Politik

Falscher Klitschko blamiert Bürgermeister in ganz Europa

Ein Nachahmer hat sich in mehreren europäischen Rathäusern per Telefon als Vitali Klitschko ausgegeben. Bürgermeister in ganz Europa sind darauf hereingefallen.
25.06.2022 14:58
Lesezeit: 2 min
Falscher Klitschko blamiert Bürgermeister in ganz Europa
Der echte Klitschko fordert nun Ermittlungen. (Foto: dpa) Foto: Markus Schreiber

In betrügerischen Fake-Anrufen hat sich ein Unbekannter fälschlicherweise als Vitali Klitschko, Bürgermeister von Kiew, ausgegeben - und mit dem Bluff für Aufregung in Rathäusern quer durch Europa gesorgt. Offenkundig digital manipulierte Videoschalten gab es unter anderem mit Berlins Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey sowie mit den Bürgermeistern von Madrid und Wien.

Der echte Klitschko sagte in einem am Samstag via «Bild» verbreiteten Video, dahinter stecke kriminelle Energie. «Bei mehreren Bürgermeistern in Europa hat sich ein falscher Klitschko gemeldet, der absurde Dinge von sich gegeben hat.» Es müsse dringend ermittelt werden, wer dahinter steckt.

Klitschko betonte, offizielle Gespräche könne es nur über offizielle Kanäle in Kiew geben. Für Gespräche auf Deutsch oder Englisch brauche er auch nie einen Übersetzer, fügte er hinzu.

Giffey hatte bei einer Videoschalte am Freitag Zweifel bekommen, ob sie tatsächlich wie erwartet mit Kiews Bürgermeister verbunden war. Das Gespräch endete dann vorzeitig. Die Senatskanzlei geht von einer digitalen Manipulation aus. Der für politisch motivierte Straftaten zuständige Staatsschutz der Kriminalpolizei hat Ermittlungen aufgenommen.

Auch in Madrid wurde Bürgermeister José Luis Martinez-Almeida bei dem Videotelefonat mit dem vorgeblichen Bürgermeister Klitschko schnell misstrauisch und brach das Gespräch ab, wie der Sprecher des Bürgermeisteramtes, Daniel Bardavío Colebrook, bestätigte.

Am Mittwoch telefonierte auch der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) angeblich mit Klitschko, worüber er an dem Tag auch twitterte. Einer ORF-Journalistin sagte er am Samstag, der Anrufer habe auf Englisch gesprochen. Die E-Mailadressen, über die das Gespräch vorbereitet wurde, hätten vertrauenswürdig gewirkt.

Gegen Ende wäre der angebliche Klitschko dann fordernder aufgetreten. Man habe deshalb das Gespräch dann beendet, aber es sei dennoch kein Zweifel aufgekommen. Ludwig sagte dem ORF: «Nachdem in dem Gespräch keine verfänglichen Themen behandelt worden sind, ist das im konkreten Anlassfall sicher ärgerlich, aber kein großes Problem.»

Die Berliner Senatskanzlei geht von einer digitalen Manipulation aus: «Allem Anschein nach haben wir es mit Deepfake zu tun», sagte Senatssprecherin Lisa Frerichs. Als Deepfakes bezeichnet man realistisch wirkende Medieninhalte, die mit Techniken künstlicher Intelligenz manipuliert wurden.

Bislang lässt sich nur darüber spekulieren, welche Art der Manipulation beim Video-Telefonat mit dem falschen Klitschko verwendet wurde. Das von der Senatskanzlei veröffentlichte Foto zeigt Kiews Bürgermeister in einem Setting, das wie das eines Interviews mit einem ukrainischen Journalisten im Frühjahr aussieht. Klitschko trägt die gleiche hellbraune Jacke und im Hintergrund ist ebenfalls unter anderem die ukrainische Flagge zu sehen.

Möglicherweise wurde das Videomaterial des damaligen Interviews als Grundlage verwendet und in Echtzeit mit dem Gesprochenen und den Lippenbewegungen desjenigen zusammengeführt, der tatsächlich mit Giffey sprach. Fachleute nennen das Face Reenactment.

Zu Beginn des Gesprächs sei gefragt worden, ob es auf Russisch stattfinden und übersetzt werden könne, so Giffey auf Twitter. Es wäre nachvollziehbar, dass sie also relativ wenig auf die Stimme ihres Gesprächspartners achtete, da sie der Übersetzung folgte.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik IfW-Analyse: Europa verstärkt Ukraine-Hilfe deutlich
16.06.2025

Die europäische Ukraine-Hilfe hat in den vergangenen Monaten stark zugenommen – doch nicht überall im gleichen Maß. Während die USA...

DWN
Politik
Politik Einbürgerungsantrag: Entscheidung dauert mitunter Jahre
16.06.2025

Die Entscheidung über einen Einbürgerungsantrag kann lange dauern – warum profitieren bislang nur wenige von der verkürzten Frist? Wie...

DWN
Finanzen
Finanzen Ripple-Kurs legt kräftig zu: Woran das liegt und was Anleger jetzt wissen müssen
16.06.2025

Der Ripple-Kurs zeigt sich oft von seiner volatilen Seite. Doch zum Auftakt in die neue Handelswoche klettert der XRP-Coin kräftig –...

DWN
Politik
Politik SPD drängt auf gemeinsame Linie bei AfD-Verbotsverfahren
16.06.2025

Soll die AfD verboten werden? Während einige Bundespolitiker ein AfD-Verbotsverfahren fordern, mahnen andere zur Vorsicht. Im Raum steht...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Blackstone setzt auf Europa – Anleger an der Wall Street uneins über US-Ausblick
16.06.2025

Das Vertrauen der Wall Street in Europa wächst weiter. Mit Blackstone signalisiert nun ein weiteres Schwergewicht der Finanzwelt seine...

DWN
Politik
Politik G7-Gipfel in Kanada: Zerrissene Wertegemeinschaft vor Bewährungsprobe
16.06.2025

Der G7-Gipfel in Kanada steht vor enormen Herausforderungen: Konflikte, Uneinigkeit und globale Krisen prägen das Treffen. Wie finden die...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzprofis zeigen: So bauen sich Studenten ihre Geldmaschine
16.06.2025

Sie zeigen jungen Anlegern, wie man es richtig macht: Zwei schwedische Börsenprofis legen Musterportfolios auf – und erklären, warum...

DWN
Panorama
Panorama Rundfunkbeitrag: Was sich ändert – und was passiert, wenn man nicht zahlt
16.06.2025

Der Rundfunkbeitrag sorgt regelmäßig für Ärger – sei es wegen der Pflichtzahlung oder neuer Regeln. Millionen Bürger sind betroffen,...