Finanzen

Explosion der Zombie-Firmen führt unvermeidlich in neue Finanzkrise

Noch nie war die Welt so schlecht auf einen Zinsanstieg vorbereitet wie aktuell. Eine neue Finanzkrise scheint unvermeidlich.
03.12.2021 10:01
Aktualisiert: 03.12.2021 10:01
Lesezeit: 4 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Explosion der Zombie-Firmen führt unvermeidlich in neue Finanzkrise
Fed-Chef Jerome Powell bemüht sich, eine neue Finanzkrise hinauszuzögern. (Foto: dpa) Foto: Andrew Harnik

Wenn die Federal Reserve die Zinssätze wieder erhöht, könnte dies eine neue Finanzkrise auslösen. Dass die Gefahr real ist, zeigt sich deutlich etwa darin, dass die US-Notenbank seit Jahren äußerst vorsichtig ist, wenn sie sich öffentlich darüber äußert, ob, wann und wie schnell sie die Zinsen möglicherweise wieder erhöhen will. Sie will die Märkte nicht verschrecken, die vom scheinbar unaufhörlich fließenden billigen Geld abhängig sind.

Die Frage ist derzeit also sicherlich nicht, ob eine Zinserhöhung ein erhebliches Risiko darstellt, sondern wie groß das Risiko tatsächlich ist. Und einiges spricht dafür, dass es tatsächlich sehr groß ist. Der Analyst Lance Roberts weist etwa darauf hin, "dass das gesamte Finanzökosystem stärker als jemals zuvor gehebelt ist". So hat etwa der Aktienkauf auf Pump bei Kleinanlegern gerade ein neues Rekordhoch erreicht.

Vor diesem Hintergrund sieht Roberts das entscheidende Risiko derzeit in einem Phänomen, dass er die "Instabilität der Stabilität" nennt. Seiner Ansicht nach ist die Federal Reserve von der Annahme abhängig, dass die Marktteilnehmer rational agieren. Doch gerade wenn die Zinsen beginnen zu steigen sei dies historisch in der Regel nicht der Fall gewesen. Unweigerlich habe jemand "den großen roten Knopf gedrückt", so Roberts.

Nach mehr als zwölf Jahren des extremer geldpolitischer Programme versuche die Federal Reserve, die wachsenden systemischen Risiken in den Griff zu bekommen. Doch dies gestaltet sich zunehmend schwierig, da es heute nicht nur in einem Bereich, sondern in praktisch allen Bereichen des Marktes und der Wirtschaft Übertreibungen gebe.

Roberts erinnert darin, dass es in den frühen 70er Jahren Übertreibungen bei "Nifty Fifty"-Aktien gab, dann ein paar Jahre später bei mexikanischen und argentinischen Anleihen, dann Mitte der 80er Jahre bei "Portfolio-Versicherungen", dann im Jahr 1999 bei allem was mit "Dot.com" zu tun hatte. Der Immobilienmarkt sei etwa jedes zweite Jahrzehnt in einer Blase gewesen, vor allem aber im Jahr 2007.

Doch derzeit gibt es Roberts zufolge überall Übertreibungen: etwa bei Immobilien, bei FANG-NATM-Aktien (Facebook, Apple, Netflix, Google, Nvidia, Amazon, Tesla und Microsoft), bei Elektroautos (Tesla ist über 1 Billion Dollar wert), bei Unternehmensanleihen, bei Krediten, bei Private Equity, bei SPACs, bei Börsengängen, bei Meme-Aktien, bei Optionsspekulation.

Um an den Finanzmärkten investieren zu können, braucht man verfügbares Einkommen verfügen, das man investieren kann. Doch auch wenn die Fed die größte Finanzblase der Geschichte geschaffen hat, so steigerte sie mit ihren massiven Eingriffen doch weder Wirtschaftswachstum noch Wohlstand. Daher besitzen die obersten 10 Prozent der Einkommensbezieher etwa 90 Prozent des Finanzmarktvermögens.

Nach mehr als einem Jahrzehnt ultra-lockerer Geldpolitik ist die Risikobereitschaft in die Höhe geschossen, da die Marktteilnehmer nach Ansicht von Roberts zu der Überzeugung gelangt sind, dass es dank der Fed gar kein Risiko mehr gibt. In der Folge haben Anleger keinen Grund mehr gesehen, warum sie nicht immer noch mehr Risiko eingehen sollten. Und genau das haben sie dann auch getan.

In seinem berühmtem Buch "A Margin Of Safety" beschreibt Seth Klarman die Anleihenmanie der 1980er Jahre, bevor sie implodierte. Damals gaben viele Unternehmen Anleihen aus, obwohl sie sich die Zinszahlungen nicht leisten konnten. Heute spricht man von "Zombie-Unternehmen", die sich nur noch mithilfe von billigen Schulden am Leben erhalten. Die Marktkapitalisierung dieser "Zombies" steht derzeit auf einem Rekordniveau.

"Derzeit ist die Welt von finanzieller Alchemie überschwemmt. Derzeit gibt es eine Rekordzahl von Unternehmen, die nicht in der Lage sind, ihre Zinskosten aus den Gewinnen zu decken", so Kailash Concepts. Doch was passiert, wenn die Zombie-Unternehmen ihre Schulden nicht mehr refinanzieren können? Kailash Concepts analysiert die Lage so:

"Seit 2007 hat sich ein großer Teil der amerikanischen Schuldenkrise vom Finanzsektor auf zu hoch verschuldete Nicht-Finanzwerte verlagert. Wir glauben, dass die Mischung aus Rekordverschuldung und Rekordaktienbewertungen wahrscheinlich ein Nebeneffekt der realen Zinssätze ist, die sich den niedrigsten Werten seit 1973 nähern. Unabhängig davon, ob wir mit der Kausalität richtig oder falsch liegen, sind die Fakten unserer Meinung nach erschreckend.

Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Welt noch nie so schlecht vorbereitet oder ausgerüstet war, um mit einem möglichen Ausbruch der Inflation oder einem Rückzug der US-Notenbank umzugehen."

Es handelt sich jedoch nicht nur um eine Blase bei der Verschuldung von Unternehmen. Es handelt sich wie bereits erwähnt auch um eine Blase bei der Verschuldung der Anleger, die sich verschulden, um in die überbewerteten Finanzmärkte investieren zu können. Doch so wie Margin Debt jetzt die Hausse anheizt, so wird sie den kommenden Bärenmarkt im gleichen Umfang beschleunigen.

"Wenn die Zinssätze steigen, können sich die Wirtschaft und die Märkte (aufgrund der laufenden Dynamik) kurzfristig den Gesetzen der finanziellen Schwerkraft widersetzen", schreibt Roberts. "Die steigenden Zinssätze wirken jedoch als 'Bremse' für die Wirtschaftstätigkeit, da sich die Zinssätze NEGATIV auf eine stark fremdfinanzierte Wirtschaft auswirken."

Warum steigende Zinssätze die Wirtschaft bremsen, fasst Roberts stichpunktartig so zusammen:

  • Die Zinsen erhöhen den Schuldendienst und verringern künftige produktive Investitionen.
  • Der Wohnungsbau verlangsamt sich.
  • Höhere Kreditkosten führen zu geringeren Gewinnspannen.
  • Die massiven Derivat- und Kreditmärkte werden in Mitleidenschaft gezogen.
  • Die variablen Zinszahlungen für Kreditkarten und Eigenheimkredite steigen.
  • Steigende Zahlungsausfälle beim Schuldendienst werden sich negativ auf die Banken auswirken.
  • Viele Aktienrückkaufpläne und Dividendenausschüttungen von Unternehmen werden durch den Einsatz billiger Kredite realisiert.

"Am wichtigsten ist, dass in den letzten zehn Jahren das Hauptargument für überhöhte Aktienkurse darin bestand, dass niedrige Zinsen die hohen Bewertungen rechtfertigen", so Roberts. Angesichts der steigenden Inflation, die die Gewinnspannen schrumpfen lässt, und der bevorstehenden Zinserhöhung durch die US-Notenbank seien die Bewertungen jedoch wahrscheinlich ein größeres Problem, als die meisten vermuten.

Auch der einflussreiche Investment-Manager Mohammed El-Erian sagte kürzlich in einem Interview: "Die Anleger sollten das Risiko eines abrupten Wechsels von einer relativen zu einer absoluten Bewertung im Auge behalten. Wenn das passiert, sollte man aufhören, sich über seine Rendite Gedanken zu machen, und anfangen, sich über den Erhalt seines Kapitals Gedanken zu machen."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Siton Mining: Mining mit BTC, XRP und DOGE.Verdienen Sie 8.600 $ pro Tag an passivem Einkommen

Auf dem volatilen Kryptowährungsmarkt ist die Frage, wie sich die täglichen Renditen digitaler Währungen maximieren lassen, anstatt sie...

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

DWN
Politik
Politik Draghi-Report: Ohne gemeinsame EU-Schulden verliert Europa gegen alle
18.09.2025

Ein Jahr nach seinem wegweisenden Draghi-Report warnt Mario Draghi vor einer dramatisch verschlechterten Lage der EU. Der ehemalige...

DWN
Finanzen
Finanzen Topmanager erwarten Trendwende bei Börsengängen
17.09.2025

Nach Jahren der Flaute sehen Topmanager eine Trendwende am Markt für Börsengänge. Warum Klarna den Wendepunkt markieren könnte und was...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Solar-Krise: Solarfirma Meyer Burger schließt Standorte - 600 Beschäftigten gekündigt
17.09.2025

Rettung geplatzt: Warum auch Investoren keinen Ausweg für den insolventen Solarmodul-Hersteller Meyer Burger sehen und was jetzt mit den...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinesische Waren: Europas Industrie gerät zunehmend unter Druck
17.09.2025

Chinesische Waren fluten Europa. Subventionen aus Peking drücken Preise, während Europas Industrie ins Hintertreffen gerät. Deutschland...

DWN
Politik
Politik AfD stärkste Kraft: AfD zieht in YouGov-Umfrage erstmals an der Union vorbei
17.09.2025

Die AfD zieht in der Sonntagsfrage an der Union vorbei – für die SPD geht es minimal aufwärts. Eine Partei, die bislang nicht im...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft TOP10 Biotech-Unternehmen: Was Anleger jetzt wissen müssen
17.09.2025

Biotech-Unternehmen dominieren mit GLP-1 und Onkologie – doch Zölle, Patente und Studienerfolge entscheiden über Renditen. Wer jetzt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Halbleiterstandort Sachsen: Ansiedlung von TSMC - Silicon Saxony rechnet mit 100.000 neuen Jobs
17.09.2025

Sachsen ist Europas größter Mikroelektronik-Standort mit rund 3.600 Unternehmen und rund 83.000 Mitarbeitern. Auf der Halbleitermesse...

DWN
Politik
Politik Haushaltsdebatte im Bundestag: Erst Schlagabtausch, dann Bratwürste für den Koalitionsfrieden
17.09.2025

Merz gegen Weidel: Zum zweiten Mal treten die beiden in einer Generaldebatte gegeneinander an. Weidel wirft Merz „Symbolpolitik“ und...