, welche im Zuge der Fokussierung auf Elektroautos wegfallen könnten. Bestehende Programme, die den Aufbau neuer bei gleichzeitigem Wegfall älterer Jobs vorsehen, seien „in der Umsetzung“, sagte Diess. Darüber hinaus gelte: „Es gibt keinen Plan, 30 000 Mitarbeiter abzubauen.“

Angst solle nicht entstehen, erklärte Diess. „Aber ich glaube schon: Wir brauchen einen Ruck, um diese neue Welt zu erkennen und uns diesem Wettbewerb zu stellen.“ Wolfsburg könne bei entsprechender Vorbereitung dem US-Rivalen Tesla mit dessen neuer Fabrik bei Berlin standhalten. „Aber wir müssen uns neu erfinden, wir brauchen einen Aufbruch.“ Alle Standorte würden an der Elektrifizierung beteiligt. Der Betriebsrat fordert für das Stammwerk Wolfsburg mindestens ein weiteres E-Modell vor dem 2026 startenden Trinity.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Gesundheitscheck vor der Einstellung: Rechte und Grenzen für Bewerber
01.06.2025

Ein Vorstellungsgespräch ist erfolgreich verlaufen, doch bevor der Arbeitsvertrag unterschrieben wird, fordert der potenzielle Arbeitgeber...

DWN
Technologie
Technologie SaaS ist tot – die Zukunft gehört der KI, nicht Ihrer Plattform
01.06.2025

Niemand will die Nutzung Ihrer Plattform lernen – Unternehmen wollen Ergebnisse. Künstliche Intelligenz ersetzt Tools durch fertige...

DWN
Panorama
Panorama EU-Reform könnte Fluggastrechte deutlich schwächen
01.06.2025

Von Verspätungen betroffene Fluggäste haben in Zukunft möglicherweise deutlich seltener Anspruch auf Entschädigung. Die EU-Staaten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wettlauf um die Zukunft: Wie die USA ihre technologische Überlegenheit retten wollen
01.06.2025

China wächst schneller, kopiert besser und produziert billiger. Die USA versuchen, ihre Führungsrolle durch Exportverbote und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Freelancer: Unverzichtbare Stütze in flexiblen Arbeitswelten
01.06.2025

Trotz Homeoffice-Boom bleibt die Nachfrage nach Freelancern hoch. Warum Unternehmen auf Projektarbeiter setzen, wo die Vorteile liegen –...

DWN
Politik
Politik „Choose Europe“: Brüssel will Gründer mit Kapital halten
31.05.2025

Die EU startet einen neuen Wachstumsfonds, der Start-ups mit Eigenkapital unterstützen und in Europa halten soll. Doch Geld allein wird...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Energiewende umgekehrt: US-Firmen fliehen vor Trumps Klimapolitik – nach Europa
31.05.2025

Während Trump grüne Fördermittel in den USA kürzt, wendet sich die Clean-Tech-Branche von ihrer Heimat ab. Jetzt entstehen in Europa...

DWN
Politik
Politik Ärztepräsident warnt vor „Versorgungsnotstand“
31.05.2025

Ärztepräsident Klaus Reinhardt warnt vor Beeinträchtigungen im medizinischen Netz für Patienten, wenn nicht bald Reformen zu mehr...