Deutschland

Ifo-Geschäftsklima: Gasknappheit drückt die Stimmung

Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich spürbar eingetrübt. Sollten die russischen Gaslieferungen ausfallen, erwarten Ökonomen eine Wirtschaftskrise.
24.06.2022 10:49
Aktualisiert: 24.06.2022 10:49
Lesezeit: 2 min

Am Donnerstag hat die Bundesregierung die Alarmstufe im Notfallplan Gas ausgerufen. Grund ist eine starke Verringerung der russischer Gaslieferungen. Unternehmen schauen voller Sorgen auf die nächsten Monate, vor allem die von Gas-Importen besonders abhängigen.

Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich im Juni aus Sorge über die Energieversorgung spürbar eingetrübt. Das Ifo-Geschäftsklima fiel im Monatsvergleich um 0,7 Punkte auf 92,3 Zähler, wie das Ifo-Institut am Freitag in München mitteilte. Analysten hatten zwar mit einer Eintrübung gerechnet, allerdings nur mit einer leichten auf 92,8 Punkte.

«Steigende Energiepreise und die drohende Gasknappheit bereitet der deutschen Wirtschaft große Sorgen», kommentierte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Am Donnerstag hatte die Bundesregierung die Alarmstufe im Notfallplan Gas ausgerufen. Grund ist eine starke Verringerung der Gaslieferungen durch Russland. Ökonomen warnen vor erheblichen Folgen für die deutsche Wirtschaft, sollten die russischen Gaslieferungen komplett ausfallen.

Trüb fiel die Stimmung in der Industrie und im Handel aus. «Insbesondere die chemische Industrie ist höchst beunruhigt», sagte Fuest. In der Chemie hat die Verwendung von Gas eine hohe Bedeutung. Auch Groß- und Einzelhändler blickten «äußerst sorgenvoll» auf die kommenden Monate. Die Dienstleister und das Baugewerbe waren dagegen etwas zuversichtlicher. «Das Gastgewerbe erlebt einen guten Sommer.»

Bankvolkswirte werteten die Stimmungseintrübung wegen der wirtschaftlichen Probleme als moderat. «Angesichts einer gefährdeten Energieversorgung, rekordhoher Inflationsraten und zerrütteter Produktionsketten ist es erstaunlich, dass sich die Stimmung in den Unternehmen auf diesem Niveau hält», sagte Ulrich Kater, Chefökonom der Dekabank. «Die verschlechterten Erwartungen zeigen ganz klar, dass für die Firmen die wesentliche Herausforderung in der Energieversorgung im kommenden Winter besteht.» Insgesamt sei für die deutsche Volkswirtschaft in diesem Jahr wohl nicht mehr drin als eine Stagnation.

Pessimistisch äußerte sich auch Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. «Tatsächlich ist die konjunkturelle Situation labil.» Zum einen könnte es nach einer weiteren Reduzierung der russischen Gaslieferungen zu einer folgenschweren Rationierung von Gas in der Industrie kommen. Zum anderen dürften die Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed im kommenden Jahr eine Rezession auslösen. Daher habe die Commerzbank ihre Wachstumsprognose für Deutschland im kommenden Jahr von 2,5 auf 1,0 Prozent reduziert. Für dieses Jahr rechnen die Commerzbank-Volkswirte unverändert mit 1,5 Prozent Wachstum.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Putins Imperium zerbröckelt: Aserbaidschan demütigt den Kreml – mit Hilfe der Türkei
10.07.2025

Aserbaidschan widersetzt sich offen Moskau, schließt russische Propagandakanäle und greift zur Verhaftung von Russen – ein Tabubruch in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Gasfeld vor Zypern könnte Europas Energiestrategie neu ausrichten
10.07.2025

Ein neues Erdgasfeld vor Zypern könnte zum Wendepunkt in Europas Energiepolitik werden.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Baywa Milliardenverlust: Jahreszahlen zeigen das ganze Ausmaß der Krise beim Mischkonzern
10.07.2025

Jetzt ist der Milliardenverlust bei der Baywa amtlich: Das Minus von 1,6 Milliarden Euro ist vor allem auf Abschreibungen bei der...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Rechnung für die Private-Equity-Branche: 79 Milliarden
10.07.2025

Donald Trumps Zollkurs und globale Kriege setzen der Private-Equity-Branche massiv zu. Was hinter dem dramatischen Kapitalschwund steckt...

DWN
Politik
Politik „Kleiner Lichtblick für die Ukraine“ nach Trumps Kehrtwende
10.07.2025

Der Kurswechsel der USA beim Waffenlieferprogramm für die Ukraine dürfte die Gespräche europäischer Staats- und Regierungschefs in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ostdeutsche Betriebsräte fordern Ende von Habecks Energiewende: Industriestandort gefährdet
10.07.2025

Nach dem Verlust von über 100.000 Industriearbeitsplätzen richten ostdeutsche Betriebsräte einen dramatischen Appell an Kanzler Merz....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Schuldenkrise: Droht der Dollar-Kollaps? Was Anleger jetzt wissen müssen
10.07.2025

Die USA spielen mit dem Feuer: Zölle, Dollar-Schwächung und wachsende Schulden bedrohen das globale Finanzsystem. Doch es gibt Strategien...

DWN
Finanzen
Finanzen Hochsteuerland: Staat zockt Menschen ab - Von einem Euro bleiben Arbeitnehmern nur 47 Cent
10.07.2025

Bis zum 13. Juli arbeiten die Menschen in Deutschland in diesem Jahr nach Angaben des Bundes der Steuerzahler für die Staatskasse. Der...