Wirtschaft

Die wahren Machtzentren der Welt: Frühjahrstagung von IWF und Weltbank beginnt in Washington

Überschattet von den Folgen der Pandemie und des russischen Angriffskriegs in der Ukraine beginnen der Internationale Währungsfonds und die Weltbank ihre jährliche Frühjahrstagung. Die diesjährige Tagung wird entscheidend sein für die finanzielle und soziale Zukunft der gesamten Welt.
17.04.2022 23:32
Aktualisiert: 17.04.2022 23:32
Lesezeit: 2 min
Die wahren Machtzentren der Welt: Frühjahrstagung von IWF und Weltbank beginnt in Washington
Kristalina Georgieva, Geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF). (Foto: dpa) Foto: Xu Jinquan

Überschattet von den Folgen der Pandemie und des russischen Angriffskriegs in der Ukraine beginnen der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank ihre jährliche Frühjahrstagung. Zentrale Themen bei den Beratungen ab Montag dürften die Bekämpfung der Inflation, die Entwicklung der Weltwirtschaft, der Kampf gegen die Pandemie und das Verhindern einer neuen Hungerkrise in ärmeren Ländern sein. Die Tagung bringt Finanzminister, Zentralbanker, Beamte sowie Finanz- und Entwicklungsexperten aus aller Welt zusammen.

Aus Deutschland nehmen unter anderem Finanzminister Christian Lindner (FDP), Bundesbankchef Joachim Nagel und Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) teil. Das internationale Treffen in Washington findet teils als Präsenzveranstaltung und teils online statt. Auch hochrangige Politiker aus der Ukraine werden erwartet.

Der Ukraine-Konflikt kann dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge die globale Wirtschaftsordnung grundlegend verändern. Neben kurzfristigen Folgen wie einer steigenden Inflation bei nachlassendem Wachstum seien längerfristige Auswirkungen denkbar, erklärte die in Washington ansässige Organisation auf ihrer Webseite.

„Der Krieg kann die weltweite wirtschaftliche und geopolitische Ordnung grundlegend verändern, wenn sich der Energiehandel verschiebt, sich Lieferketten verändern, Zahlungsnetzwerke zerfallen und Länder neu über ihre Währungsreserven nachdenken“, erklärte der IWF. Nach dem Einmarsch in die Ukraine haben westliche Länder Russland unter anderem vom internationalen Zahlungsnetzwerk Swift abgeklemmt, Währungsreserven der Zentralbank eingefroren und angekündigt, künftig weniger Öl und Gas von dort beziehen zu wollen.

Neben dem menschlichen Leid und großen Flüchtlingsströmen habe der Krieg auch ökonomische Folgen. „Der Konflikt ist ein schwerer Schlag für die Weltwirtschaft, der das Wachstum beeinträchtigen und die Preise in die Höhe treiben wird“, so der IWF. Auch eine Verunsicherung der Investoren, sinkende Vermögenswerten, schlechtere Finanzierungsbedingungen und Kapitalabflüsse aus den Schwellenländern könnten dadurch ausgelöst werden.

Der IWF hat bereits signalisiert, seine bisherige Prognose für das globale Wirtschaftswachstum von 4,4 Prozent für das laufende Jahr zu senken. Die neuen Vorhersagen sollen am 19. April veröffentlicht werden. Länder im Kaukasus und in Zentralasien mit engen Handels- und Finanzverflechten zu Russland dürften stärker von der dort erwarteten Rezession und den Sanktionen betroffen sein, unter denen Warenaustausch, Überweisungen, Investitionen und Tourismus leiden dürften.

Der IWF verwies auf ein größeres Risiko von Unruhen in einigen Regionen, von Afrika über Lateinamerika bis zum Kaukasus und Zentralasien. Gleichzeitig werde die Ernährungsunsicherheit in Teilen Afrikas und des Nahen Ostens zunehmen, da Länder wie Ägypten 80 Prozent ihres Weizens aus Russland und der Ukraine importieren.

Der IWF sagt zudem eine tiefe Rezessionen in der Ukraine und in Russland voraus. In Europa könne es zudem zu Unterbrechungen bei den Erdgasimporten und zu größeren Störungen der Lieferketten kommen. Im Nahen Osten und in Afrika könne es zu Kapitalabflüssen kommen. Mit Gegenwind müssten außerdem Länder mit hohem Schuldenstand und großem Finanzierungsbedarf rechnen.

Die Finanzkrise 2007/09, die die erste globale Rezession seit den 1930er Jahren gewesen ist, führte zu zahlreichen Handlungsaufforderungen, um ähnliche Krisen in Zukunft zu verhindern. Die Regulierung wurde etwas verschärft, aber die Gefahr einer Instabilität bleibt aufgrund übermäßiger Schulden und zu vieler Spekulationsgeschäfte bestehen. Die Vision des Weltwirtschaftsforums (WEF) von einem „Great Reset“ erkennt an, dass das, was zur Bewältigung dieser Krisen erforderlich ist, weit über Wirtschaftsreformen oder Klimaschutzmaßnahmen oder die Bekämpfung einer Pandemie hinausgeht. Das WEF bemüht sich nach eigenen Angaben um Maßnahmen zu sieben Schlüsselthemen: ökologische Nachhaltigkeit; gerechtere Volkswirtschaften; „Tech for good“; die Zukunft der Arbeit und die Notwendigkeit einer Umschulung; besseres Business; gesunde Zukunft mit fairem Zugang zum Gesundheitssystem für alle; und „jenseits der Geopolitik“ - nationale Regierungen, die global zusammenarbeiten.

In einer Erklärung teilte die IWF-Chefin Kristalina Georgieva mit: „Heute stehen wir vor einem neuen Bretton Woods-Moment. Eine Pandemie, die bereits mehr als eine Million Menschenleben gekostet hat. Eine wirtschaftliche Katastrophe, die die Weltwirtschaft in diesem Jahr um 4,4 Prozent verkleinern und bis zum nächsten Jahr eine geschätzte Produktion von 11 Billionen US-Dollar abbauen wird. Und unbeschreibliche menschliche Verzweiflung angesichts großer Störungen und zunehmender Armut zum ersten Mal seit Jahrzehnten.“

Es ist durchaus möglich, dass im Rahmen eines neuen „Bretton Woods-Moments“ beispielsweise der „IMF Coin“ als neue globale Leitwährung eingeführt wird. Die restlichen Notenbanken würden dann ihre eigenen digitalen Notenbankwährungen (CBDCs) einführen, die an den „IMF Coin“ gekoppelt wären (HIER).

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