Die EZB will bei der Wiederanlage von Geldern aus auslaufenden Anleihen höher verschuldeten Euro-Ländern künftig gezielt unter die Arme greifen. Der EZB-Rat habe beschlossen, bei den anstehenden Reinvestitionen der Gelder aus dem billionenschweren Krisen-Anleihenkaufprogramm PEPP "Flexibilität" walten zu lassen, kündigte die Europäische Zentralbank (EZB) am Mittwoch nach einer Sondersitzung des EZB-Rats an. Darüber hinaus sei beschlossen worden, zuständige Ausschüsse zu beauftragen, ein neues Werkzeug gegen ein Auseinanderlaufen der Renditen von Staatsanleihen in der Euro-Zone schneller fertigzustellen.
Die Renditen für Schuldenpapiere der Euro-Länder waren zuletzt kräftig gestiegen, die der südlichen Länder besonders stark. Ohnehin schon von hohen Schuldenständen geplagte Staaten wie Italien geraten damit noch mehr unter Druck, da ihre Finanzierungskosten steigen. Die Renditeabstände - die sogenannten Spreads - zwischen den Staatsanleihen der südeuropäischen Länder und Deutschlands weiteten sich erheblich aus. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte bereits in Aussicht gestellt, bei Bedarf werde die Notenbank bestehende Instrumente oder neue Instrumente einsetzen.
Die Währungshüter hatten zuvor eine außerordentliche Ratssitzung abgehalten, um die Folgen der jüngsten Verkaufswelle am Anleihemarkt zu erörtern. Einige Ratsmitglieder, die an diesem Mittwoch eigentlich auf einer Veranstaltung in Mailand erwartet wurden, hätten wegen der Ratssitzung ihre Reise dorthin abgesagt.
Auffallend ist, dass das die Notfallsitzung an jenem Tag stattfindet, an dem auch die US-Zentralbank höchstwahrscheinlich eine starke Leitzinsanhebung verkünden wird.
Im Zuge der Nachricht legte der Euro um 0,5 Prozent auf 1,0461 Dollar zu. Die Rendite der zehnjährigen italienischen Staatsanleihen fiel im Gegenzug um fast 18 Basispunkte auf 4,03 Prozent. Die EZB hatte am Donnerstag auf ihrer jüngsten Zinssitzung eine Reihe von Zinserhöhungen angekündigt. Seitdem waren die Anleiherenditen stark gestiegen.
Die Episode der stark steigenden Anleihezinsen zeigt, dass die EZB - wie die anderen großen Notenbanken auch - inzwischen so tief in die Manipulation der Märkte verstrickt ist, dass sich ein Zurückfahren der Interventionen sofort in krisenhaften Verwerfungen äußert. Als Reaktion darauf wird die Manipulation nun noch verstärkt, indem einzelnen Staaten besonders unter die Arme gegriffen wird.
Als die EZB das bislang letzte Mal eine Sondersitzung im Zuge von Marktturbulenzen abhielt, wurde kurz danach das billionenschwere Corona-Notfallkaufprogramm PEPP aufgelegt. Während der Pandemie war dieses das wichtigste Instrument der Geldpolitik, um für günstige Finanzierungsbedingungen zu sorgen.