Im vergangenen Jahr beliefen sich die Verteidigungsausgaben der EU-Mitgliedsstaaten auf insgesamt 198 Milliarden Euro. Dies entspricht einem Anstieg von fünf Prozent gegenüber 2019, so ein Bericht der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA) vom Montag. Zudem sind es die höchsten Militärausgaben in der EU seit mindestens 2006, als die EDA mit der Sammlung der Daten aus den Mitgliedsstaaten begann.
Unter den 27 EU-Mitgliedsstaaten ist Dänemark das einzige Land, dessen Daten in dem EDA-Bericht fehlen, das es sich nicht an EU-Militärprojekten beteiligt. Unter den übrigen 26 Mitgliedsstaaten haben 19 ihre Militärausgaben im vergangenen Jahr erhöht. Sechs dieser Länder haben ihre Militärausgaben sogar um mehr als 10 Prozent erhöht, so der Bericht der Behörde.
Nach Berechnungen der EDA, welche die Entwicklung der militärischen Fähigkeiten in den EU-Mitgliedsstaaten überwacht, entsprechen die Verteidigungsausgaben in den 26 überwachten Mitgliedsstaaten rund 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die USA halten das für zu wenig und haben wiederholt von den europäischen Nato-Verbündeten gefordert, mindestens 2 Prozent zu erreichen.
Mehrere EU-Mitgliedsstaaten haben sich zuletzt für eine eigenständigere Verteidigungspolitik und für stärkere militärische Fähigkeiten der EU eingesetzt, nachdem die Atommacht Großbritannien mit dem Brexit die Europäische Union verlassen hat und die USA ihr Militär nun verstärkt nach Asien orientieren.
Die Covid-19-Pandemie und der anschließende Wirtschaftsabschwung haben sich nicht auf die Militärausgaben ausgewirkt. "Während das BIP der Mitgliedstaaten im Jahr 2020 um sechs Prozent zurückging, haben die Verteidigungsausgaben dem wirtschaftlichen Druck bisher standgehalten", und dies sei ein "positiver Trend", so der EDA-Bericht.
Kritisch sieht der Bericht den Umstand, dass die EU-Länder weniger in gemeinsame Verteidigungsausgaben investierten. Im Jahr 2020 gaben die EU-Mitgliedsstaaten insgesamt 4,1 Milliarden Euro für die gemeinsame Beschaffung neuer Ausrüstung aus, ein Rückgang um 13 Prozent im Vergleich zu 2019 und der drittniedrigste Wert, den die Agentur seit ihrem Bestehen verzeichnet hat.
Dem Bericht zufolge hat es seit 2016 einen "signifikanten Rückgang" bei der gemeinsamen Beschaffung von Verteidigungsgütern gegeben. Die Mitgliedsstaaten gaben im vergangenen Jahr nur 11 Prozent ihrer gesamten Ausrüstungsbeschaffung in Kooperation mit anderen EU-Staaten aus und blieben damit hinter dem Richtwert von 35 Prozent zurück, der 2017 in einem EU-Verteidigungspakt festgelegt worden war.
Die EDA stellte fest, dass die EU-Regierungen bei der Beschaffung von Ausrüstungsgütern hauptsächlich auf eigene Faust handelten. EDA-Chef Jiří Šedivý sieht diesen Trend als "besonders besorgniserregend". Wie schon 2019 waren auch im vergangenen Jahr wieder mehr als 20 Prozent der gesamten Militärausgaben Investitionen.
Im Jahr 2020 gaben die Länder auch einen Rekordbetrag von 2,5 Milliarden Euro für Forschung und Technologie aus, was einem Anstieg von 46 Prozent gegenüber 2019 entspricht. Dieser Anstieg wurde von Frankreich und Deutschland getragen, die zusammen für mehr als 90 Prozent des Anstiegs bei Forschung und Technologie verantwortlich sind.
Doch auch bei den Investitionen in die Verteidigungsforschung mangelt es laut EDA an Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten. "Die Defragmentierung der europäischen Verteidigungslandschaft kann nur durch eine parallele Steigerung der europäischen Zusammenarbeit erreicht werden, die den Mitgliedsstaaten hilft, ihre militärische Ausrüstung effizienter zu beschaffen", heißt es in dem Bericht.
Trotz der mangelnden Koordinierung plant die EU bis zum Jahr 2025 eine gemeinsame Streitmacht von bis zu 5.000 Soldaten, um militärisch unabhängiger von den USA zu werden. Darüber berieten die Verteidigungsminister der 27 Mitgliedstaaten Mitte November in Brüssel. Italien und Frankreich begrüßten die Pläne.
Die EU hatte bereits vor zwei Jahrzehnten den Aufbau einer schnellen Eingreiftruppe beschlossen, wollte aber keine Konkurrenz zur Nato bilden. Die Probleme in Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban haben jetzt offenbar ein Umdenken ausgelöst. Dort waren die Europäer nicht in der Lage, den Flughafen der Hauptstadt Kabul zu sichern. Daher mussten sie die Evakuierungen nach dem Abzug der US-Armee einstellen.