Wirtschaft

Energie-Rationierung: Europa droht ein kalter Winter

Europa droht im Winter ein Energieengpass und in der Folge eine Rationierung der Versorgung. Laut IEA wird die Knappheit schlimmer als in den 70er Jahren.
09.06.2022 11:34
Lesezeit: 2 min
Energie-Rationierung: Europa droht ein kalter Winter
Das Autobahnkreuz Duisburg-Kaiserberg am 2. Dezember 1973 während des zweiten sonntäglichen Fahrverbots. Der Öl-Boykott der Opec-Länder traf vor allem die Autofahrer. (Foto: dpa) Foto: Horst Ossinger

Europa droht in diesem Winter eine Rationierung der Energieversorgung, insbesondere wenn die kalte Witterung mit dem Wiederaufleben der wirtschaftlichen Nachfrage in China zusammenfällt. Diese Warnung kommt von Fatih Birol, dem Exekutivdirektor der Internationalen Energieagentur.

Birol zufolge könnte es zu Rationierungen für industrielle und andere Gasverbraucher kommen. "Wenn wir einen strengen und langen Winter haben und keine [nachfrageseitigen Maßnahmen] ergreifen, würde ich eine Rationierung des Erdgases in Europa nicht ausschließen, angefangen bei den großen Industrieanlagen", sagte er gegenüber der Financial Times. Die Staaten sollten durch eine höhere Effizienz die Energienachfrage senken.

Die zu erwartende Gasknappheit wäre jedoch weniger schwerwiegend, "wenn die chinesische Wirtschaft nicht in dem üblichen Tempo wächst". In den letzten Monaten haben die im Rahmen der Null-Covid-Politik verhängten Beschränkungen das Wirtschaftswachstum gebremst und die Energienachfrage gedrückt. Doch nun hat das Land seine Wirtschaft wieder geöffnet.

Viele Staaten Europas sind stark von russischem Gas abhängig. Gazprom, der staatlich kontrollierte russische Energieriese, hat bereits Ländern wie Polen, Bulgarien und Finnland und seit letzter Woche auch den Niederlanden und Dänemark den Gashahn zugedreht, weil sie seinen Forderungen nach einem neuen Rubel-Zahlungsmechanismus nicht nachgekommen sind.

Dänemarks Klimaminister Dan Jørgensen bekräftigt die Warnungen des Leiters der Internationalen Energieagentur. In einem Interview sagte Jørgensen, dass Notfallpläne, die auch Energierationierungen beinhalten könnten, notwendig werden könnten, wenn Europa kein russisches Gas mehr importiert.

Deutschland hatte im März erklärt, dass es im Falle einer akuten Verknappung Teile der Industrie vom Gasnetz abtrennen wird, damit wenigstens die Haushalte mit Energie versorgt werden können. Laut EU-Energiekommissar Kadri Simson entwickelt die EU Notfallpläne für einen vollständigen Stopp der russischen Gasimporte. Insider zufolge würde dies auch Rationierungen für die Industrie beinhalten.

Am Mittwoch auf einer IEA-Konferenz in Dänemark, an der Minister und Regierungsvertreter aus mindestens 20 Ländern teilnahmen, erklärte die Agentur, dass die Welt ihren jährlichen Energieverbrauch bis 2030 um das Äquivalent des derzeitigen Jahresverbrauchs Chinas senken könnte, indem sie Maßnahmen zur Effizienzsteigerungen ergreift, darunter eine bessere Gebäudeisolierung und bessere Klimaanlagen.

Birol sagte, dass die Energiesicherheit durch höhere Effizienz, den verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien und die optimale Nutzung bestehender Öl- und Gasfelder erreicht werden sollte - und nicht durch neue, große Projekte für fossile Brennstoffe, "die bis in die 2040er und 2050er Jahre dauern und den Abschied von unserer internationalen Klimapolitik" bedeuten könnten.

Der Chef der Internationalen Energieagentur warnte jedoch davor, dass die hohen Ölpreise für viele Volkswirtschaften schmerzhaft sein könnten. Der Preis für Rohöl der Sorte Brent erreichte Ende Mai seinen Jahreshöchststand, nachdem die EU ein Verbot für die meisten russischen Öleinfuhren angekündigt hatte, und ist seitdem weiter gestiegen.

Bereits Ende Mai hatte Birol dem Spiegel gesagt, dass die Welt heute vor einer "viel größeren" Energiekrise steht als in den 1970er Jahren. "Damals ging es nur um Öl, jetzt haben wir eine Ölkrise, eine Gaskrise und eine Stromkrise gleichzeitig", sagte der Leiter der Internationalen Energieagentur, die nach dem Schock des arabischen Ölembargos in den 1970er Jahren gegründet wurde.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Start-up Automotive: Der Weg ist für Bareways das Ziel
02.05.2025

Navigationssysteme zeigen den schnellsten oder kürzesten Weg von A nach B. Das Start-up Bareways geht noch einen Schritt weiter: Es...

DWN
Politik
Politik EU bietet Trump milliardenschweren Deal – Brüssel will US-Produkte kaufen, um Zollkrieg zu stoppen
02.05.2025

Inmitten eskalierender Handelskonflikte zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union hat Brüssel nun eine weitreichende...

DWN
Technologie
Technologie Visa ebnet Weg für KI-Agenten im Online-Handel – Der stille Umbau des Zahlungsverkehrs hat begonnen
02.05.2025

Visa läutet das Zeitalter des KI-Handels ein: Künstliche Intelligenz soll künftig im Namen der Nutzer einkaufen und bezahlen –...

DWN
Politik
Politik AfD gesichert rechtsextremistisch: Verfassungsschutz stuft die Partei als rechtsextrem ein - AfD kündigt juristische Schritte an
02.05.2025

Der Verfassungsschutz hat die gesamte AfD als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. In einer ersten Reaktion kündigt die...

DWN
Panorama
Panorama Corona-Ursprung und Labor-These: China widerspricht US-Regierung
02.05.2025

China macht die USA für den Ursprung des Coronavirus verantwortlich und beschuldigt die US-Regierung, das Thema zu „politisieren“, um...

DWN
Panorama
Panorama Teure Tierliebe: Deutsche geben mehr als sieben Milliarden für Haustiere aus
02.05.2025

Heimtiermarkt trotzt Wirtschaftsflaute: Über sieben Milliarden gaben die stolzen Besitzer im vergangenen Jahr für ihre Haustiere aus....

DWN
Politik
Politik Jugendtrendstudie 2025 belegt: Junge Frauen in Deutschland leben mit massiver Angst vor Übergriffen
02.05.2025

Die aktuelle Jugendtrendstudie offenbart, dass die junge Generation sich in ihrem Land nicht mehr sicher fühlt. Besonders Frauen haben...

DWN
Politik
Politik Kommunalwahlen in Grossbritannien: Nigel Farage und seine Reform UK Partei siegen in Starmers Wahlkreis
02.05.2025

Schwere Niederlage für Labour: In Umfragen hatten sie bereits vor den beiden traditionellen britischen Parteien die Nase vorn. Nun zeigt...