Finanzen

Darum ist Gold derzeit ein so heißes Thema

Lesezeit: 5 min
24.04.2022 12:37  Aktualisiert: 24.04.2022 12:37
Gold steht derzeit im Fokus: Ernst Wolff erläutert, warum das so ist.
Darum ist Gold derzeit ein so heißes Thema
Die Kunstausstellung "ortung VIII" in Schwabach (Bayern) im August 2013: Eine Figur der Installation "Geschichte in goldener Erinnerung" der in Deutschland lebenden südkoreanischen Künstlerin Ae Lee Hee. (Foto: dpa)

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„Gold ist ein archaisches Relikt.“ „Ein Goldstandard passt nicht in unsere Zeit.“ „Gold ist durch die Digitalisierung historisch erledigt.“

Aussagen wie diese sind in Finanzkreisen seit Jahren zu hören. In den vergangenen Wochen jedoch hat sich das gewaltig geändert. Der Preisanstieg des Goldes über die 2.000-Dollar-Marke im vergangenen Monat hatte bereits viele Skeptiker aufhorchen lassen. Die anziehenden Goldkäufe durch mehrere Zentralbanken und das Gerücht von der möglichen Bindung des Rubels an Gold durch die russische Zentralbank bringen nun selbst hartnäckige Goldgegner ins Grübeln.

Was steckt dahinter? Und vor allem: Wohin wird diese Entwicklung führen? Zum besseren Verständnis des aktuellen Geschehens hier ein paar kurze Informationen zur Geschichte der Beziehung von Geld und Gold.

„Nur Gold ist Geld“

„Nur Gold ist Geld, alles andere ist Kredit.“ Dieser Satz von John Pierpoint Morgan, dem legendären Gründer der US-Großbank JPMorgan, verdeutlicht die Bedeutung, die dem Gold in der Finanzbranche einmal zugewiesen wurde. Tatsächlich war man zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts in Bankerkreisen überzeugt, dass ein Geldsystem ohne Gold nicht vorstellbar sei. Schließlich vereint Gold in sich mehrere höchst nützliche Eigenschaften: Es ist robust, lässt sich gut lagern, seine Gesamtmenge ist begrenzt, und seine Gewinnung ist aufwändig und arbeitsintensiv, verleiht ihm also einen hohen intrinsischen Wert.

Die Gesamtheit dieser Eigenschaften führte dazu, dass viele Nationalstaaten nach ihrer Gründung den „Goldstandard“ einführten. In Deutschland sorgte er ab 1873, also zwei Jahre nach der Gründung des Deutschen Reiches, mehr als vierzig Jahre lang für eine stabile Währung. Dann aber kam der Erste Weltkrieg.

Waffen sind teuer und Staatshaushalte begrenzt. Um trotzdem ins Feld ziehen zu können, hob man den Goldstandard im August 1914 auf. Bereits zum Ende des Krieges 1918 bekam man die Quittung: Die Mark hatte die Hälfte ihres Wertes verloren. Es sollte aber noch schlimmer kommen: Zwischen 1918 und 1923 kam es erst zu einer galoppierenden und dann zu einer Hyperinflation, die unter anderem dazu führte, dass in der Weimarer Republik ein Laib Brot eine Billion Mark kostete.

Bretton Woods – der zweite Anlauf

Nach dem Zweiten Weltkrieg zog man die Lehren aus der Vergangenheit und führte den Goldstandard sozusagen durch die Hintertür wieder ein. Und zwar, indem man zum einen den zur globalen Leitwährung ernannten US-Dollar zum Preis von 34 Dollar pro Feinunze an Gold und des Weiteren alle übrigen Währungen an den Dollar band.

Die US-Zentralbank „Federal Reserve“ (FED) untergrub dieses System jedoch systematisch, indem sie die Welt mit immer größeren Mengen an Dollars überschwemmte. Ab Mitte der 1960er Jahre wurden Investoren wegen des zunehmenden Missverhältnisses zwischen Geld– und Goldmenge nervös und begannen in Scharen, ihre Dollar gegen Gold einzutauschen. Als dann auch noch Frankreich seine in den USA gelagerten Goldvorräte zurückforderte, reagierte die US-Regierung, indem sie den Dollar im August 1971 kurzerhand vom Gold entkoppelte.

Damit begann die Ära der Fiat- oder Scheinwährungen, denn von nun an gab es für die Schöpfung neuen Geldes keine Grenzen mehr. Dass es daraufhin nicht umgehend zu Weimarer Verhältnissen kam, hatte einen simplen Grund: In der Mitte der 1970er Jahre begann - aufgrund seiner Deregulierung - das ungebremste Wachstum des globalen Finanzsektors. Sie sorgte dafür, dass der Löwenanteil des neu geschaffenen Geldes in die Finanzmärkte floss und sich die Teuerung nur dort und nicht etwa im Alltag bemerkbar machte.

Mit der Weltfinanzkrise 2007/08 und der darauffolgenden Eurokrise wurde die Situation dann kritischer. Das System drohte zu kippen und konnte nur durch die Injektion immer höherer Summen am Leben erhalten und vor dem finalen Zusammenbruch bewahrt werden. Trotzdem kam es auch diesmal nicht zu inflationären Auswüchsen, da das Geld erneut vor allem an Großinvestoren ging und über sie einmal mehr in die Finanzmärkte floss.

Die Modern Monetary Theory

Es war genau diese Phase, die für den rasanten Aufstieg einer bis dahin weitgehend unbekannten Geldtheorie sorgte. Die „Modern Monetary Theory“ besagt im Grunde nichts anderes, als dass vom Staat geschaffenes Geld keine Absicherung in Form eines realen Wertes braucht, unbegrenzt ausgegeben werden kann und es nur darauf ankommt, es sozialverträglich zu verteilen.

Das widerspricht zwar allen Lehren aus der Geschichte, wurde aber aus Gründen des politischen Opportunismus vor allem von den selbsternannten Wirtschaftsexperten der Grünen übernommen. Das kam nicht von ungefähr, denn die Grünen haben einmal als anti-autoritäre Kapitalismus- und Staatskritiker begonnen. Die Modern Monetary Theory ist für sie ein Glücksfall gewesen, denn sie hat ihnen ermöglicht, sich rückhaltlos hinter den Staat und seine Zentralbank zu stellen und so zu den glühendsten Verfechtern autoritärer Maßnahmen zu werden.

Das Pech der Grünen besteht darin, dass die Modern Monetary Theory zurzeit vor unseren Augen zerfällt. Das Anziehen der Inflation, das wir aktuell erleben, widerlegt eindrücklich deren Grundthese, dass man unbegrenzt Geld schöpfen kann, ohne seinen Wert zu zerstören.

Es sind vor allem die im Rahmen von Corona getroffenen Maßnahmen, die dafür gesorgt haben, dass die Inflation mittlerweile im Alltag angekommen ist. Die Lockdowns haben eine Verknappung des Warenangebots bewirkt, während die Auszahlung riesiger Summen von Kurzarbeitergeld und Überbrückungshilfen die Nachfrage angekurbelt hat. Verschlimmert wird die Lage durch die Langzeitfolgen der Lockdowns wie zum Beispiel durch Lieferkettenengpässe und daraus entstehenden Nachschubprobleme. Alles zusammen ergibt den idealen Nährboden für eine Inflation.

Wirtschaftsminister Robert Habecks Behauptung, die derzeit anziehende Inflation sei ein Ergebnis des Ukrainekrieges und damit Wladimir Putin zuzuschreiben, zeigt die Hilflosigkeit der deutschen Modern-Monetary-Theory-Verfechter und dürfte nicht viel mehr als der letzte Strohhalm sein, an den sie sich klammern.

Putin und das Gold

Warum aber hat Russland gerade jetzt das Gold ins Spiel gebracht? Wird Präsident Putin den Rubel tatsächlich an Gold binden oder handelt es sich bei seinen Äußerungen nur eine gezielte Provokation?

Aller Wahrscheinlichkeit werden wir keine Antwort auf diese Fragen erhalten. Fakt ist jedoch, dass eine Goldbindung des Rubels angesichts der gegenwärtigen weltweit fortschreitenden Inflation für den russischen Rubel finanziellem Selbstmord gleichkäme.

Man muss sich nur vorstellen, dass Anleger in aller Welt massenweise goldgedeckte Rubel kaufen und dann ihre Einlösung in Gold verlangen würden. Angesichts der Gesamtmenge von nur 2.300 Tonnen, über die das Land offiziell verfügt, würde Russland schnell in die gleiche Lage geraten, in der sich die USA 1971 befanden - mit dem gewaltigen Unterschied, dass der Dollar damals globale Leitwährung war und anschließend mit Hilfe der Bindung ans Erdöl als Petrodollar überleben konnte.

Warum aber hat Putins eher nebenbei gemachte Bemerkung so viel Staub aufgewirbelt? Das dürfte daran liegen, dass sich die Welt zurzeit in der größten Geldtransformationsphase ihrer Geschichte befindet. Das bestehende Geldsystem ist in seine Endphase eingetreten und wird in absehbarer Zukunft einem neuen System weichen müssen.

Kommt eine goldgedeckte Zentralbankwährung?

Dieses neue System wird im Hintergrund bereits vorbereitet. Sein Ziel besteht in der Abschaffung der Kreditvergabe durch die Banken kombiniert mit der Herausgabe digitaler Währungen durch die Zentralbanken.

Mit diesem neuen Geld sollen vor allem zwei Probleme gelöst werden. Zum einen soll so die Absenkung von Zinsen in den Negativbereich, die beim nächsten großen Finanzeinbruch kommen müsste, vermieden werden. Zum anderen will man versuchen, den wegen des fortschreitenden Einsatzes von Künstlicher Intelligenz und der daraus folgenden Massenarbeitslosigkeit drohenden Ausfall von Millionen von Konsumenten durch die Ausgabe eines universellen Grundeinkommens zu kompensieren.

Ein zentrales Problem allerdings wird man ohne die Bindung des neuen Geldes an einen festen Wert nicht in den Griff bekommen, und genau dieses Problem tritt zurzeit immer deutlicher zutage: die fortschreitende Entwertung des Geldes auf Grund der inflationären Ausweitung der Geldmenge. Um aus dieser historischen Sackgasse herauszukommen, bleibt den Verantwortlichen im Grunde nichts anderes übrig, als schlussendlich wieder auf das Gold zurückzugreifen und so zu versuchen, den Wert des neuen digitalen Zentralbankgeldes dauerhaft zu erhalten.

Kann ein solcher Plan aufgehen?

Wohl kaum, denn die zu erwartende rasante Zunahme der Arbeitslosigkeit wird eine ständige Erhöhung der Geldmenge unumgänglich machen. Das aber heißt nichts anderes, als dass sich das einmal in Gang gesetzte Karussell zwangsläufig weiterdrehen wird.

Mit anderen Worten: Die aktuelle Diskussion um das Gold ist nichts als ein Hinweis darauf, dass sich die Zentralbanker durch ihre ultra-expansive Geldpolitik in eine ausweglose Situation hineinmanövriert haben und sich die Anhänger der Modern Monetary Theory schleunigst nach einer neuen Rechtfertigung für ihre zerstörerische Agenda umsehen müssen.

                                                                            ***

Ernst Wolff, 69, befasst sich mit der Wechselbeziehung zwischen internationaler Politik und globaler Finanzwirtschaft.


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