Das Nato-Mitglied Türkei hat Vorbehalte gegen einen möglichen Beitritt Finnlands und Schwedens zu dem Militärbündnis angemeldet. Sein Land sehe die Entwicklungen nicht positiv, sagte Präsident Recep Tayyip Erdogan am Freitag vor Journalisten in Istanbul. "Skandinavische Länder sind Heimat vieler terroristischer Organisationen", ergänzte Erdogan, ohne Einzelheiten zu nennen.
Die Türkei hat Schweden und andere westliche Staaten wiederholt für ihren Umgang mit Gruppen kritisiert, die sie als terroristisch einstuft. US-Vize-Außenministerin Karen Donfried sagte, die USA bemühten sich um eine Klärung der türkischen Position. Das werde auch am Wochenende Thema beim Nato-Außenministertreffen in Berlin sein.
Finnland, das eine rund 1300 Kilometer lange Grenze von Russland trennt, hat seinen Beitrittswunsch zur Nato bereits bekundet. Es wird erwartet, dass Schweden dem Beispiel folgt und am Montag einen Antrag auf Mitgliedschaft stellen könnte. Für einen Beitritt ist ein einstimmiger Beschluss aller 30 Nato-Staaten notwendig, so dass Widerstand der Türkei eine Hürde für entsprechende Pläne darstellen würde.
Die Türkei hat zwar die russische Invasion der Ukraine kritisiert, der Regierung in Kiew bewaffnete Drohnen zur Verfügung gestellt und sich für Friedensgespräche engagiert. Die westlichen Sanktionen trägt die Türkei aber nicht mit. Sie bemüht sich um weiter enge Wirtschaftsbeziehungen zu Russland.
Erdogan sagte weiter, schon die Aufnahme Griechenlands in die Nato sei ein Fehler gewesen, den die Türkei nicht wiederholen wolle. Zwischen der Türkei und Griechenland schwelt ein Streit über Territorialansprüche im östlichen Mittelmeer.
Die Türkei hat wiederholt den Umgang anderer Länder mit Gruppen wie etwa der Kurdischen Arbeiterpartei PKK und Anhängern des in den USA ansässigen Predigers Fethullah Gülen kritisiert. Die Regierung in Ankara vermutet Gülen hinter dem Putschversuch 2016. Gülen weist dies zurück.
Donfried: Türkei und Schweden haben gut zusammengearbeitet
Die Türkei, die 1952 in die 1949 gegründete Nato eingetreten ist, hat eine Erweiterung der Verteidigungsallianz bisher offiziell unterstützt. Die für Europa zuständige US-Vize-Außenministerin Donfried betonte, die Washingtoner Regierung müsse zunächst vollständig die Position der Türkei zu einer möglichen Nato-Aufnahme Schwedens und Finnlands verstehen. "Für mich ist es nicht klar, dass die Türkei sagt, sie wird dagegen sein", unterstrich Donfried in einer Pressekonferenz. "Die Türkei und Schweden haben im Nato-Kontext sehr effektiv zusammengearbeitet."
Schweden und Finnland unterhalten seit langem enge Beziehungen zur Nato und haben regelmäßig an Manövern und hochrangigen Treffen teilgenommen. Als Nicht-Mitglieder gilt für sie aber nicht die Sicherheitsgarantie nach Artikel fünf, der einen Angriff auf ein Nato-Mitglied als Angriff auf alle Bündnispartner definiert. Der russische Einmarsch in der Ukraine hat in Schweden und Finnland zu einer Neubewertung ihrer traditionellen Neutralität geführt.
Mit einem Beitritt der beiden skandinavischen Länder würde eine weitgehend geschlossene Kette von Nato-Staaten von der Arktis bis zum Schwarzen Meer entstehen. Die Regierung in Moskau hat Schweden und Finnland für diesen Fall vor "ernsten Konsequenzen" gewarnt und mit der Stationierung von Atomwaffen und Hyperschallraketen in Kaliningrad gedroht. Die russische Exklave liegt an der Ostsee zwischen Polen und Litauen.
Der finnische Präsident Sauli Niinistö sagte laut der schwedischen Nachrichtenagentur TT, Drohungen Russlands seien erwartet worden. Er habe vor, den russischen Präsidenten Wladimir Putin anzurufen und "ihm zu sagen, dass die Situation sich geändert hat, wie wir beide wissen."
Nach Abschluss des G7-Treffens im schleswig-holsteinischen Weißenhaus kommen die Nato-Außenminister am Samstag und Sonntag zu Gesprächen in Berlin zusammen. An dem Treffen nimmt auch US-Außenminister Antony Blinken teil. Es blieb zunächst unklar, ob es eine bilaterale Begegnung mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu geben würde.
US-Präsident Joe Biden stellte sich in einem Telefongespräch mit dem finnischen Staatschef Niinistö und der schwedischen Ministerpräsidentin Magdalena Andersson hinter die Pläne der beiden Länder.
UPDATE: Türkei will Gespräche über PKK vor Nato-Mitgliedschaft Finnlands und Schwedens
Die Türkei ist offen für einen Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens, fordert aber Verhandlungen mit beiden Ländern über deren Umgang mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. "Wir schließen die Tür nicht. Aber wir sprechen dieses Thema (PKK) grundsätzlich als eine Angelegenheit der nationalen Sicherheit der Türkei an", sagte Ibrahim Kalin, Sprecher von Präsident Recep Tayyip Erdogan und auch dessen oberster außenpolitischer Berater, in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. Erdogan hatte am Freitag gesagt, er könne einer Nato-Mitgliedschaft Schwedens und Finnlands nicht zustimmen, da diese Länder Heimat vieler Terror-Organisationen seien.Read full story Einer Aufnahme der beiden Länder müssten alle Nato-Mitglieder zustimmen, also auch die Türkei.
Die Türkei wolle Verhandlungen mit Finnland und Schweden, sagte Kalin. Die PKK, die von der Türkei, den USA und der Europäischen Union als Terror-Organisation eingestuft werde, betreibe in Europa Geldbeschaffung und Rekrutierung. Ihre Präsenz sei vor allem in Schweden stark. Was getan werden müsse, sei klar: "Sie müssen aufhören, PKK-Vertretungen, Aktivitäten, Organisationen, Einzelpersonen und andere Arten der Präsenz (...) in diesen Ländern zuzulassen." Die Türkei kritisiert Schweden und andere Länder Europas seit Jahren für ihren Umgang mit Organisationen, die von der Türkei als terroristisch eingestuft werden, darunter auch die von Anhängern des in den USA lebenden islamischen Geistlichen Fethullah Gülen.
Der Weg hin zu einer Nato-Mitgliedschaft sei immer ein Prozess, sagte Kalin. "Wir werden sehen, wie sich die Dinge entwickeln." Das Thema PKK sei aber der erste Punkt, den man allen Verbündeten und den schwedischen Behörden zur Kenntnis bringen wolle. Natürlich wolle die Türkei darüber mit den schwedischen Partnern diskutieren und verhandeln.