Deutschland

Rezessionsgefahr und Inflation: Prognosen für die deutsche Wirtschaft

Lesezeit: 2 min
13.04.2022 11:51  Aktualisiert: 13.04.2022 11:51
Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute malen vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs ein düsteres Konjunkturbild für Deutschland – mit hoher Inflation und der Gefahr einer Rezession.
Rezessionsgefahr und Inflation: Prognosen für die deutsche Wirtschaft
Die Sonne geht hinter den hochgeklappten Containerbrückenkränen, die normalerweise Schiffe entladen, im Hamburger Hafen unter. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute malen vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs ein düsteres Konjunkturbild für Deutschland - mit hoher Inflation und der Gefahr einer Rezession. Das Frühjahrsgutachten für die Bundesregierung trägt den Titel „Von der Pandemie zur Energiekrise – Wirtschaft und Politik im Dauerstress“. Federführend bearbeitet wurde es vom RWI in Essen sowie vom DIW in Berlin, vom Ifo-Institut in München, vom IfW in Kiel und vom IWH in Halle. Im Folgenden Kernpunkte:

WIRTSCHAFTSWACHSTUM

Bei weiter normaler Versorgung mit Energie aus Russland dürfte die deutsche Wirtschaft 2022 um 2,7 Prozent wachsen und damit weniger als noch im Herbstgutachten mit 4,8 Prozent veranschlagt. Im nächsten Jahr würde die Konjunktur dann um 3,1 Prozent anziehen und damit stärker als bisher mit 1,9 Prozent erwartet. „Im Falle eines sofortigen Embargos für die Öl- und Gaslieferungen aus Russland in die Europäische Union würde hingegen die deutsche Wirtschaft in eine scharfe Rezession geraten.“ Dann dürfte die Wirtschaft in diesem Jahr nur um 1,9 Prozent zulegen, 2023 dann sogar um 2,2 Prozent schrumpfen.

INFLATION

Die Verbraucher bekommen laut Prognose die wegen der teuren Energie erhöhte Inflation deutlich zu spüren. Demnach werden die Preise in diesem Jahr mit durchschnittlich 6,1 Prozent so stark anziehen wie seit 40 Jahren nicht mehr. „Im Falle eines Lieferstopps für russische Energie würden sogar 7,3 Prozent erreicht, der höchste Wert seit Bestehen der Bundesrepublik.“ Auch im kommenden Jahr dürfte die Rate mit 2,8 - oder 5,0 Prozent im Falle eines Lieferstopps - deutlich über dem Durchschnitt seit der Wiedervereinigung liegen.

ARBEITSLOSIGKEIT

Die Zahl der Arbeitslosen soll in diesem Jahr um rund 300.000 auf knapp 2,3 Millionen sinken und 2023 auf dem Niveau verharren. Kommt es zum Gaslieferstopp, wird jedoch mit einem Anstieg der Arbeitslosenzahl auf fast 2,8 Millionen im nächsten Jahr gerechnet. Die Arbeitslosenquote liegt im Basisszenario in beiden Jahren bei 5,0 Prozent (nach 5,7 Prozent 2021). Im Fall eines Lieferstopps dürften die Raten 5,2 Prozent (2022) und 6,0 Prozent (2023) betragen. Die Institute rechnen dann mit einer massiven Ausweitung der Kurzarbeit.

KONSUM

Alles in allem dürften sich die privaten Konsumausgaben nach einem Rückgang im ersten Quartal vor allem im Sommerhalbjahr kräftig erholen. Für 2022 rechnen die Institute damit, dass die Verbraucher-Ausgaben trotz hoher Inflation um 4,7 Prozent steigen und im nächsten Jahr noch einmal um weitere 3,4 Prozent. Im ihrem Risiko-Szenario, wenn es also zu einen sofortigen Stopp russischer Energielieferungen kommen sollte, gehen die Regierungsberater 2023 von einem Rückgang beim privaten Konsum um rund zwei Prozent aus.

STAATSFINANZEN

Das Defizit der öffentlichen Haushalte dürfte sich verringern, „weil Pandemiehilfen auslaufen, die Staatseinnahmen im Zuge des Aufschwungs steigen und die Sondervermögen für Klimaschutz und Verteidigung wohl nur in geringem Umfang abfließen.“ Das Defizit sinkt demnach auf 52,2 Milliarden Euro 2022 und auf 27,9 Milliarden Euro im kommenden Jahr. Bei einem Lieferstopp erwarten die Regierungsberater 2022 ein Minus von gut 76 Milliarden Euro (2,0 Prozent im Verhältnis zum BIP) und für 2023 von etwa 160 Milliarden Euro (4,1 Prozent).

GELDPOLITIK

Die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte ihre Geldpolitik „zaghafter“ straffen als die US-Notenbank Fed. Mit einer Erhöhung der Leitzinsen im Euro-Raum sei erst im September oder sogar im vierten Quartal dieses Jahres zu rechnen. 2023 werde der Hauptrefinanzierungssatz dann wohl weiter bis auf 1,0 Prozent erhöht werden, sagen die Forscher voraus. Die Institute erwarten zudem, dass der Einlagesatz - eine Art Strafzins für das Horten von Geld bei der EZB - zeitgleich mit dem ersten Zinsschritt um 0,5 Prozentpunkte auf null gehievt wird: „Somit wird noch für das laufende Jahr ein Ende der negativen Notenbankzinsen erwartet“, heißt es im Gutachten.


Mehr zum Thema:  

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Verträge: Nach dem KaDeWe sind auch Oberpollinger und Alsterhaus gerettet
26.07.2024

Die berühmten Flaggschiffe der deutschen Warenhäuser scheinen nach der Pleite des Immobilien-Hasardeurs René Benko endlich gerettet zu...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Hilfsgelder von Russland: EU gibt Erträge aus dem eingefrorenen Vermögen frei
26.07.2024

Die Europäische Union hat jetzt die ersten Zinserträge aus dem im Westen eingefrorenem russischen Staatsvermögen freigegeben. Die...

DWN
Politik
Politik Der Chefredakteur kommentiert: Islamisches Zentrum Hamburg - ein längst überfälliges Verbot, Frau Faeser!
26.07.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Bundeskanzler Scholz zu irregulärer Migration: „Die Zahlen müssen runter“
26.07.2024

Erwerbsmigration nach Deutschland sei erwünscht, meint der Kanzler. Problematisch findet er unerlaubte Einreisen. Eine Innenexpertin der...

DWN
Panorama
Panorama ADAC warnt: Es droht schlimmstes Stau-Wochenende der Saison
26.07.2024

Wer nun in den Urlaub fährt, sollte etwas mehr Zeit einplanen und mitunter starke Nerven haben. Der ADAC rechnet mit vielen Staus. Lassen...

DWN
Politik
Politik Außenministerin Baerbock: Seegerichtshof in Hamburg wird an Bedeutung gewinnen
26.07.2024

In Hamburg informiert sich die Außenministerin bei ihrer Sommerreise über die Arbeit des Internationalen Seegerichtshofs. Anschließend...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB nach Stresstest: Banken haben Verbesserungsbedarf bei Cyber-Angriffen
26.07.2024

Seit der Finanzkrise 2008 wird genauer hingeschaut bei den Banken. Im Euroraum müssen sich die Institute nach Einschätzung der...

DWN
Politik
Politik Verfassungsschutz weist auf russische Sabotageversuche hin
26.07.2024

Der deutsche Inlandsgeheimdienst beobachtet schon länger verstärkte russische Geheimdienstaktivitäten. Neue Hinweise veranlassen ihn...