Hohe Preise für das Tanken und Heizen haben die deutsche Inflationsrate im November erstmals seit fast drei Jahrzehnten über die Marke von fünf Prozent getrieben. Waren und Dienstleistungen kosteten 5,2 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Freitag bestätigte. "Eine höhere Inflationsrate gab es zuletzt vor fast 30 Jahren", sagte Statistikamt-Präsident Georg Thiel. Im Zuge des Wiedervereinigungsbooms waren die Preise im Juni 1992 sogar um 5,8 Prozent gestiegen. Im Oktober hatte die Inflationsrate noch bei 4,5 Prozent gelegen, im September bei 4,1 Prozent.
Der anhaltende Preisschub ist insbesondere Folge der massiven Preissteigerungen im Energiebereich: Über alle Energieformen hinweg ergibt sich dort eine Preissteigerung von 22,1 Prozent verglichen mit dem vergangenen Jahr. Mit 101,9 Prozent haben sich dabei die Preise für Heizöl binnen Jahresfrist mehr als verdoppelt, während für Kraftstoffe wie Benzin 43,2 Prozent mehr verlangt wurden. Auch Erdgas (+9,6 Prozent) und Strom (+3,1 Prozent) wurden merklich teurer. "Neben den Basiseffekten durch die sehr niedrigen Preise im November 2020 wirkte sich auch die zu Jahresbeginn eingeführte CO2-Abgabe preiserhöhend aus", hieß es dazu.
Im Klartext: Die zu Jahresbeginn eingeführte Sondersteuer auf das lebenswichtige Naturgas CO2 (Kohlenstoffdioxid) treibt die Energiepreise massiv an. Ergänzt wird diese noch von einer Preisexplosion im europäischen Handel für CO2-Emissionszertifikate. Die Papiere haben ein neues Allzeithoch erreicht - ihr Preis hat sich seit Jahresbeginn beinahe verdreifacht, was alle Aktivitäten verteuert, bei denen fossile Energiequellen eine Rolle spielen. Die enormen Zusatzkosten werden von der Industrie in Form höherer Priese auf die Bürger abgewälzt.
Die Grünen drängen darauf, die Sondersteuer - welche derzeit bei 25 Euro je ausgestoßener Tonne CO2 liegt - rasch in Richtung 100 Euro anzuheben.
Nahrungsmittel verteuerten sich mit 4,5 Prozent ebenfalls stark. Spürbar mehr kosteten insbesondere Speisefette und Speiseöle (+11,9 Prozent) sowie Molkereiprodukte und Eier (+6,4 Prozent). Für Fahrzeuge mussten 7,7 Prozent sowie Möbel und Leuchten 5,3 Prozent mehr hingeblättert werden. Bei Dienstleistungen lag das Plus bei 2,9 Prozent, wobei die Nettokaltmieten um 1,4 Prozent anzogen.
Aus der hohen Inflation ergibt sich für viele Tarifbeschäftigte "ein ungewöhnlich starker Reallohnverlust", wie das Tarifarchiv des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) betonte. Das durchschnittliche Lohnplus dürfte sich in diesem Jahr auf 1,7 Prozent belaufen, während die Preise im Schnitt um 3,1 Prozent (andere Stimmen sprechen sogar von 5,0 Prozent) zulegen sollen. Daraus ergibt sich ein Reallohnminus von 1,4 Prozent. Allerdings werde dieser Kaufkraftverlust durch steuer- und abgabenfreie Corona-Prämien in vielen Branchen abgemildert. Diese lagen zwischen 90 Euro in der Süßwarenindustrie und 1.300 Euro im öffentlichen Dienst der Länder (wobei diese 1.300 Euro erst Anfang 2022 gezahlt werden und nicht tarifwirksam sind).