Im Streit um Brexit-Regeln für die britische Provinz Nordirland geht die EU gegen London vor. Damit reagierte die EU-Kommission am Mittwoch auf ein zu Wochenbeginn vorgestelltes Gesetz, mit dem die britische Regierung eine gemeinsame Vereinbarung - das sogenannte Nordirland-Protokoll - untergraben könnte. Konkret geht es um drei rechtliche Verfahren: Zwei dieser Vertragsverletzungsverfahren werden neu eingeleitet, ein weiteres wieder aufgenommen. Diese können mit einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof und einer Geldstrafe für London enden.
Trotz wiederholter Aufforderungen habe die britische Regierung es versäumt, das Protokoll umzusetzen, teilte die EU-Kommission mit. "Dies ist ein klarer Verstoß gegen das Völkerrecht." Das sei nicht akzeptabel, sagte der für die Verhandlungen zwischen London und Brüssel zuständige EU-Kommissar Maros Sefcovic.
Nach dem Brexit war ein Streit darüber entbrannt, wie und wo Waren kontrolliert werden sollen, die aus Großbritannien nach Nordirland gebracht werden. Beide Seiten wollen eine Grenze auf der irischen Insel vermeiden, da befürchtet wird, dass dies in Gewalt enden könnte und den Nordirland-Konflikt wieder anheizen könnte.
Das Nordirland-Protokoll ist Teil des 2019 geschlossenen Brexit-Abkommens. Es sieht vor, dass die zum Vereinigten Königreich gehörende Provinz weiter den Regeln des EU-Binnenmarkts und der Europäischen Zollunion folgt. Damit sollen Warenkontrollen zum EU-Mitglied Republik Irland verhindert werden, um ein Wiederaufflammen des Konflikts zwischen Gegnern und Befürwortern einer Vereinigung der beiden Teile Irlands zu verhindern. Dafür ist nun aber eine innerbritische Warengrenze entstanden.
Scholz: Haben gesamten Instrumentenkasten
Bundeskanzler Olaf Scholz droht der britischen Regierung wegen des geplanten Bruchs von Brexit-Vereinbarungen weitreichende Maßnahmen an. "Das ist eine sehr bedauerliche Entscheidung. Und es gibt keinen Anlass dafür", sagte Scholz am Montagabend in Berlin. Die EU werde sehr einheitlich reagieren. "Und sie hat ihren ganzen Instrumentenkasten dafür zur Verfügung", fügte der Kanzler mit Blick auf mögliche Konsequenzen hinzu, ohne aber Details zu nennen. Mit der Zuspitzung wächst die Gefahr eines Handelskrieges zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich.
Auch die katholisch-nationalistische Partei Sinn Fein wirft der britischen Regierung einen Gesetzesbruch bei den geplanten Änderungen des Nordirland-Abkommens vor. "Sie ist nicht konstruktiv, sie hat einen destruktiven Weg eingeschlagen, und sie plant nun eine Gesetzgebung, die zweifellos internationales Recht brechen wird", sagte Parteichefin Mary Lou McDonald am Sonntag dem Sender Sky News. Sinn Fein hatte zuletzt bei der Parlamentswahl in der britischen Provinz Nordirland einen historischen Sieg errungen und zu einer Debatte über eine Vereinigung mit dem EU-Staat Irland aufgerufen.
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Schottland: neues Unabhängigkeitsreferendum 2023?
Die zunehmende Aussicht auf ein zweites schottisches Unabhängigkeitsreferendum hat einen Kurssturz des Pfunds ausgelöst. Die schottische Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon kündigte am Dienstag an, demnächst dazu weitere Details bekanntgeben zu wollen. Die britische Währung fiel darauf hin um 1,2 Prozent gegenüber dem Euro auf 86,81 Pence und erreichte damit den niedrigsten Stand seit Mai letzten Jahres. "Das Risiko einer schottischen Unabhängigkeit war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte", sagte Simon Harvey, Leiter der Devisenanalyse bei Monex Europe. Die britische Wirtschaft war im April unerwartet geschrumpft.
"Schottland wird unter der Kontrolle von Westminster ausgebremst", sagte Sturgeon. Die Kritikerin des britischen Premierministers Boris Johnson und des Brexits will bis Ende 2023 erneut abstimmen lassen. Johnson und seine Konservative Partei, die in Schottland in der Opposition sitzt, lehnen ein Referendum strikt ab. Sie sind der Meinung, dass die Frage 2014 geklärt wurde. Damals hatten die Schotten mit 55 Prozent gegen eine Unabhängigkeit gestimmt. Bei den Wahlen im vergangenen Jahr errangen die Befürworter einer Loslösung jedoch eine Mehrheit im schottischen Parlament.