Politik

Russland will einen neuen Staat in der Ukraine errichten

Dokumenten-Fund: Investigativ-Journalisten berichten von bislang unveröffentlichten Plänen für eine neue russische Staatsgründung.
02.05.2022 14:10
Lesezeit: 2 min
Russland will einen neuen Staat in der Ukraine errichten
Auch Cherson, wo russische Besatzungstruppen jüngst mit Tränengas gegen Bürgerproteste vorgingen, könnte zum Gebiet des scheinbar geplanten neuen Staats gehören. (Foto: dpa)

Ein von Spitzenbeamten der russischen Regierungspartei "Einiges Russland" ausgearbeiteter Entwurf für ein Dokument sieht offenbar die Errichtung eines neuen Staates mit dem Namen "Südrussland" vor, der aus von den russischen Streitkräften besetzten Regionen der Ukraine gebildet werden soll. Das geht aus einem Bericht von "Schemes" hervor, einem Investigativ-Projekt des traditionsreichen, US-finanzierten Mediums "Radio Free Europe/Radio Liberty" (RFE/RL), das in Zeiten sowjetischer Besetzung der Länder Osteuropas den dortigen Bevölkerungen ein Alternative zur Propaganda der russischen Satellitenregierungen bot.

Schemes-Journalist Heorhiy Shabayev berichtet zudem, dass Russland beabsichtige, in Teilen der Regionen Donezk und Luhansk, die seit 2014 größtenteils unter der Kontrolle der von Russland unterstützten Separatisten stehen, sowie in der Region Cherson, Volksabstimmungen durchzuführen. Die Abstimmungen würden darauf abzielen, die besetzten Regionen mit Russland zu vereinen, ähnlich wie es 2014 auf der Krim geschehen sei. Kurz vor dem Überfall auf die Ukraine hatte der russische Präsident Wladimir Putin angekündigt, Russland die von den Separatisten kontrollierten Regionen Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten anerkennen würde.

Der Entwurf des Dokuments trage laut Shabayev den Titel "Manifest des südrussischen Volksrats ", sei auf den 16. April datiert und enthalte keine Angaben darüber, aus welchen, von Russland besetzten, Gebieten der neue Staat "Südrussland" sich künftig zusammensetzen solle. In dem Manifest, so Shabayev, stehe jedoch, dass die Ukraine nach der Maidan-Revolution 2013 bis 2014, die im Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch gipfelte, ihre Legitimität verloren habe. Russland habe lange versucht zu argumentieren, dass die Straßenproteste ein Staatsstreich gewesen seien und dass "Nazis" die ukrainische Regierung übernommen hätten, unterstreicht Shabayev.

"Als Antwort auf den Terror und die totalitäre Aufzwingung der Ideologie des Nationalsozialismus und Banderas durch den ehemaligen Staat Ukraine nehmen wir in Form des Südrussischen Volksrats die Macht in unsere eigenen Hände und gründen einen neuen Staat namens Südrussland", heiße es in dem Schemes vorliegendem Dokument. Der Entwurf des Dokuments für einen neuen Staat erinnere, wie Shabayev erklärt, an frühere Äußerungen Putins und anderer hochrangiger Kremlbeamter, die zur Gründung von "Neurussland" aufriefen. Einem anderen historischen Konzept, das sich hauptsächlich ukrainische Gebiete beziehe, die noch im 18. und 19. Jahrhundert zu Russland gehörten.

Die Metadaten des von Schemes identifizierten Word-Dokuments würden weiter darauf hindeuten, dass Roman Romanov, ein hoher Beamter der russischen Regierungspartei Einiges Russland, entweder der Autor des Dokuments oder an seiner Erstellung beteiligt gewesen sei. Beamte hätten Schemes anonym erklärt, das Dokument sei später an Helfer von Konstantin Malofeev weitergeleitet worden, einem wohlhabenden und einflussreichen russischen Geschäftsmann, der seit Jahren an der Finanzierung und Unterstützung separatistischer Bestrebungen im Donbass beteiligt sei. Malofeev wurde 2014 von den UN und der EU wegen seiner Rolle bei der Annexion der Krim mit Sanktionen belegt. Er gilt als Anhänger russischer Expansionsbestrebungen, die das Zarenreich, das noch bis 1914 Teile Polens und des Baltikums besetzte, zum Vorbild haben.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeitsmarkt ohne Erholung im Juni: Warten auf den Aufschwung
01.07.2025

Die erhoffte Belebung des Arbeitsmarkts bleibt auch im Sommer aus: Im Juni ist die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland nur minimal um...

DWN
Politik
Politik Schlachtfeld der Zukunft: Die Ukraine schickt ihre Kampfroboter ins Gefecht
01.07.2025

Die Ukraine setzt erstmals schwere Kampfroboter an der Front ein. Während Kiew auf automatisierte Kriegsführung setzt, treiben auch...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnen bleibt Luxus: Immobilienpreise steigen weiter deutlich
01.07.2025

Die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland sind erneut gestiegen. Laut dem Statistischen Bundesamt lagen die Kaufpreise für Häuser und...

DWN
Politik
Politik Trump und Musk im Schlagabtausch: Streit um Steuerpläne und neue Partei eskaliert
01.07.2025

Die Auseinandersetzung zwischen US-Präsident Donald Trump und dem Tech-Milliardär Elon Musk geht in die nächste Runde. Am Montag und in...

DWN
Politik
Politik Dänemark übernimmt EU-Ratsvorsitz – Aufrüstung dominiert Agenda
01.07.2025

Dänemark hat den alle sechs Monate rotierenden Vorsitz im Rat der EU übernommen. Deutschlands Nachbar im Norden tritt damit turnusmäßig...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Technik streikt: Zählt Ausfallzeit zur Arbeitszeit?
01.07.2025

Wenn im Büro plötzlich die Technik versagt, stellt sich schnell eine Frage: Muss weitergearbeitet werden – oder zählt die Zeit...

DWN
Politik
Politik NATO ohne Substanz: Europa fehlen Waffen für den Ernstfall
01.07.2025

Europa will mehr für die Verteidigung tun, doch der Mangel an Waffen, Munition und Strategie bleibt eklatant. Experten warnen vor fatalen...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Krypto-Coup: Milliarden für die Familienkasse
30.06.2025

Donald Trump lässt seine Kritiker verstummen – mit einer beispiellosen Krypto-Strategie. Während er Präsident ist, verdient seine...