Weltwirtschaft

Öl-Nachfrage steigt immer weiter: Chance für Privatinvestoren?

Lesezeit: 4 min
25.01.2022 10:24  Aktualisiert: 25.01.2022 10:24
Nachdem die Ölkonzerne im Frühjahr 2020 Abnehmern sogar noch Geld dazu gaben, steigen die Preise jetzt wieder enorm an. Der Grund: Der Ölbedarf wächst stark, während das Angebot zunehmend nicht mehr ausreicht. Analysten halten Ölpreise von über 100 Dollar noch in diesem Jahr für nicht unwahrscheinlich.
Öl-Nachfrage steigt immer weiter: Chance für Privatinvestoren?
Die Sonne geht am Horizont an der britischen Ostküste hinter einer Ölplattform auf. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die sich nach dem Pandemie-Einbruch erholende Weltwirtschaft hat zu einem kräftigen Wiederanstieg der Öl-Nachfrage geführt und damit einige Prognosen widerlegt, die zu Beginn der Coronakrise im Jahr 2020 davon ausgingen, dass die Welt den Höhepunkt der Ölnachfrage bereits erreicht habe.

Im chaotischen Frühjahr 2020 war der Ölpreis zwischenzeitlich sogar ins Negative gerutscht, weil ein riesiges Angebot auf eine drastisch gesunkene Nachfrage traf und es nur begrenzte Lager-Kapazitäten gab - die Ölfirmen verschenkten ihr Öl nicht nur, sie gaben Abnehmern sogar noch Geld dazu. Genauso schnell wie der Einbruch, kam dann die Erholung des Ölpreises. Derzeit notiert Öl bei rund 85 Dollar je Barrel (1 Barrel = 159 Liter) und damit deutlich höher als vor der Pandemie.

Aktuell sieht es so aus, als würde der Bedarf nach dem schwarzen Gold in wenigen Monaten das Vorpandemie-Niveau erreichen und auch in den kommenden Jahren weiter steigen. Nach Ansicht von Experten ist in naher Zukunft kein Zenit der Ölnachfrage zu erwarten. Alleine 2022 rechnen Analysten mit einem Anstieg der globalen Ölnachfrage von derzeit rund 96,4 Millionen Barrel auf 99,6 Millionen Barrel pro Tag - das heißt, die Nachfrage steigt, und sie könnte in den kommenden Jahren noch weiter steigen.

Der politisch angeschobene sogenannte ESG-Trend (der Trend, nur noch in Unternehmen zu investieren, die bestimmte soziale und ökologische Faktoren berücksichtigen) macht für die Ölfirmen langfristige Investitionen in Öl- und Gasförderungsanlagen zunehmend unattraktiv und vor allem unsicher, wodurch die Fördermengen perspektivisch unter Druck kommen. Die globalen Lagermengen sind aktuell niedrig. Das Angebot käme der robusten Nachfrage nicht hinterher – so der Tenor an den Märkten. Einige Analysten halten es im aktuellen inflationären Umfeld deshalb für möglich, dass der Ölpreis noch in diesem Jahr die seit 2014 nicht mehr erreichte Marke von 100 Dollar knacken wird. Rohstoff-Analysten der Großbank [J.P.Morgan] erwarten gar, dass die Preise in diesem Jahr auf 125 und im nächsten Jahr auf 150 Dollar überschießen werden.

Für die Weltwirtschaft hätte das eher negative Konsequenzen, weil die Energiekosten der Industrie-Unternehmen in die Höhe schnellen würden. Dass die Staaten nun sogar im investiven Bereich umweltpolitische Vorschriften machen und dadurch in die natürliche Ressourcen-Verteilung der Märkte eingreifen, richtet (wie bei den meisten von Bürokraten erteilten regulatorischen Vorgaben) mehr Schaden als Nutzen an.

Investoren und OPEC sehen keinen „Peak Oil Demand“ in naher Zukunft

Ölinvestoren haben derweil ihre Erwartungen in Bezug auf den Höhepunkt der globalen Ölnachfrage in den letzten zwei Jahren deutlich korrigiert, wie Oilprice.com berichtet. Vor zweieinhalb Jahren sagte noch ein Fünftel der befragten Investoren, dass die Ölnachfrage im Februar 2021 ihren Zenit erreichen würde. Bei der jüngsten im November 2021 von "Bloomberg Intelligence" durchgeführten Umfrage schätzten nur zwei Prozent der Ölinvestoren, dass der Höhepunkt der Ölnachfrage bis 2025 erreicht sein wird, und weniger als 40 Prozent sehen diesen Höhepunkt vor 2030. Ein Drittel der Anleger geht indes davon aus, dass der „Peak Oil Demand“ erst irgendwann zwischen 2030 und 2035 erreicht wird.

Mitte der 2030er-Jahre ist auch der derzeitige Zeitplan der OPEC-Länder für die Spitze der Ölnachfrage. Das Ölkartell geht im „World Oil Outlook 2021“ davon aus, dass die globale Ölnachfrage kurz- und mittelfristig stark ansteigen wird, bis dann Mitte der 2030er Jahre bei täglichen 108 Millionen Barrel ein Höchstwert erreicht ist. Auf einem etwas niedrigeren Niveau soll sich die Nachfrage bis 2045 stabilisieren und erst dann deutlich sinken.

In einem ähnlichen Zeitfenster prognostiziert die „China National Petrolium Company“ den Zenit der chinesischen Ölnachfrage. China ist nach den USA der größte Öl-Konsument der Welt.

Trotz der langfristig erwarteten Abflachung der Nachfrage wird Öl bis 2045 weiterhin der Brennstoff mit dem größten Anteil am globalen Energiemix sein und zu diesem Zeitpunkt immer noch 28 Prozent der Energie-Nachfrage decken, sagte OPEC-Generalsekretär Mohammad Barkindo jüngst. Barkindo betonte die Notwendigkeit von Investitionen in die Ölversorgung, um diesen Verbrauch zu decken. Andernfalls bestehe ein erhöhtes Risiko explosiver Preisanstiegen und Versorgungs-Engpässen bei Erdöl.

Elektrifizierung des Straßenverkehrs ist noch ganz am Anfang

Die stärkste Delle in der Ölnachfrage dürfte von Elektrofahrzeugen ausgehen, die in einigen Ländern bereits den Ölbedarf für den Straßenverkehr senken. Es wird allerdings noch viele Jahre dauern, bis sich weltweit gesehen die Kraftstoffnachfrage im Straßenverkehr durch die Elektrifizierung signifikant verringert. In den meisten Entwicklungs- und Schwellenländern spielen E-Autos gegenüber Verbrennern kaum eine Rolle. Die Schätzungen von einigen Analysten, dass die Ölnachfrage im Straßenverkehr noch vor 2030 ihren Zenit erreichen und danach stetig abnehmen wird, kann man durchaus in Frage stellen. Außerdem könnte eine geringere Ölnachfrage in der Mobilität durch eine steigende Ölnachfrage in der petrochemischen Industrie zumindest teilweise kompensiert werden.

Gerne wird zudem übersehen, dass es zwei starke Makro-Faktoren gibt, die für einen langfristig steigenden Bedarf an Öl (und anderen fossilen Brennstoffen) führen könnten: Erstens der erwartete Anstieg der Weltbevölkerung von derzeit knapp 8 Milliarden auf 9,7 Milliarden bis 2050 und zweitens das prognostizierte Wachstum der Weltwirtschaft von derzeit rund 91 Billionen Dollar auf 245 Billionen Dollar bis 2050. Ein großer Teil dieses Anstiegs wird auf die Schwellen- und Entwicklungsländer entfallen, die momentan in Sachen E-Mobilität und grüner Energie sehr zurückhaltend agieren.

Ein Zenit der Ölnachfrage wird nur durch langfristige strukturelle Veränderungen kommen, vor allem im Straßenverkehr, und das braucht Zeit. Es gibt Anzeichen dafür, dass der Anstieg der Verkäufe von Elektrofahrzeugen in Europa die Nachfrage nach Kraftstoffen für den Straßenverkehr zu senken beginnt, aber der Großteil der Welt ist noch nicht so weit. Je mehr die Auswirkungen der Pandemie abklingen, desto deutlicher wird das wahrscheinlich werden“, schrieb Ed Crooks vom Beratungs-Unternehmen "Wood Mackenzie" im Oktober 2021.


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Neue Sanktionen gegen Russland? EU-Staaten arbeiten an neuem Paket
28.11.2024

In der EU wird wegen des anhaltenden russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ein 15. Sanktionspaket vorbereitet. Offenbar diskutierten...

DWN
Technologie
Technologie Wasserstoff-Produktion in Offshore-Windpark geplant
28.11.2024

Im Sommer haben Greenpeace-Aktivisten bei Borkum noch kräftig gegen Gasförderung demonstriert. Jetzt soll nahe der nordfriesischen Insel...

DWN
Panorama
Panorama Butter-Preisentwicklung: Teuer und noch teurer! Vier Gründe für den brutalen Butter-Preisanstieg
28.11.2024

Vier Euro für ein Päckchen Butter? Könnte bald schon Realität sein. Neulich erst wurde der deutsche Butter-Preisrekord geknackt mit...

DWN
Politik
Politik Streit um Fliegerhorst Holzdorf in Brandenburg: Wie das BSW zur Gefahr für die deutsche Sicherheit wird
27.11.2024

Als Sahra Wagenknecht nach den Landtagswahlen im Osten damit anfing, bundespolitische Sicherheitsthemen in den Mittelpunkt ihrer...

DWN
Finanzen
Finanzen Teure Ampel-Geschenke: 2025 – das Jahr, in dem Sie von Vater Staat geschröpft werden
27.11.2024

Die Konsumstimmung ist nicht die Beste in Deutschland: Der Gabentisch wird auch dieses Weihnachten bei Vielen eher mau aussehen. Vater...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Krise in der Autoindustrie: Einer der größten Arbeitgeber in Lüdenscheid meldet Insolvenz an
27.11.2024

Die Hiobsbotschaften aus der heimischen Industrie reißen nicht ab. Jetzt meldete die Gerhardi Kunststofftechnik GmbH aus Lüdenscheid...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Kurs: Nach Kurskorrektur wieder Richtung 100.000 Dollar
27.11.2024

Zur Wochenmitte zeigt sich der Bitcoin-Kurs wieder stabiler und konnte sich etwas von den jüngsten Verlusten erholen. Auf der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Abwanderung Mittelstand: Trump und Ampel-Aus - für manche deutsche Firma ein Segen
27.11.2024

Die Abwanderung deutscher Arbeitsplätze ins Ausland ist im vollen Gange: Für viele deutsche Mittelstandsunternehmen ist die USA bereits...