Deutschland

Abgeordnete legen Pläne zur allgemeinen Impfpflicht vor

Abgeordnete haben Pläne skizziert, wie die allgemeine Corona-Impfpflicht in Deutschland aussehen soll. Doch nach wie vor gibt es Skeptiker, darunter der Virologe Klaus Stöhr.
05.02.2022 10:03
Aktualisiert: 05.02.2022 10:03
Lesezeit: 2 min
Abgeordnete legen Pläne zur allgemeinen Impfpflicht vor
Abgeordnete haben konkrete Pläne für eine allgemeine Impfpflicht in Deutschland vorgelegt. (Foto: dpa) Foto: Kay Nietfeld

Politiker und Gesundheitsexperten diskutieren weiter kontrovers über eine allgemeine Corona-Impfpflicht in Deutschland. Der Virologe Klaus Stöhr hält so eine Impfpflicht gegenwärtig «nicht für zielführend».

Dagegen sprach sich der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebunds, Frank Ulrich Montgomery, für eine Impfpflicht aus. «Mir scheint der Antrag für eine allgemeine Impfpflicht ab 18 auf zwei Jahre befristet der Vernünftigste zu sein», sagte er der Rheinischen Post. Unklar seien ihm noch die Sanktionen für dann immer noch Ungeimpfte. «Zwangsimpfungen wird es nicht geben – dazu stehen Ärztinnen und Ärzte nicht zur Verfügung. Deswegen kommt es auch hier auf die handwerkliche Qualität des Gesetzes an», sagte Montgomery.

Mehrere Abgeordnete von SPD, Grünen und FDP schlagen in einem Eckpunktepapier vor, dass eine Impfpflicht für alle Erwachsenen ab 18 «mit dauerhaftem Aufenthalt in Deutschland» gelten soll. Sie wäre mit drei Impfungen erfüllt und befristet bis Ende nächsten Jahres. Wer keinen Nachweis erbringt, dem sollen den Plänen zufolge Bußgelder drohen, zur Not auch mehrfach.

Auf sogenannte Erzwingungshaft solle verzichtet werden. Über die mögliche Einführung einer Impfpflicht wird voraussichtlich im März im Bundestag abgestimmt. Die Abgeordneten sollen ohne Fraktionszwang ihre Stimme abgeben und können sich parteiübergreifenden Gruppenanträgen anschließen.

In einem anderen Antrag sprechen sich Parlamentarier um den FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann für einen Mittelweg aus - sie befürworten ein verpflichtendes professionelles und persönliches Beratungsgespräch für alle volljährigen Ungeimpften. Sollte damit nach gewisser Zeit die nötige Impfquote nicht erreicht werden, könnte eine Pflicht ab 50 greifen. Eine Gruppe um FDP-Vize Wolfgang Kubicki will dagegen eine Impfpflicht generell verhindern. Auch die AfD hat einen Antrag gegen eine Impfpflicht vorgelegt.

Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sagte der «Rheinischen Post» (Samstag): Wenn eine Impfpflicht, dann für alle Erwachsenen, nicht nur für die Älteren.» Eine Impfpflicht sei aber nur dann vernünftig, wenn sie auch vernünftig umgesetzt werden könne. «Vorher muss unbedingt geklärt werden, wie die Impfpflicht kontrolliert werden soll.»

Der Virologe Stöhr sagte der «Fuldaer Zeitung» (Samstag), generell könne eine Impfpflicht ein gutes Mittel sein, um Impfquoten zu erhöhen. «Aber sie ist nicht alternativlos», meinte er. «Dazu kommt, dass sie auch nicht ohne Nebenwirkungen ist.» Stöhr riet, mehr Soziologen und Psychologen einzubinden, um mit einem besseren Wissen über die Impfskeptiker zielgerichtet Impfangebote machen zu können.

Viele Menschen, die sich nicht impfen ließen, seien eher Impfskeptiker als Impfgegner, meinte Stöhr. «Wenn man weiß, um welche Bevölkerungsschichten es sich da handelt, kann man diese gezielt ansprechen.» Er gab auch zu bedenken, dass eine Impfpflicht nicht vor dem Winterende greifen würde. «Sie käme damit für diese Saison zu spät. Mit der Omikron-Welle werden unter Umständen 40 bis 50 Prozent eine natürliche Immunität erlangen.»

Montgomery übte unterdessen scharfe Kritik am bereits beschlossenen Gesetz zur Einführung einer einrichtungsbezogenen Corona-Impfpflicht. «Wie kann man ein solches Gesetz machen und sich dann nicht um die Möglichkeit einer sinnvollen Anwendung und Durchführung kümmern? Die handwerkliche Qualität der Gesetzgebung dieser Regierung ist hier mangelhaft», sagte er der Rheinischen Post.

Beschäftigte in Einrichtungen mit schutzbedürftigen Menschen wie Kliniken und Pflegeheime müssen bis zum 15. März 2022 nachweisen, dass sie gegen Corona geimpft oder von Corona genesen sind. Gesundheitsämter hatten erklärt, sich mit der Kontrolle der einrichtungsbezogenen Impfpflicht überfordert zu sehen.

Der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) teilte mit, er unterstütze zwar die einrichtungsbezogene Impfpflicht, verwies aber auf die Belastung der Gesundheitsämter. Diese gingen davon aus, dass im Durchschnitt bis zu 10 Prozent der Beschäftigten keinen eindeutigen Impf- oder Genesenennachweis vorlegen könnten und deshalb an das Gesundheitsamt gemeldet würden. Der Gesetzgeber sei gefordert, für die Umsetzung der Impfpflicht die Zuständigkeiten, Verfahrensabläufe und Bewertungen zu klären und einheitlich für die Länder und Kommunen zu regeln.

Das Robert Koch-Institut (RKI) hat derweil einen weiteren Anstieg der bundesweiten Sieben-Tage-Inzidenz gemeldet und damit erneut einen Höchstwert. Das RKI gab den Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche am Samstagmorgen mit 1388,0 an. Zum Vergleich: Am Vortag hatte der Wert bei 1349,5 gelegen. Vor einer Woche lag die bundesweite Inzidenz bei 1127,7 (Vormonat: 258,6). Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI binnen eines Tages 217 815 Corona-Neuinfektionen. Das geht aus Zahlen hervor, die den Stand des RKI-Dashboards von 04.57 Uhr wiedergeben. Vor einer Woche waren es 189 166 Ansteckungen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Wöchentliche Höchstarbeitszeit geplant: Schub für die Wirtschaft oder kontraproduktiv?
04.06.2025

Steht der 8-Stunden-Arbeitstag auf der Kippe? Die Bundesregierung will statt einer täglichen Höchstarbeitszeit eine wöchentliche...

DWN
Politik
Politik Trump zündet den Handelskrieg – doch Europa hat das bessere Spiel
03.06.2025

Donald Trump droht mit Strafzöllen, doch Europas Antwort steht längst: Mit stabilen Finanzen und strategischem Kurs könnte die EU zum...

DWN
Politik
Politik Vergessener Kontinent: Afrikas Fluchtkrisen- Milliarden fehlen für humanitäre Hilfe
03.06.2025

Fluchtkrisen in Afrika schneiden bei medialer Aufmerksamkeit, Hilfsgeldern und politischem Engagement besonders schlecht ab. Kamerun ist...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell: Rücksetzer nach Kurssprung – was Anleger jetzt wissen müssen
03.06.2025

Der Goldpreis ist auf Richtungssuche – trotz Krisen und Zinssorgen. Was steckt hinter der aktuellen Entwicklung, und wie sollten Anleger...

DWN
Politik
Politik Krim-Brücke: Ukrainischer Geheimdienst SBU meldet Angriff auf Kertsch-Brücke
03.06.2025

Die Krim-Brücke ist erneut Ziel eines spektakulären Angriffs geworden. Doch wie schwer sind die Schäden wirklich – und was bedeutet...

DWN
Politik
Politik Ehemalige US-Generäle zur Operation der Ukraine in Russland: Militärische Leistung, die dem Trojanischen Pferd gleichkommt
03.06.2025

Mitten in die Verhandlungen trifft Russland ein Schlag, der tief sitzt: Eine ukrainische Drohnenoffensive zerstört rund 40 strategische...

DWN
Politik
Politik Brüssels Pensionsflop: Milliardenvision scheitert kläglich
03.06.2025

Mit großem Tamtam gestartet, nun ein Desaster: Der EU-weite Rentenplan PEPP sollte Milliarden mobilisieren – doch kaum jemand macht mit....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ungenutztes Potenzial auf dem Arbeitsmarkt: Rekordteilzeit in Deutschland
03.06.2025

Teilzeit-Weltmeister Deutschland hat noch einmal nachgelegt: Die Teilzeit-Quote stieg im ersten Quartal auf einen neuen Rekord. Wie viele...