Deutschland

Zeichen stehen auf Rezession: Aufträge in deutscher Industrie brechen ein

Lesezeit: 2 min
06.12.2021 10:00  Aktualisiert: 06.12.2021 10:28
Entwicklungen in der Industrie deuten auf eine Rezession in den Wintermonaten hin. Die Diskriminierung ungeimpfter Bürger belastet die Wirtschaft massiv.
Zeichen stehen auf Rezession: Aufträge in deutscher Industrie brechen ein
Qualm steigt aus dem ThyssenKrupp Stahlwerk Schwelgern. (Foto: dpa)

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Die deutsche Industrie hat im Oktober erheblich weniger Aufträge erhalten. Gegenüber September seien 6,9 Prozent weniger Bestellungen eingegangen, teilte das Statistische Bundesamt am Montag in Wiesbaden mit.

Im September hatte es noch ein Wachstum von 1,8 Prozent gegeben, das auf einen Einbruch von 8,8 Prozent im August folgte. „Für die konjunkturellen Aussichten bedeutet der zweite starke Rückgang der Auftragseingänge innerhalb der letzten drei Monate einen weiteren Dämpfer“, betonte das Bundeswirtschaftsministerium. Dafür spricht auch der Vergleich mit dem Vorjahresmonat: Hier sanken die Bestellungen um 1,0 Prozent und damit erstmals seit mehr als einem Jahr.

„Das ist ein Warnschuss vor den Bug der Konjunktur“, kommentierte LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch die Entwicklung. Sie zeige, „dass da etwas nicht in Ordnung ist.“

Während die Aufträge aus dem Inland um 3,4 Prozent zulegten, gingen aus dem Ausland 13,1 Prozent weniger Aufträge ein als im Vormonat. Vor allem aus Ländern außerhalb der Eurozone kamen weniger Bestellungen, sie sanken um 18,1 Prozent. Laut Bundesamt geht der Rückgang in erster Linie auf Großaufträge zurück, die im Vormonat noch kräftig um 15,7 Prozent gestiegen waren.

Es wurden vor allem erheblich weniger Investitionsgüter wie Maschinen bestellt. Auch Vorleistungsgüter wurden weniger geordert, während die Aufträge für Konsumgüter spürbar zulegten.

Nachdem die Auftragseingänge zur Jahresmitte auf ein Rekordhoch geklettert seien, habe es in den vergangenen Monaten einen deutlichen Rückgang gegeben, kommentierte das Bundeswirtschaftsministerium in Berlin.

Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der Lichtensteiner VP Bank, gab aber auch zu bedenken, dass sich das Infektionsgeschehen in Asien inzwischen bemerkbar mache. „Von nun an wird es beim monatlichen Auftragseingang wieder volatiler zugehen“, kommentierte er. Die Industrie leidet seit längerem unter Verspannungen im Welthandel, die weitgehend auf die Corona-Pandemie zurückgehen.

Die Auftragsbücher der Industrie sind zwar immer noch prall gefüllt. Wegen Engpässen bei Rohstoffen und Materialien wie Mikrochips klemmt aber die Produktion. Auch deshalb wird der Aufschwung im zu Ende gehenden Jahr nach Prognose der Bundesregierung eine Nummer kleiner ausfallen als ursprünglich gedacht. Sie senkte ihre Wachstumsprognose auf 2,6 Prozent von zuvor 3,5 Prozent.

Kritik an Diskriminierung ungeimpfter Bürger

Anleger blicken zum Jahresabschluss angesichts der vierten Corona-Welle mit deutlich weniger Zuversicht auf die Konjunktur im Euro-Raum. Das von der Investment-Beratungsfirma Sentix am Montag veröffentlichte Barometer fiel im Dezember um 4,8 auf 13,5 Punkte. Das ist der niedrigste Wert seit April. Von Reuters befragte Experten hatten lediglich einen Rückgang auf 15,9 Zähler erwartet. Die 1164 befragten Anleger und Investoren bewerteten die Lage so schlecht wie seit über einem halben Jahr nicht mehr. Die Aussichten für die kommenden sechs Monate wurden dagegen erneut positiver bewertet.

„Die verschärften Lockdown-Maßnahmen, die vor allem in Deutschland und Österreich ergriffen wurden, dämpfen dort jeweils die Lagebeurteilungen erheblich“, sagte Sentix-Geschäftsführer Manfred Hübner. „Eine Abkühlung bis hin zur Rezession scheint nun nicht mehr ausgeschlossen.“

Für Deutschland gab der Gesamtindex den fünften Monat in Folge nach. Er fiel damit auf den tiefsten Stand seit März zurück. „Die Verschärfungen der Corona-Maßnahmen und insbesondere der Ausschluss von Kunden aus dem Einzelhandel durch die 2G-Maßnahmen belasten die Lagewerte in Deutschland erheblich“, sagte Hübner. „Dieser Lockdown wirkt stärker negativ auf die Konjunktur als die vorherigen.“ Eine technische Rezession - also zwei Quartale in Folge mit schrumpfender Wirtschaftsleistung - erscheine damit möglich.

Viele Experte haben zuletzt ihre Konjunkturerwartungen für Deutschland gesenkt. Nicht nur die Corona-Welle belastet Europas größte Volkswirtschaft, sondern auch Lieferengpässe in der Industrie und die höchste Inflation seit fast 30 Jahren. Auch deshalb wird der Aufschwung im zu Ende gehenden Jahr nach Prognose der Bundesregierung eine Nummer kleiner ausfallen als ursprünglich gedacht.


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