Bundesregierung und deutsche Wirtschaft reagieren alarmiert auf den chinesisch-litauischen Handelsstreit, der auch deutsche Firmen wie den Autozulieferer Continental betrifft. Der Konzern aus Hannover sei von der Volksrepublik aufgefordert worden, die Verwendung von in dem EU-Land Litauen hergestellten Bauteilen einzustellen, sagten zwei mit der Angelegenheit vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters.
Das Thema sei so heikel, dass es auch am Rande des EU-Gipfels am Donnerstag in Brüssel angesprochen worden sei, erfuhr Reuters von EU-Diplomaten. Kommende Woche soll es nach Informationen aus Regierungskreisen ein Treffen im Wirtschaftsministerium mit Industrievertretern geben. "Langfristig ist die Eskalation auf chinesischer Seite ein verheerendes Eigentor", warnte der BDI.
Hintergrund ist ein sich verschärfender Streit über die Entscheidung des baltischen Staates, Taiwan die Eröffnung einer De-facto-Botschaft zu erlauben. China betrachtet die Insel als Teil der Volksrepublik. Der chinesische Zoll führe Litauen seither nicht mehr in seiner Liste der Ursprungsländer auf, hatte der Präsident des litauischen Industrieverbandes, Vidmantas Janulevicius, Anfang Dezember beklagt. Nun können keine Zollformulare für Ladungen aus Litauen eingereicht werden. Dies ist ein Präzedenzfall zwischen WTO-Ländern, der sich in der ganzen Wertschöpfungskette und damit im EU-Binnenmarkt auswirkt.
China hat bereits seine diplomatischen Beziehungen zu dem baltischen Staat herabgestuft und die konsularischen Dienste dort ausgesetzt, nachdem Mitte November das taiwanesische Vertretungsbüro in Litauen eröffnet worden war. In EU-Kreisen hieß es, dass Litauen Anteil an dem Konflikt habe, weil es sich von der Ein-China-Politik entfernt habe.
Deutschland erkennt nur China an, unterhält aber zu Taiwan unterhalb der diplomatischen Beziehungen Kontakte etwa durch die Taipeh-Vertretung. Deren oberster Vertreter in Deutschland, Jhy-Wey Shieh, sagte zu Reuters, Chinas "aggressiver Versuch", internationale Konzerne unter Druck zu setzen, zeige, dass Peking sich nicht scheue, Zwangsmaßnahmen einzusetzen. "Die freie Welt sollte das mutige Litauen unterstützen und auch für Taiwans Beteiligung in den Vereinten Nationen und seinen Sonderorganisationen eintreten", sagte er.
In Brüssel hieß es, die EU-Kommission könnte die Welthandelsorganisation (WTO) wegen des Streits zwischen China und Litauen einschalten. "Wir prüfen Schritte bei der WTO und eine offizielle Beschwerde bei der WTO", sagte ein Sprecher der Kommission. Es seien auch andere Schritte theoretisch möglich. Die Kommission steht schon seit einiger Zeit in Kontakt mit Vilnius und der EU-Delegation in Peking, um die Situation zu klären.
Das chinesische Außenministerium dementierte unterdessen, Druck auf multinationale Konzerne ausgeübt zu haben, in Litauen hergestellte Produkte nicht zu verwenden. Es kritisierte Litauen aber wegen seiner Haltung zu Taiwan. Chinesische Unternehmen betrachteten Litauen nicht als vertrauenswürdigen Partner.
DRUCK AUF CONTINENTAL
"Continental bekommt drohende Signale, dass Lieferungen aus der litauischen Fabrik nach China nicht mehr erlaubt werden", sagte einer der Insider zu Reuters. Der weltweit drittgrößte Autozulieferer, der in seinem Werk in Kaunas 100 Kilometer westlich der litauischen Hauptstadt Vilnius elektronische Komponenten herstellt, wollte sich mit Verweis auf die politisch angespannte Lage nicht äußern.
In Wirtschaftskreisen hieß es, auch andere Unternehmen hätten wegen Chinas Bann gegen Litauen Schwierigkeiten mit ihren Lieferketten. Bis zu einem Dutzend Firmen vor allem aus dem Automobil- und Landwirtschaftsbereich seien betroffen. Es werde auf allen Kanälen versucht, das Problem zu lösen. "Es finden Gespräche statt, sowohl von Seiten der Politik als auch der Wirtschaft."
China sei offenbar bereit, sich von politisch unliebsamen Partnern ökonomisch zu entkoppeln, erklärte der BDI gegenüber Reuters. "Für den BDI ist klar, dass eine Beschädigung von Wertschöpfungsketten, die den EU-Binnenmarkt ausmachen, nicht tolerierbar ist." Der Fall zeige, dass das Handeln einzelner EU-Staaten nicht zeitgemäß und eine Verständigung auf eine gemeinsame EU-Linie unverzichtbar sei. "Wir sind sehr besorgt, wie rasch sich die Beziehungen der EU und einzelner Länder der EU zu China verschlechtern."