Deutschland

IfW-Vize fordert Rente mit 70: "Rentenversicherung läuft in ein Finanzierungsproblem"

Der Vorschlag des Vizepräsidenten des IfW Kiel, Stefan Kooths, wurde kontrovers diskutiert. Nun will er Missverständnisse aus dem Weg räumen – und weist dabei auf ein gewichtiges Problem hin.
Autor
24.05.2022 13:06
Lesezeit: 1 min
IfW-Vize fordert Rente mit 70: "Rentenversicherung läuft in ein Finanzierungsproblem"
Während der Vorschlag einer Anhebung des Renteneintrittsalters auf 70 derzeit die Gemüter erhitzt, sind die Aussichten für künftige Generationen umso düsterer. (Foto: dpa)

Der Vorschlag des Vizepräsidenten und Konjunkturchefs des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW), Stefan Kooths, sorgte kürzlich für kontroverse Diskussionen. In einer Mitteilung des IfW versucht Kooths nun Missverständnisse aus dem Weg zu räumen. So sei seines Erachtens in der medialen Berichterstattung der Eindruck erweckt worden, dass das höhere Renteneintrittsalter ein Mittel gegen die derzeit hohen Teuerungsraten darstelle.

Diesen Eindruck dementiert Kooths deutlich: "Das ist natürlich Unfug. Richtig ist: Die demografische Entwicklung führt neben anderen Faktoren dazu, dass der bisherige Kurs der Geldpolitik in den 2020ern stärker inflationär wirken würde als in den 2010er Jahren." Das spräche für einen geldpolitischen Kurswechsel. Die Verantwortung dafür liege allein bei der Zentralbank und nicht bei den Rentnern.

Kooths: Rente mit 70 hat nichts mit Inflationsdruck zu tun

"Mit dem aktuellen Inflationsdruck hat der Rentenvorschlag daher überhaupt nichts zu tun", erklärt Kooths. Auf die Frage hin, worum es denn bei seinem Vorschlag der "Rente mit 70 im Jahr 2070" dann wirklich ginge, antwortet der Ökonom: "Der Grund ist, dass bis dahin unsere Lebenserwartung um vier Jahre im Vergleich zu heute gestiegen sein dürfte. Ließe man alle Parameter der Rentenversicherung einfach unverändert – Beitragssatz, Rentenhöhe und Renteneintrittsalter –, läuft sie in ein Finanzierungsproblem."

Dieses Finanzierungsproblem müsse der Staat laut Kooths dann gegebenenfalls auf anderem Wege stemmen: "Die Löcher müssten dann aus dem Bundeshaushalt gestopft werden mit Geld, das dann für andere Aufgaben fehlt oder die Steuerquote immer weiter steigen lässt." Zudem macht Kooths klar, dass es ihm um die Generationengerechtigkeit geht: "Wenn Angestellte in rund 50 Jahren drei Jahre später in Rente gehen, aber im Schnitt vier Jahre länger leben, haben sie unterm Strich ein Jahr länger etwas von der Rente als die heutige Generation."

Ausnahmen für jene, die körperlich nicht länger arbeiten können

Es ginge in letzter Konsequenz also darum, "wie die zusätzlichen Lebensjahre auf Erwerbstätigkeit und Ruhestand aufgeteilt werden". Gleichsam betont Kooths: "Wer körperlich nicht länger arbeiten kann, ist selbstverständlich ausgenommen." Das würden "zum Glück aufgrund besserer Arbeitsbedingungen, medizinischen Fortschritts etc. aber immer weniger Menschen sein".

Genau das sei auch der Grund, weshalb die Lebenserwartung überhaupt steige. "Mehr Lebensjahre bei guter Gesundheit sind ein großartiger Erfolg unseres Wirtschaftssystems. Das sollte ein Grund zur Freude sein und kein Anlass, überall Ungemach und Ungerechtigkeit zu wittern."

Ob die derzeitige rentenpolitische Entwicklung langfristig tatsächlich Anlass zur Freude geben wird, ist freilich anzuzweifeln. Die Forderung Kooths ist aber mindestens ein starker Indikator dafür, dass die demografische Entwicklung Deutschlands politisch nicht länger ignoriert werden kann.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Rutte warnt in Berlin: Russland sieht Europa als nächstes Ziel
11.12.2025

Bundeskanzler Merz und Nato-Generalsekretär Rutte haben in Berlin Alarm geschlagen. Russland ziele nicht nur auf die Ukraine, sondern...

DWN
Finanzen
Finanzen Münchener Rück-Aktie: Neue Strategie setzt deutliche Gewinneffekte frei
11.12.2025

Die Münchener Rück-Aktie gewinnt an Tempo – und das aus gutem Grund. Die neue Strategie Ambition 2030 verspricht höhere Gewinne,...

DWN
Politik
Politik Analyse: Putin und Trump spielen im selben Team gegen Europa
11.12.2025

Putin und Trump sprechen plötzlich dieselbe Sprache. Europas Zukunft steht auf dem Spiel, während Washington und Moskau ein gemeinsames...

DWN
Technologie
Technologie Halbleiter-Förderung: Dresden und Erfurt erhalten grünes Licht
11.12.2025

Europa hängt bei Chips weiter an Asien – nun greift die EU zu einem Milliardenhebel. Deutschland darf zwei neue Werke in Dresden und...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB erhöht Druck: Vereinfachte Regeln für Europas Banken
11.12.2025

Die EZB drängt auf einfachere EU-Bankenvorschriften und will kleinere Institute entlasten. Doch wie weit darf eine Reform gehen, ohne...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ifo-Institut korrigiert Wirtschaftsprognose: Deutschlands Aufschwung bleibt schwach
11.12.2025

Die neue Wirtschaftsprognose des Ifo-Instituts dämpft Hoffnungen auf einen kräftigen Aufschwung. Trotz Milliardeninvestitionen und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Klimarisiken: Unternehmen gefährden ihre Umsätze durch schwaches Risikomanagement
11.12.2025

Unternehmen geraten weltweit unter Druck, ihre Klimarisiken präziser zu bewerten und belastbare Strategien für den Übergang in eine...

DWN
Politik
Politik Trump warnt die Ukraine und verspottet Europa. „Am Ende gewinnt der Stärkere“
11.12.2025

US-Präsident Donald Trump erhöht den Druck auf die Ukraine und attackiert gleichzeitig europäische Staatschefs. Seine Aussagen im...