Finanzen

EZB hält außerplanmäßige Notfallsitzung ab, kündigt gezielte Hilfen für hochverschuldete Staaten an

Angesichts zunehmender Spannungen auf den Anleihemärkten hat die EZB für Mittwoch zu einem außerplanmäßigen Treffen gerufen - hinter den Kulissen brennt es offenbar gewaltig.
15.06.2022 09:00
Aktualisiert: 15.06.2022 09:06
Lesezeit: 2 min
EZB hält außerplanmäßige Notfallsitzung ab, kündigt gezielte Hilfen für hochverschuldete Staaten an
Das Euro-Zeichen in Frankfurt. (Foto: dpa) Foto: Frank Rumpenhorst

Die EZB will bei der Wiederanlage von Geldern aus auslaufenden Anleihen höher verschuldeten Euro-Ländern künftig gezielt unter die Arme greifen. Der EZB-Rat habe beschlossen, bei den anstehenden Reinvestitionen der Gelder aus dem billionenschweren Krisen-Anleihenkaufprogramm PEPP "Flexibilität" walten zu lassen, kündigte die Europäische Zentralbank (EZB) am Mittwoch nach einer Sondersitzung des EZB-Rats an. Darüber hinaus sei beschlossen worden, zuständige Ausschüsse zu beauftragen, ein neues Werkzeug gegen ein Auseinanderlaufen der Renditen von Staatsanleihen in der Euro-Zone schneller fertigzustellen.

Die Renditen für Schuldenpapiere der Euro-Länder waren zuletzt kräftig gestiegen, die der südlichen Länder besonders stark. Ohnehin schon von hohen Schuldenständen geplagte Staaten wie Italien geraten damit noch mehr unter Druck, da ihre Finanzierungskosten steigen. Die Renditeabstände - die sogenannten Spreads - zwischen den Staatsanleihen der südeuropäischen Länder und Deutschlands weiteten sich erheblich aus. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte bereits in Aussicht gestellt, bei Bedarf werde die Notenbank bestehende Instrumente oder neue Instrumente einsetzen.

Die Währungshüter hatten zuvor eine außerordentliche Ratssitzung abgehalten, um die Folgen der jüngsten Verkaufswelle am Anleihemarkt zu erörtern. Einige Ratsmitglieder, die an diesem Mittwoch eigentlich auf einer Veranstaltung in Mailand erwartet wurden, hätten wegen der Ratssitzung ihre Reise dorthin abgesagt.

Auffallend ist, dass das die Notfallsitzung an jenem Tag stattfindet, an dem auch die US-Zentralbank höchstwahrscheinlich eine starke Leitzinsanhebung verkünden wird.

Im Zuge der Nachricht legte der Euro um 0,5 Prozent auf 1,0461 Dollar zu. Die Rendite der zehnjährigen italienischen Staatsanleihen fiel im Gegenzug um fast 18 Basispunkte auf 4,03 Prozent. Die EZB hatte am Donnerstag auf ihrer jüngsten Zinssitzung eine Reihe von Zinserhöhungen angekündigt. Seitdem waren die Anleiherenditen stark gestiegen.

Die Episode der stark steigenden Anleihezinsen zeigt, dass die EZB - wie die anderen großen Notenbanken auch - inzwischen so tief in die Manipulation der Märkte verstrickt ist, dass sich ein Zurückfahren der Interventionen sofort in krisenhaften Verwerfungen äußert. Als Reaktion darauf wird die Manipulation nun noch verstärkt, indem einzelnen Staaten besonders unter die Arme gegriffen wird.

Als die EZB das bislang letzte Mal eine Sondersitzung im Zuge von Marktturbulenzen abhielt, wurde kurz danach das billionenschwere Corona-Notfallkaufprogramm PEPP aufgelegt. Während der Pandemie war dieses das wichtigste Instrument der Geldpolitik, um für günstige Finanzierungsbedingungen zu sorgen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Neue Studie: Grüne Fonds unterscheiden sich nur minimal von traditionellen Produkten
01.12.2025

Viele Anleger erwarten, dass nachhaltige Fonds klare Alternativen zu traditionellen Produkten bieten und Kapital in verantwortungsvollere...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis-Prognose: Experten sehen weiterhin Potenzial am Markt
30.11.2025

Die Entwicklung am Goldmarkt sorgt derzeit für besondere Aufmerksamkeit, da viele Anleger Orientierung in einem zunehmend unsicheren...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Start-ups: Talente ziehen lieber in die USA statt nach Europa
30.11.2025

Immer mehr europäische Start-ups verlagern ihre Aktivitäten in die USA, um dort leichter an Risikokapital zu gelangen. Kann Europa durch...

DWN
Politik
Politik Militärischer Schengen-Raum: Wie die EU die Truppenmobilität beschleunigen will
30.11.2025

Die sicherheitspolitischen Spannungen in Europa erhöhen den Druck auf die EU, ihre militärische Handlungsfähigkeit neu auszurichten. Wie...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Digital Champions: Das sind die neuen deutschen Tech-Vorbilder
30.11.2025

Von Leipzig bis Heidelberg entsteht eine Generation von Startups, die KI-Forschung in Markterfolg übersetzt. Digitale Champions wie Aleph...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI-Blase durch steigende Investitionen: Wie EU und deutsche Wirtschaft betroffen sind
30.11.2025

Die rasanten Investitionen in künstliche Intelligenz lassen Experten vor einer möglichen KI-Blase warnen. Droht diese Entwicklung, die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Rüstungsindustrie im Aufschwung: USA profitieren von der Aufrüstung
30.11.2025

Europa versteht sich gern als Friedensmacht, die auf Diplomatie und Werte setzt, während in ihrem Inneren eine hochdynamische Sicherheits-...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Russland übernimmt ausländische Markenrechte: Mehr als 300 Brands gefährdet
30.11.2025

Ausländische Marken geraten in Russland zunehmend unter Druck, seit viele Unternehmen ihre Aktivitäten im Land eingestellt haben. Wie...