Finanzen

Russische Notenbank-Chefin Nabiullina: Unsere Wirtschaft leidet zunehmend unter Sanktionen

Die russische Wirtschaft kann der Zentralbank zufolge nicht unbegrenzt von ihren Finanzreserven leben und muss sich angesichts internationaler Sanktionen neu aufstellen.
18.04.2022 19:24
Aktualisiert: 18.04.2022 19:24
Lesezeit: 2 min
Russische Notenbank-Chefin Nabiullina: Unsere Wirtschaft leidet zunehmend unter Sanktionen
Die russische Notenbankchefin Elvira Nabiullina. (Foto: dpa) Foto: Valery Sharifulin/Tass/Host Phot

Die russische Wirtschaft kann der russischen Zentralbank zufolge nicht unbegrenzt von ihren Finanzreserven leben und muss sich angesichts internationaler Sanktionen neu aufstellen. „Der Zeitraum, in dem die Wirtschaft von den Reserven leben kann, ist endlich“, sagte Notenbank-Chefin Elvira Nabiullina am Montag. Bereits im Frühjahr und Sommer werde eine Phase des Strukturwandels und der Suche nach neuen Geschäftsmodellen beginnen müssen. Die Sanktionen hätten sich bislang vor allem auf den Finanzmarkt ausgewirkt. „Aber jetzt werden sie sich zunehmend auch auf die Wirtschaft auswirken“, warnte Nabiullina.

Die Hauptprobleme dürften in den Importbeschränkungen und der schwieriger gewordenen Logistik im Außenhandel liegen. Auch die Exportbeschränkungen dürften sich zunehmend bemerkbar machen. „Russische Hersteller werden nach neuen Partnern und Logistikmöglichkeiten suchen oder auf die Produktion von Produkten früherer Generationen umsteigen müssen“, sagte Nabiullina. Die Exporteure wiederum müssten sich nach neuen Abnehmern umschauen. „All dies wird Zeit brauchen“, sagte die Zentralbankerin.

Keine Entwarnung gibt sie bei der Inflation. Es werde bis zum Jahr 2024 dauern, bis die Teuerungsrate wieder das Ziel von vier Prozent erreicht habe. Aktuell liegt sie mit 17,49 Prozent auf dem höchsten Stand seit mehr als 20 Jahren, da sich seit der Beginn der russischen Invasion in der Ukraine fast alles verteuert hat - von Zucker über Gemüse bis hin zu Smartphones und Bekleidung. „Der Anstieg der Inflation sollte nicht unkontrollierbar sein“, sagte Nabiullina.

Präsident Wladimir Putin klang weit weniger pessimistisch. Die Inflation habe sich bereits stabilisiert, während sich zugleich die Nachfrage im Einzelhandel normalisiert habe, sagte er bei einer Videoschalte mit hochrangigen Regierungsvertretern. Russland solle seinen Haushaltspielraum für eine stärkere Unterstützung der heimischen Wirtschaft nutzen. Die Bereitstellung von Liquidität könne angesichts einer schrumpfenden Kreditvergabe gestützt werden, sagte der Präsident.

Die russische Zentralbank hat als Reaktion auf die Sanktionen ihren Leitzins zunächst auf 20 Prozent mehr als verdoppelt. Sie senkte ihn dann aber auf 17 Prozent. Die oberste Währungshüterin signalisierte nun die Bereitschaft zu weiteren Rücknahmen, mit denen Kredite für Unternehmen wie Verbraucher günstiger würden. „Wir müssen die Möglichkeit haben, den Leitzins schneller zu senken“, sagte Nabiullina. „Wir müssen Bedingungen schaffen, um die Verfügbarkeit von Krediten für die Wirtschaft zu erhöhen.“

Russland will die vom Westen verhängte Blockade russischer Gold- und Devisenreserven nicht hinnehmen. Dagegen seien rechtliche Schritte geplant, sagte Nabiullina. Durch die ausländischen Sanktionen wurden etwa 300 der insgesamt rund 640 Milliarden Dollar großen Gold- und Devisenreserven eingefroren.

Die Zentralbank erwäge, den Verkauf von Devisenerlösen durch Exporteure flexibler zu gestalten, kündigte sie an. Bislang müssen sie 80 Prozent ihrer Devisenerlöse in die Landeswährung Rubel umtauschen. Getestet werden solle zudem die Ausgabe digitaler Rubel. Das solle Russen ermöglichen, Überweisungen zwischen digitalen Geldbörsen vorzunehmen. Erste Pilotprojekte sollen in der zweiten Jahreshälfte beginnen.

Russland ist am 24. Februar in die Ukraine einmarschiert. Westliche Staaten haben daraufhin Sanktionen verhängt, die mehrfach verschärft wurden. So wurde Russland weitgehend vom internationalen Zahlungssystem Swift abgeklemmt, der Handel etwa mit Hochtechnologie stark eingeschränkt.

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