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Krypto-Investments: Die stille Rückkehr der Schneeball-Systeme bedroht kleine Firmen

Gerade kleine Unternehmen müssen sich wegen der Pandemie ständig überlegen, wie sie ihre Finanzierung gestalten. Eine bisher kaum genutzte Alternative zur Kapitalbeschaffung ist ein Investment in Kryptowährungen. Doch gibt es ein gefährliches Problem.
23.12.2021 13:39
Aktualisiert: 23.12.2021 13:39
Lesezeit: 4 min
Krypto-Investments: Die stille Rückkehr der Schneeball-Systeme bedroht kleine Firmen
Eine Frau bedient eine App, mit der Kryptowährungen über ein Smartphone gehandelt werden. (Foto: dpa) Foto: Marijan Murat

„Kryptowährungen schließen keine Nutzer aufgrund ihrer Vorgeschichte oder anderen Merkmalen aus“, nennt der Fachdienst „Bitcoin-Generator“ einen wichtigen Vorteil dieser Investments, der gerade für viele kleine Firmen und die 2,3 Millionen deutschen Solo-Selbständigen von besonderer Bedeutung ist, weil sie oft von den Banken keinen Kredit bekommen. „Es gibt weltweit deutlich mehr Menschen, die Zugang zu Internet oder Smartphone haben, als Menschen, die Zugang zum Bankensystem haben“, schreiben die Fachleute.

Doch gibt es da leider ein Problem: Die wachsende Dynamik des Marktes hat auch viele Betrüger angezogen, die den sorglosen Anlegern das Geld aus der Tasche ziehen. Und dieses Verbrechen entwickelt sich jetzt gerade durch die Pandemie besonders stark.

„Viele Leute waren wegen des Lockdowns zuhause. Dabei haben sie mehr Gelegenheit als früher gehabt, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Die Zahl der Cyber-Angriffe ist dadurch gestiegen. Die Betrugsmaschen haben noch effektiver gewirkt als früher, weil die Leute durch die Pandemie häufig vereinsamt sind“, sagt Stefan Embacher den DWN, der CEO und Mitgründer von Insider Risk (IR). Das Unternehmen, das seit einem halben Jahr am Markt agiert, ist seinen Aussagen zufolge der einzige Dienstleister seiner Art im deutschsprachigen Raum. Es hat sich auf die Bekämpfung des Krypto-Betruges spezialisiert.

Zwei Betrugsmaschen spielen eine wichtige Rolle

Hintergrund: Die Opfer müssen derzeit auf zwei besondere Betrugsmethoden achten. So hacken die Verbrecher zum einen die sogenannten Wallets, in denen die Anleger ihre Währungen verwalten. Zum anderen sammeln sie das Geld unter einem falschen Deckmantel ein – beispielsweise über ein sogenanntes Multi-Level-Marketing-System (MLMS). Dabei werden Kunden angehalten, als selbständige Vertriebspartner weitere Kunden anzuwerben. Eigentlich ist ein MLMS im Vertrieb nichts Anrüchiges, doch befindet sich bei kriminellen Krypto-Anbietern dahinter oft ein verstecktes Schnellball-System, das die Renditen nur über die Einzahlungen neuer Anleger finanziert, nicht aber durch seriöse Investments. In der Regel bricht das System dann in den darauffolgenden ein bis zwei Jahren zusammen.

Bei anderen Anlagen ist die Betrugsmaschine schon längst allen ein Begriff – hier im Krypto-Bereich feiert sie nun ein unrühmliches Comeback. Die Verbrecher präsentieren sich beispielsweise auf einer Plattform, die professionell aussieht, als solventes Unternehmen, das eine richtige Vision hat. Sie versprechen, mit den eingezahlten Mitteln mit Bitcoin zu handeln. Dabei betonen sie, dass nur sie damit Geschäfte machen könnten, weil die Materie tatsächlich so komplex sei, dass sie für Laien nur schwer durchschaubar sei. Das hört sich logisch an und lockt deswegen auch viele Interessenten an, die glauben, die Plattform handele für sie mit Bitcoin. Doch in Wirklichkeit versteckt sich dahinter ein kriminelles Schneeball-System.

Der Gesamtschaden, der dadurch entsteht, geht in den dreistelligen Millionen-Euro-Bereich. Allein in Österreich, das als Hotspot für das Krypto-Verbrechen gilt, dürfte die gesamte Schadensumme zwischen 300 und 400 Millionen Euro betragen. Beim Hacking gehören zu den Geschädigten Solo-Selbstständige und andere Einzelpersonen, die von 100.000 bis einer Million Euro verloren haben. Bei den Schneeball-Systemen sind die Schäden wesentlich höher. Da gehen die Summen von 30 bis 80 Millionen Euro. Das können 300 Geschädigte sein, die zwischen 20.000 und anderthalb Millionen Euro investiert haben. Und diesen Opfern versucht, IR zu helfen.

So schaltet das Unternehmen nach einem Hacking einen seiner Anwälte ein, mit denen die Firma ständig zusammenarbeitet, der dann die Rückholung der Gelder organisiert. Hier tritt sie nur als Berater auf. Wenn die Mittel in einem Schneeball-System entwendet worden sind, dann macht IR beispielsweise über die sozialen Netzwerke die Hintermänner ausfindig und tritt direkt mit den Betrügern in Kontakt. Dann kontaktiert das Unternehmen erneut einen Anwalt, um eine außergerichtliche Vereinbarung zu erreichen.

In Österreich und in Deutschland gibt es nur wenige Juristen, die sich darauf spezialisiert haben. Bisher gibt es in beiden Ländern nur sehr gering entwickelte Strukturen, um die Verbrecher zu bekämpfen. Und IR ist einer der wenigen Akteuren, die sich den Kampf dagegen auf die Fahnen geschrieben haben. Wie das Unternehmen technisch arbeitet, erklärt CEO Embacher folgendermaßen:

Wie die Jäger den Verbrechern auf die Schliche kommen

„Jeder hinterlässt Spuren im Netz, auch wenn die meisten glauben, dass sie komplett anonym agieren und Bitcoin-Transaktionen nicht einsehbar sind. Wir arbeiten softwaregestützt mit eine der stärksten Lösungen weltweit im Bereich der Blockchain Technologie, dabei verknüpfen wir die Erkenntnisse, die uns diese Analyse-Software liefert mit den verschiedensten Intelligence-Disziplinen“, nennt der IT-Experte Lösungen für seine Arbeit, die Daten in elektronischer Form sammeln, analysieren und auswerten. „Das Darknet spielt dabei eine große Rolle für uns, neben der Kontaktaufnahme mit den Betrügern selbst, beschaffen, analysieren und werten wir Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen in der digitalen Welt aus wie Facebook, Instagram& oder Telegram. Sie sind ein Segen für die Strafverfolgung in diesem Bereich“, erklärt der Fachmann.

Ein Problem: Die Arbeit der Betrüger ist immer professioneller geworden. Sie nehmen immer mehr Geld bei ihren Vorbereitungen in die Hand, um als seriöser Anbieter wahrgenommen zu werden. Sie schalten ihre Werbung in den sozialen Medien und treten mit sogenannten Social-Engineering-Methoden (SEM) offensiv an ihre künftigen Opfer heran. Dabei spionieren sie in deren Profilen, ihre Hobbys und Vorlieben aus, um noch effizienter zu sein. Beispielsweise schicken die Verbrecher Phishing-Mails, wo die Opfer ausgefordert werden, ihre Passwörter preiszugeben. Auch wenn die Methoden eigentlich fast schon jedem geläufig sind, haben die Betrüger immer mehr Erfolg.

„90 Prozent der Kryptowährungen gehören in die Mülltonne“

„Es wird selbst für Fachleute immer schwieriger, das betrügerische Angebot von seriösen Dienstleistungen zu unterscheiden. Man muss sehr gut informiert sein und sich sehr gut auskennen, um entscheiden zu können, wer hier tatsächlich betrügt“, so Embacher. „Ein wichtiger Anhaltspunkt kann eine extrem hohe Rendite sein, die der Anbieter verspricht – beispielsweise ein Plus von 40 bis 70 Prozent. Das ist viel zu hoch und kann eigentlich gar nicht sein. Da sollte man schon hellhörig werden. Im Prinzip ist es schon merkwürdig, wenn überhaupt Gewinngarantien gemacht werden. Denn niemand ist in der Lage, seriös die Entwicklung der Bitcoin-Preise vorherzusehen. Genauso wenig kann beispielsweise eine TV-Station das Wetter in einem halben Jahr prognostizieren“, macht Embacher klar.

Ein Problem ist extreme Wachstumsdynamik des Marktes: So wurden 2013 lediglich 26 Krypto-Währungen angeboten. Zu diesem Zeitpunkt mussten die Anleger nur die gewöhnlichen Risiken in Kauf nehmen, die es auch für andere Finanzanlagen gibt. Nur vier Jahre später gab es aber schon über 1.000. Und jetzt – im Jahr 2021- werden die Investoren mit über 6.000 Krypto-Währungen damit regelrecht überschwemmt. Dadurch ist der Markt sehr unübersichtlich. Doch das größte Problem ist ein anderes: „90 Prozent davon taugen als Finanzanlage überhaupt nicht, so dass man sie eigentlich in die Mülltonne werfen kann“, sagt Embacher, der folgenden Ausblick gibt:

„Der Markt dürfte sich 2022 entwickeln, weil immer mehr Banken und Sparkassen in das Geschäft einsteigen. Dadurch werden wohl auch die Kurse massiv nach oben gehen. Die Betrüger werden wie die Pilze aus dem Boden schießen. Ganz klar: Je stärker der Markt wächst, desto stärker wächst auch der Nährboden für Verbrecher.“

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