Weltwirtschaft

Eskalation: Chinas Litauen-Boykott betrifft auch deutsche Firmen

Lesezeit: 2 min
17.12.2021 18:10  Aktualisiert: 17.12.2021 18:10
Politik und Wirtschaft sind alarmiert über Chinas Litauen-Boykott. Die EU prüft eine Klage bei der Welthandelsorganisation.
Eskalation: Chinas Litauen-Boykott betrifft auch deutsche Firmen
Litauen hat das mächtige China provoziert, die Folge ist ein Boykott. (Foto: dpa)
Foto: Li Xueren

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Bundesregierung und deutsche Wirtschaft reagieren alarmiert auf den chinesisch-litauischen Handelsstreit, der auch deutsche Firmen wie den Autozulieferer Continental betrifft. Der Konzern aus Hannover sei von der Volksrepublik aufgefordert worden, die Verwendung von in dem EU-Land Litauen hergestellten Bauteilen einzustellen, sagten zwei mit der Angelegenheit vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters.

Das Thema sei so heikel, dass es auch am Rande des EU-Gipfels am Donnerstag in Brüssel angesprochen worden sei, erfuhr Reuters von EU-Diplomaten. Kommende Woche soll es nach Informationen aus Regierungskreisen ein Treffen im Wirtschaftsministerium mit Industrievertretern geben. "Langfristig ist die Eskalation auf chinesischer Seite ein verheerendes Eigentor", warnte der BDI.

Hintergrund ist ein sich verschärfender Streit über die Entscheidung des baltischen Staates, Taiwan die Eröffnung einer De-facto-Botschaft zu erlauben. China betrachtet die Insel als Teil der Volksrepublik. Der chinesische Zoll führe Litauen seither nicht mehr in seiner Liste der Ursprungsländer auf, hatte der Präsident des litauischen Industrieverbandes, Vidmantas Janulevicius, Anfang Dezember beklagt. Nun können keine Zollformulare für Ladungen aus Litauen eingereicht werden. Dies ist ein Präzedenzfall zwischen WTO-Ländern, der sich in der ganzen Wertschöpfungskette und damit im EU-Binnenmarkt auswirkt.

China hat bereits seine diplomatischen Beziehungen zu dem baltischen Staat herabgestuft und die konsularischen Dienste dort ausgesetzt, nachdem Mitte November das taiwanesische Vertretungsbüro in Litauen eröffnet worden war. In EU-Kreisen hieß es, dass Litauen Anteil an dem Konflikt habe, weil es sich von der Ein-China-Politik entfernt habe.

Deutschland erkennt nur China an, unterhält aber zu Taiwan unterhalb der diplomatischen Beziehungen Kontakte etwa durch die Taipeh-Vertretung. Deren oberster Vertreter in Deutschland, Jhy-Wey Shieh, sagte zu Reuters, Chinas "aggressiver Versuch", internationale Konzerne unter Druck zu setzen, zeige, dass Peking sich nicht scheue, Zwangsmaßnahmen einzusetzen. "Die freie Welt sollte das mutige Litauen unterstützen und auch für Taiwans Beteiligung in den Vereinten Nationen und seinen Sonderorganisationen eintreten", sagte er.

In Brüssel hieß es, die EU-Kommission könnte die Welthandelsorganisation (WTO) wegen des Streits zwischen China und Litauen einschalten. "Wir prüfen Schritte bei der WTO und eine offizielle Beschwerde bei der WTO", sagte ein Sprecher der Kommission. Es seien auch andere Schritte theoretisch möglich. Die Kommission steht schon seit einiger Zeit in Kontakt mit Vilnius und der EU-Delegation in Peking, um die Situation zu klären.

Das chinesische Außenministerium dementierte unterdessen, Druck auf multinationale Konzerne ausgeübt zu haben, in Litauen hergestellte Produkte nicht zu verwenden. Es kritisierte Litauen aber wegen seiner Haltung zu Taiwan. Chinesische Unternehmen betrachteten Litauen nicht als vertrauenswürdigen Partner.

DRUCK AUF CONTINENTAL

"Continental bekommt drohende Signale, dass Lieferungen aus der litauischen Fabrik nach China nicht mehr erlaubt werden", sagte einer der Insider zu Reuters. Der weltweit drittgrößte Autozulieferer, der in seinem Werk in Kaunas 100 Kilometer westlich der litauischen Hauptstadt Vilnius elektronische Komponenten herstellt, wollte sich mit Verweis auf die politisch angespannte Lage nicht äußern.

In Wirtschaftskreisen hieß es, auch andere Unternehmen hätten wegen Chinas Bann gegen Litauen Schwierigkeiten mit ihren Lieferketten. Bis zu einem Dutzend Firmen vor allem aus dem Automobil- und Landwirtschaftsbereich seien betroffen. Es werde auf allen Kanälen versucht, das Problem zu lösen. "Es finden Gespräche statt, sowohl von Seiten der Politik als auch der Wirtschaft."

China sei offenbar bereit, sich von politisch unliebsamen Partnern ökonomisch zu entkoppeln, erklärte der BDI gegenüber Reuters. "Für den BDI ist klar, dass eine Beschädigung von Wertschöpfungsketten, die den EU-Binnenmarkt ausmachen, nicht tolerierbar ist." Der Fall zeige, dass das Handeln einzelner EU-Staaten nicht zeitgemäß und eine Verständigung auf eine gemeinsame EU-Linie unverzichtbar sei. "Wir sind sehr besorgt, wie rasch sich die Beziehungen der EU und einzelner Länder der EU zu China verschlechtern."


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Zu Weihnachten Zukunft schenken

Gerade zu Weihnachten wünschen sich viele Menschen, etwas von ihrem Glück zu teilen und sich für diejenigen zu engagieren, die es nicht...

DWN
Finanzen
Finanzen Kindergeld beantragen: Tipps und wichtige Infos für 2025
22.12.2024

Wussten Sie, dass Sie Kindergeld bis zu sechs Monate rückwirkend erhalten können? Dies gilt sowohl für Ihr erstes Kind als auch für...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Märchen vorbei? Steht Deutschlands Automobilindustrie vor dem Aus?
22.12.2024

Volkswagen in der Krise, Mercedes, BMW & Co. unter Druck – und hunderttausende Jobs stehen auf dem Spiel. Wie kann der Kampf um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Credit Suisse-Debakel: Ausschuss sieht Schuld bei Bank
22.12.2024

Die Nervosität an den Finanzmärkten war im Frühjahr 2023 groß - drohte eine internationale Bankenkrise? Für den Schweizer...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Der Volkswagen-Deal: Worauf sich VW und die IG Metall geeinigt haben
22.12.2024

Stellenabbau ja, Werksschließungen nein: Mehr als 70 Stunden lang stritten Volkswagen und die IG Metall um die Sparmaßnahmen des...

DWN
Technologie
Technologie Webasto-Geschäftsführung: „Der Einsatz von KI ist eine strategische Notwendigkeit“
22.12.2024

Angesichts des wachsenden Drucks durch die Transformation hin zur Elektromobilität und steigender Kosten in der Branche sprechen Markus...

DWN
Panorama
Panorama Vollgas in die Hölle: Arzt gab sich als Islamkritiker und Musk-Fan - wirr, widersprüchlich!
21.12.2024

Er galt bei den Behörden nicht als Islamist, präsentierte sich als scharfer Kritiker des Islams. Er kämpfte für Frauenrechte und...

DWN
Panorama
Panorama Magdeburg: Anschlag auf Weihnachtsmarkt - fünf Tote, 200 Verletzte - Verdächtiger ist verwirrter Islam-Gegner
21.12.2024

Einen Tag nach der tödlichen Attacke auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg sitzt der Schock tief. Erste Details zum Tatverdächtigen werden...

DWN
Immobilien
Immobilien Grundsteuer 2025: Alles rund um die Neuerung
21.12.2024

Ab Januar 2025 kommt die neue Grundsteuer in Deutschland zum Einsatz. Viele Hausbesitzer und künftige Käufer sind besorgt. Und das...