Technologie

Deutsche Wissenschaftler finden neuen Dreh zur Wiederaufbereitung von Reifen

Reifen fachgerecht zu entsorgen, ist außerordentlich wichtig, weil sie extrem giftige Stoffe enthalten, die Mensch und Umwelt gefährden. Deutsche Forscher haben jetzt eine besondere Entdeckung gemacht.
27.12.2021 17:53
Aktualisiert: 27.12.2021 17:53
Lesezeit: 2 min

Deutsche Forscher der Martin-Luther-Universität (MLU) haben einen Weg gefunden, um Autoreifen wiederaufzubereiten, die aus künstlichem Gummi bestehen. Wie der Fachdienst „Green Chemistry” berichtet, war dies bisher nur bei Rädern möglich, die aus Naturkautschuk produziert worden sind. Es geht insbesondere darum, den Stoff Polyisopren abzubauen, der Hauptbestandteil in vielen Gummisorten ist. Die Wissenschaftler setzen hierfür das spezielle Enzym LCPK30 ein, das für Abbau geeignet ist, wie aus der Studie der MLU hervorgeht.

„Wir sind die ersten, denen es gelungen ist, das Polyisopren in eine Darreichungsform zu bringen, mit der das Enzym auch arbeiten kann“, sagt Professor Wolfgang Binder vom Lehrstuhl für makromolekulare Chemie. Dabei haben sich die Forschenden von der Natur inspirieren lassen: „Unsere Vermutung war, dass synthetisches Polyisopren in einer Emulsion vorliegen sollte, damit das Enzym richtig arbeiten kann“, fügte der Chemiker Vico Adjedje hinzu.

Eine Emulsion ist beispielsweise Milch, die zum Großteil aus Wasser und Fett besteht. Letzteres bildet wenige Mikrometer große Kügelchen und seine feine Verteilung im Wasser sorgt auch dafür, dass Milch trüb ist. Genauso wie Fett ist Polyisopren in Wasser quasi unlöslich. Die Natur schafft es dennoch, es gleichmäßig im Wasser zu verteilen: als milchig-weißer Latexsaft, der auf Gummiplantagen geerntet und zu Naturkautschuk weiterverarbeitet wird. Mit Hilfe eines speziellen Lösemittels gelang es den Forschenden, auch synthetisch hergestelltes Polyisopren gleichmäßig in Wasser zu verteilen, während das Enzym über die Reaktionszeit intakt blieb und die langen Molekülketten des Polyisoprens in deutlich kleinere Teile zerlegte.

Hintergrund: Grundsätzlich ist die Entsorgung von Auto-Reifen eine besonders wichtige Aufgabe, weil die in ihnen enthaltenen Stoffen sehr giftig sind und eine potenzielle Gefahr für Mensch und Umwelt darstellen. Bei den 48 Millionen zugelassenen PKW in Deutschland kommt eine Menge Abfall zustande. Wie der ADAC berichtet, dass von den insgesamt 192 Millionen Reifen jährlich 50 Millionen ausgetauscht ausgetauscht. Die Folge: Pro Jahr werden bei uns etwa 600.000 Tonnen Altreifen in Abfallentsorgungsanlagen angeliefert. Europaweit summiert sich der „Reifenmüll” auf etwa 3,4 Millionen Tonnen – ein riesiger Berg also.

Weitere Ziele der Forscher

Umso wichtiger, dass sich die Wissenschaftler von der MLU noch weitere Gedanken machen, wie sie weiter forschen wollen: Das Ziel der Forschenden ist es, künftig auch andere ähnliche Stoffe aus Autoreifen abbauen zu können. „Bis zum fertigen Reifen passiert einiges mit dem Ausgangsmaterial: die Molekülketten werden chemisch quervernetzt, um die mechanischen Eigenschaften zu verändern. Weichmacher und Antioxidationsmittel kommen hinzu. Vor allem Letztere sind ein Problem für das Enzym, weil sie seine Struktur angreifen“, sagt Adjedje. Die Ergebnisse geben auch wichtige Anstöße in Richtung Kreislaufwirtschaft.

„Wir könnten die Abbauprodukte weiterverarbeiten zu Feinchemikalien und Duftstoffen - oder wieder neue Kunststoffe herstellen“, erklärt Binder. Die Forschenden haben LCPK30 so verwendet, wie es in der Natur vorkommt. Die Arbeitsgruppe arbeitet nun daran, das Enzym so zu optimieren, dass es unempfindlicher gegen Lösemittel wird und weitere Reaktionen auslöst.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Trumps US-Sicherheitsstrategie und die Folgen für Europa
05.12.2025

Donald Trumps neue US-Sicherheitsstrategie rückt Europa ins Zentrum – allerdings als Risiko. Das 33-seitige Papier attackiert...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Kurs schließt über 24.000 Punkten: Erholung geht am Freitag weiter
05.12.2025

Der deutsche Aktienmarkt legt zum Wochenschluss spürbar zu und der Dax überschreitet eine wichtige Schwelle. Doch der Blick richtet sich...

DWN
Politik
Politik Putin in Indien: Strategische Unabhängigkeit in der neuen Weltordnung
05.12.2025

Indien empfängt den russischen Präsidenten mit allen protokollarischen Ehren und stellt damit gängige westliche Erwartungen an globale...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Handwerkskunst aus Deutschland: Pariser Luxus-Modehäuser vertrauen auf die Stickerei Müller
05.12.2025

Die Stickerei Müller aus Franken fertigt für große Modehäuser wie Balenciaga und Yves Saint Laurent. Auf schwierige Jahre nach der...

DWN
Politik
Politik Rentenpaket im Bundestag: Folgen für Rentner und Beitragszahler
05.12.2025

Der Bundestag hat das Rentenpaket mit knapper, aber eigener Mehrheit durchgesetzt und eine Koalitionskrise verhindert. Doch hinter den...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Auftragseingang in der deutschen Industrie steigt unerwartet kräftig
05.12.2025

Unerwartet starke Impulse aus der deutschen Industrie: Die Bestellungen im Verarbeitenden Gewerbe ziehen an und übertreffen Prognosen...

DWN
Finanzen
Finanzen Rheinmetall-Aktie stabil: Analystenkommentar von Bank of America bewegt Rüstungsaktien
05.12.2025

Am Freitag geraten deutsche Rüstungsaktien in Bewegung: Ein US-Großbank-Analyst sortiert seine Favoriten neu. Welche Titel profitieren,...

DWN
Politik
Politik Neuer Wehrdienst: So soll das Modell ab 2026 greifen
05.12.2025

Ab 1. Januar soll der neue Wehrdienst starten: mit Pflicht-Musterung, frischer Wehrerfassung und ehrgeizigen Truppenzielen. Die Regierung...