Politik

Neue Kriegs-Angst: Marschiert Serbien in den Kosovo ein?

Zwischen Pristina und Belgrad brodelt es aktuell gewaltig. Ein Krieg ist nicht mehr ausgeschlossen. In der Region agiert Serbien als Stellvertreter Russlands, während der Kosovo als Stellvertreter der NATO und der USA aktiv ist. Bundesaußenministerin Baerbock hatte zuvor verkündet, dass der Balkan nicht dem Einfluss Russlands überlassen werden dürfe.
25.03.2022 12:57
Aktualisiert: 25.03.2022 12:57
Lesezeit: 2 min
Neue Kriegs-Angst: Marschiert Serbien in den Kosovo ein?
Russlands Einflusszonen auf dem westlichen Balken. (Grafik: RANE)

Der kosovarische Premier Albin Kurti hat am 24. März 2022 verfügt, dass die serbische Gerichtspräsidentin von Mitrovica, Ljiljana Stevanovic, abgesetzt wird. Zudem sollen alle serbischen Kommandanten und Polizeibeamten des Kosovo entlassen werden, die zuvor an einer Sitzung des serbischen Nationalen Sicherheitsrats in Belgrad teilgenommen hatten, berichtet die serbische Zeitung „Danas“. Stevanovic nahm ebenfalls an dieser Sitzung teil.

Lesen Sie auch: Pulverfass Balkan: Auch in Bosnien wird es bald gewaltig knallen

Der serbische Präsident Aleksandar Vučić teilte daraufhin über Instagram mit: „Liebe Serben, auf Anordnung von Albin Kurti wurde heute die serbische Richterin Ljiljana Stevanovic aus den Institutionen des Kosovo entfernt. Für den Morgen wurde die Entlassung aller serbischen Kommandeure, Polizeibeamten, die an der Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates in Belgrad teilnahmen, vorbereitet. Albin Kurti hat beschlossen, die Serben anzugreifen. Das Brüsseler Abkommen wurde verletzt, und nach seinem Willen und dem Willen derer, die ihn beschützen, existiert das Brüsseler Abkommen nicht mehr. Albin Kurti ist derjenige, der den Frieden im Kosovo und in Mitrovica zerstören will. Er ist derjenige, der das serbische Volk mit diesen Entscheidungen angreifen will. Meine letzte Botschaft ist: Egal was sie tun, Serbien wird immer hinter seinem Volk stehen.“

In einem Interview mit der italienischen Zeitung La Repubblica“ verurteilte Kurti Russlands Invasion in der Ukraine und sein „destabilisierendes Vorgehen“ in anderen Nachbarländern wie Moldawien und Georgien. Er warnte davor, dass Vučić in seinem Vorgehen in der Region eine „Kreml-Marionette ist, die Russland nachahmt“.

„Die Sowjetunion hat sich in einen Oktopus verwandelt, mit der Russischen Föderation in ihrem Zentrum und ihren Tentakeln, die sich über den Donbass, die Krim, Transnistrien, Südossetien erstrecken (...) Das ehemalige Jugoslawien ist ein Oktopus mit Serbien im Zentrum. Letztes Jahr nahm der Kosovo mit 350 Soldaten an der größten NATO-Übung – Defender Europe 2021 – teil. Serbien nahm stattdessen zusammen mit Russland und Weißrussland an der Übung ,Slavic Shield 2021' teil“, erklärte Kurti.

An den serbisch-kosovarischen Grenzübergängen Jarinje und Bernjak hatten Serben im September 2021 die Straßen blockiert. Der Grund: Bei der Einreise in den Kosovo müssen serbische Autos neuerdings ihre serbischen Kfz-Kennzeichen in kosovarische Kfz-Kennzeichen für den Zeitraum des Aufenthalts umtauschen. Dasselbe müssen Personen mit kosovarischen Kfz-Kennzeichen seit 20 Jahren machen, wenn sie nach Serbien einreisen. Im Oktober 2021 wurde die Blockade aufgehoben.

Daraufhin verlegte Serbien Truppen und Polizeieinheiten an die serbisch-kosovarische Grenze. Die Truppen befanden sich in Alarmbereitschaft und sollen sich im Oktober 2021 erneut zurückgezogen haben. Ein erneutes Aufflammen des Konflikts zwischen Serben und Kosovaren ist nicht ausgeschlossen.

Wenn der Konflikt eskalieren sollte, wäre auch ein serbischer Einmarsch in den Kosovo denkbar. Während Serbien der Stellvertreter Russlands ist, agiert die kosovarische Regierung als Stellvertreter der NATO und der USA. Serbien und der Kosovo sind sogenannte „Client States“.

Baerbock: Balkan nicht Einfluss Russlands überlassen

Außenministerin Annalena Baerbock hat ein stärkeres europäisches Engagement für die Länder auf dem Balkan verlangt. „Der russische Angriff auf die Ukraine ist eine Zäsur, die eindringlich zeigt: Europa muss bereit sein, strategisch in seine langfristige Sicherheit zu investieren“, erklärte die Grünen-Politikerin Anfang März 2022 vor ihrem Abflug zu einer mehrtägigen Reise auf den Balkan und in die Republik Moldau. Dies gelte insbesondere auch für die Beziehungen zu den Ländern des westlichen Balkan. „Der heutige Frieden auf dem Westbalkan ist vielleicht nicht perfekt - aber er ist kostbar“, betonte Baerbock.

„Viele dieser Länder haben wir in den letzten Jahren enttäuscht und vernachlässigt“, räumte die Ministerin ein. „In diese offene Flanke drängen Akteure wie Russland hinein, die kein Interesse an einer europäischen Zukunft haben und nicht davor zurückschrecken, ungelöste Konflikte wieder zu schüren.“ Sie wolle auf den Westbalkan vor allem zuhören, was die Menschen dort erwarteten – „aber auch um deutlich zu machen, dass wir diese Region im Herzen Europas nicht dem Einfluss Moskaus überlassen werden“.

Deutschland habe ein fundamentales Interesse an einem politisch stabilen und wirtschaftlich prosperierenden Balkan, dessen Staaten sich in Richtung Europa orientierten, erklärte Baerbock. Dafür werde sich die Bundesregierung einsetzen, auch mit strategische Investitionen vor allem in erneuerbare Energien.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Reform Arbeitszeitgesetz: 8-Stunden-Tag nicht mehr zeitgemäß?
01.04.2025

Union und SPD schlagen vor, aus der täglichen eine wöchentliche Höchstarbeitszeit zu machen. Von der Wirtschaft gibt es Zuspruch, die...

DWN
Politik
Politik Stephan Weil: Niedersachsens Ministerpräsident (SPD) zieht sich aus Politik zurück
01.04.2025

Stephan Weil beendet nach mehr als zwölf Jahren als Ministerpräsident von Niedersachsen seine politische Karriere. Mit einem klaren Kurs...

DWN
Politik
Politik Fußfessel: Le Pens Partei ruft zu frankreichweitem Protest auf
01.04.2025

Marine Le Pen wurde wegen Veruntreuung öffentlicher EU-Gelder verurteilt. Das Urteil verbietet ihr vorerst die Teilnahme an Wahlen und...

DWN
Politik
Politik Über eine Milliarde Euro für Lobbyarbeit: In welchen Bereichen Konzerne besonders oft Einfluss nehmen
01.04.2025

Lobbyisten gaben 2023 rund eine Milliarde Euro für Einflussnahme auf Bundesebene aus. Eine Gesetzesänderung von 2024 verschärft die...

DWN
Politik
Politik Nato: Die Möglichkeit eines Zusammenbruchs ist real
01.04.2025

US-Präsident Donald Trump hat das westliche Verteidigungsbündnis Nato in eine historische Krise gestürzt. Die Bedrohung kommt nicht von...

DWN
Technologie
Technologie Arbeitsmarkt: Top-Berufe, die es vor 20 Jahren noch nicht gab
31.03.2025

Eine Studie von LinkedIn zeigt, wie Künstliche Intelligenz (KI) neue Jobs und Fähigkeiten schafft, Karrieren und Arbeitswelt verändert:...

DWN
Finanzen
Finanzen Commerzbank-Aktie: Kurs knickt nach Orcel-Aussage deutlich ein
31.03.2025

Die Commerzbank-Aktie muss nach einer starken Rallye einen Rückschlag hinnehmen. Unicredit-Chef Andrea Orcel hatte zuvor einen möglichen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU vor Herausforderungen: Handelskriege könnten die Wirtschaft belasten – der Ausweg heißt Binnenmarkt
31.03.2025

Die protektionistischen Maßnahmen der USA und mögliche Handelskonflikte belasten die EU-Wirtschaft. Experten wie Mario Draghi fordern...