Wirtschaft

Gegen Nord Stream 2: Von der Leyen spricht mit anderen Anbietern

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Zweifel an der Inbetriebnahme von Nord Stream 2 gesät. Stattdessen sollen andere Anbieter Europa versorgen.
21.02.2022 08:46
Aktualisiert: 21.02.2022 08:46
Lesezeit: 2 min
Gegen Nord Stream 2: Von der Leyen spricht mit anderen Anbietern
Ursula von der Leyen überreicht am Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz den Ewald-von-Kleist-Preis 2022 an Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. (Foto: dpa) Foto: Sven Hoppe

"Ich halte uns in Europa für jetzt schon zu erpressbar, angesichts der Tatsache, dass 40 Prozent des Gases, das eingeführt wird, importiert wird nach Europa, russisches Gas ist", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Anne Will". Gazprom habe in den vergangenen Wochen "immer am untersten Rand die Verträge erfüllt". Die Lager seien auf dem tiefsten Stand seit zehn Jahren. "Das ist schon ein erstaunliches Verhalten."

Da stelle sich die Frage, was es für die Versorgungssicherheit Europas bedeuten würde, wenn Nord Stream 2 in Betrieb genommen würde, sagte von der Leyen. "Das würde bedeuten, dass die Versorgung durch die Ukraine nicht mehr unbedingt nötig ist." Als Konsequenz gäbe es eine "starke Zentrierung und Abhängigkeit von russischem Gas ausschließlich über Nord Stream 2 und Nord Stream 1".

Aber der Prozess zur Zulassung von Nord Stream 2 sei sehr klar, die Bundesnetzagentur müsse Fragen beantworten, deren Antworten dann der EU-Kommission vorgelegt würden. "Wir werden uns das anschauen", sagte von der Leyen.

Aber: Zehn Prozent der gesamten Energieversorgung in Europa komme aus Russland, betonte die CDU-Politikerin. Sie habe in den vergangenen Wochen deshalb intensiv mit anderen Anbietern gesprochen, um die Versorgung zu diversifizieren. So seien im Januar 120 Schiffe mit Flüssiggas in Europa angelandet.

Damit sei Europa in der Lage zu sagen, "sollte in einem Konflikt Russland die Gaslieferungen einschränken oder ganz beenden, so sind wir heute in der Lage, bis zum Ende des Winters auf der sicheren Seite zu sein". Langfristig müsse sich Europa aber anders aufstellen. Die Netze böten sich genauso an etwa für grünen Wasserstoff. Das heiße für sie, "raus aus der Abhängigkeit von russischem Gas und rein in die Produktion von grünem Wasserstoff und erneuerbaren Energien."

Von der Leyen droht - Russland wird von Finanzmärkten abgeschnitten

Von der Leyen hat die gegen Russland drohenden Sanktionen des Westens im Fall eines Angriffs auf die Ukraine konkretisiert und erneut vor massiven Konsequenzen für die Wirtschaft des Landes gewarnt. Die von EU und USA geplanten Finanzsanktionen seien darauf abgerichtet, dass

"Russland im Prinzip abgeschnitten wird von den internationalen Finanzmärkten", sagte von der Leyen am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Anne Will". Wirtschaftlich richteten sich alle Sanktionen gegen "die Güter, die Russland dringend braucht, um seine Wirtschaft zu modernisieren und zu diversifizieren, die aber von uns hergestellt werden, wo wir globale Dominanz haben, und die Russland nicht ersetzen kann".

Von der Leyen sprach sich aber dagegen aus, die Sanktionen bereits jetzt zu verhängen, wie von der Ukraine angesichts der jüngsten Eskalation gefordert.

"Der Schritt der Sanktionen ist so gewaltig, so massiv und so folgenträchtig für Russland, dass wir auch wissen, dass wir immer wieder noch Russland eine Chance geben, den Weg zurück zur Diplomatie und zum Verhandlungstisch zu finden", sagte die CDU-Politikerin. "Und dieses Fenster der Chance ist jetzt noch geöffnet." Die Entscheidung liege jetzt ganz alleine bei Präsident Wladimir Putin, und sie gehe davon aus, dass Russland "sehr wohl hinhört, was wir sagen".

Russland habe eine klare Schwachstelle, und das sei die Wirtschaft, "die im Prinzip fast ausschließlich ausgerichtet ist auf die alten fossilen Brennstoffe, Energieträger, nämlich Öl, Kohle und Gas", sagte von der Leyen. "Zwei Drittel der Exporte sind genau diese Exporte, und die Hälfte des russischen Staatshaushalts wird daraus gefüttert."

Russland müsse dringend modernisieren "und genau das würde Russland nicht mehr möglich sein" im Fall von weiteren Sanktionen. Bereits jetzt liege die Inflation in Russland bei 8,7 Prozent, die Zentralbank habe die Zinsen gerade erst auf 9,5 Prozent erhöht, und dem Rubel gehe es nicht gut. Es wäre demnach nicht förderlich, "wenn diese russische Wirtschaft einen weiteren schweren Schlag durch die Sanktionen bekommt", sagte die Kommissionspräsidentin.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Panorama
Panorama Grundstücksstreit: Familie droht Haus-Abriss nach 15 Jahren
16.03.2025

Eine Familie aus Brandenburg könnte ihr Zuhause verlieren – wegen eines Behördenfehlers. Nach einem fragwürdigen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschland am Scheideweg: Wege aus der Krise – Wie kann Deutschland seine Wirtschaft revitalisieren? Teil 2
16.03.2025

Deutschlands Position als treibende Kraft der europäischen Wirtschaft gerät zunehmend ins Wanken. Seit 2019 stagniert das Wachstum,...

DWN
Politik
Politik Beförderungswelle nach Ampel-Bruch: fragwürdige Last-Minute-Beförderungen - vor allem in SPD geführten Ministerien
15.03.2025

Beförderungswelle nach Ampel-Bruch: Die Parteien der Ampel-Regierung konnten in einem Punkt produktiv und schnell sein – teure...

DWN
Politik
Politik AfD Appell an Linke: Sofort gemeinsam unverzüglich den neuen Bundestag einberufen - und die Koalition in Bayern wackelt
15.03.2025

Nach dem abgelehnten AfD-Antrag gegen die geplanten Grundgesetzänderungen fordert die AfD erneut eine sofortige Einberufung des neuen 21....

DWN
Politik
Politik Bürokratie: Initiative benennt 30 Vorschläge für "Umbauten im Maschinenraum des Staates"
15.03.2025

Mit viel Papierkram und trägen Entscheidungen gilt der deutsche Staat als mühsam. Eine Gruppe um die ehemaligen Bundesminister...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Entfremdung vom Job: Studie fällt klares Urteil zu Arbeitsmoral in Deutschland
15.03.2025

Ist Deutschland zum Land der Lustlosen geworden? Noch nie wurde so häufig Dienst nach Vorschrift gemacht, wie im vergangenen Jahr, fand...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Mental Health am Arbeitsplatz
15.03.2025

Psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen nehmen zu. Die Fehlzeiten sorgen für einen großen wirtschaftlichen Schaden,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Heizungsmarkt im freien Fall: Verkäufe brechen um 50-Prozent ein
15.03.2025

Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) sorgt für Chaos, die Nachfrage nach neuen Heizungen bricht drastisch ein. 2024 steuert der Markt in eine...