Deutschland

Plus 25 Prozent: Erzeugerpreise steigen wie nie zuvor

Die Preise der deutschen Hersteller sind binnen Jahresfrist so stark angestiegen wie noch nie. Ein Produkt ist jetzt sogar mehr als doppelt so teuer.
21.02.2022 08:34
Aktualisiert: 21.02.2022 08:34
Lesezeit: 2 min

Erdgas, Nahrungsmittel, Maschinen: Die deutschen Hersteller haben ihre Preise im Dezember so stark angehoben wie noch nie. Die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte stiegen überraschend um durchschnittlich 25,0 Prozent. "Dies war der stärkste Anstieg gegenüber dem Vorjahresmonat seit Beginn der Erhebung 1949", teilte das Statistische Bundesamt am Montag mit.

Von Reuters befragte Ökonomen waren davon ausgegangen, dass der Wert auf dem Dezember-Niveau von 24,2 Prozent verharrt. Nicht nur Energieprodukte, sondern auch viele andere Güter kosteten deutlich mehr als noch vor einem Jahr - von Kaffee bis hin zu Autos.

Diese Entwicklung deutet darauf hin, dass sich die Verbraucher auf anhaltend hohe Preissteigerungen einstellen müssen. "Es ist anzunehmen, dass der Handel mindestens einen Teil davon an die Endverbraucher weitergeben wird", sagte Ökonom Jens-Oliver Niklasch von der LBBW. "Die Frage ist, wie groß dieser Teil sein wird." Denn die Produzentenpreise gelten als ein Vorläufer für die Entwicklung der Inflation.

In der Statistik werden die Preise ab Fabriktor geführt - noch bevor die Produkte weiterverarbeitet werden oder in den Handel kommen. Sie können damit einen frühen Hinweis auf die künftige Entwicklung der Verbraucherpreise geben.

DRUCK AUF DIE EZB

"Der Druck in der Inflationspipeline bleibt hoch", sagte deshalb Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen. "Wir gehen davon aus, dass die Teuerungsrate in Deutschland sich bis in den Herbst um die fünf Prozent bewegen wird." Damit halte der Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB) an, ihre ultra-expansive Geldpolitik zumindest etwas zu normalisieren. Das Ifo-Institut rechnet mit einer durchschnittlichen Inflationsrate von vier Prozent im laufenden Jahr - es wäre die höchste seit 1993 und noch einmal deutlich mehr als 2021 mit 3,1 Prozent.

Hauptverantwortlich für die hohen Erzeugerpreise war den Statistikern zufolge abermals Energie. Sie verteuerte sich zu Jahresbeginn um durchschnittlich 66,7 Prozent. Erdgas kostete 119 Prozent mehr als im Januar 2021, elektrischer Strom zwei Drittel und leichtes Heizöl 55,6 Prozent mehr. Klammert man Energie aus, lagen die Erzeugerpreise insgesamt um 12,0 Prozent über dem Vorjahreswert.

Bei Nahrungsmitteln lag der Aufschlag bei 8,4 Prozent. Besonders stark stiegen die Preise für nicht behandelte pflanzliche Öle (+58,5 Prozent), Butter (61,1 Prozent) und Kaffee (14,7 Prozent). Vorleistungsgüter kosteten gut ein Fünftel mehr als vor einem Jahr. Metalle verteuerten sich hier um 36,9 Prozent.

Dabei kletterten die Preise für Roheisen, Stahl und Ferrolegierungen mit 51,5 Prozent besonders kräftig. Für Investitionsgüter wurden 5,3 Prozent mehr verlangt. "Eine so hohe Veränderung im Vorjahresvergleich hatte es letztmalig im Dezember 1982 gegeben", so die Statistiker. Maschinen kosteten dabei 6,0 Prozent mehr, Kraftwagen und Kraftwagenteilen 3,8 Prozent mehr.

Die starke Teuerung kann Experten zufolge die Konjunkturerholung dämpfen. "Es gibt zwar einige kleinere Anzeichen für einen Ausbau der Produktionskapazitäten, aber eine Kombination aus Engpässen in der Lieferkette und steigenden Energiekosten treibt die Verkaufspreise weiter in die Höhe", sagte Thomas Rinn vom Beratungsunternehmen Accenture. "Das führt zu erheblichen Rückständen, was alles die wirtschaftliche Erholung behindert."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kernenergie-Aktien explodieren um 542 Prozent: Anleger warnen vor Blasenbildung
01.07.2025

Kernenergie-Aktien feiern ein spektakuläres Comeback – befeuert durch den steigenden Strombedarf für Rechenzentren. Die Branche erlebt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Svenska Digitaltolk: Dolmetscher-Gigant kauft KI-Unternehmen – Millionenumsatz prognostiziert
01.07.2025

Schwedens Dolmetscher-Gigant will Europas Übersetzungsmarkt aufrollen – mit KI, Millionenplänen und dem Griff nach Deutschland. Doch...

DWN
Politik
Politik Grenze zu – zumindest teilweise: Polen kontrolliert ab Montag
01.07.2025

Polen wird ab kommendem Montag vorübergehend wieder Grenzkontrollen an der Grenze zu Deutschland einführen. Das kündigte...

DWN
Politik
Politik Krankenkassen schlagen Alarm: Zusatzbeiträge könnten deutlich steigen
01.07.2025

Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) warnen vor Druck zu neuen Beitragserhöhungen ohne eine rasche Bremse für steigende Kosten....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Thyssenkrupp-Umbau betrifft Tausende – Betriebsräte fordern Klarheit
01.07.2025

Angesichts weitreichender Umbaupläne bei Thyssenkrupp fordern die Beschäftigten klare Zusagen zur Zukunftssicherung. Betriebsräte pochen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Werk für NATO-Kampfjet: Rheinmetall startet Produktion in NRW
01.07.2025

Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat in Weeze (Nordrhein-Westfalen) eine hochmoderne Fertigungsanlage für Bauteile des Tarnkappenbombers...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Investitionsstau: Kaputte Straßen, marode Schulen – Kommunen am Limit
01.07.2025

Viele Städte und Gemeinden stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand: Allein die Instandhaltung von Straßen, Schulen und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Alt gegen Jung: Wie die Generation Z das Arbeitsleben umkrempelt – und was zu tun ist
01.07.2025

Alt gegen Jung – und keiner will nachgeben? Die Generationen Z und Babyboomer prallen aufeinander. Doch hinter den Vorurteilen liegen...