Finanzen

Zum ersten Mal seit 1918: Russland im Verzug mit Staatsschulden

Zuletzt sah sich Russland noch unter Lenin mit so einer Situation konfrontiert. Ein düsteres Zeichen für die weitere Entwicklung des kriegführenden Landes.
27.06.2022 15:19
Lesezeit: 2 min

Zum ersten Mal seit knapp einem Jahrhundert ist Russland mit seinen Staatsschulden in Fremdwährung in Verzug geraten. Das berichtet die US-Nachrichtenagentur Bloomberg, laut der damit der Höhepunkt der immer härteren westlichen Sanktionen erreicht sei. Diese hatten Russland die Möglichkeit genommen ausländischen Gläubigern die entsprechenden Summen zurückzuzahlen. Monatelang hatte Moskau versucht, die nach dem russischen Überfall auf die Ukraine verhängten Sanktionen zu umgehen. Doch am Sonntag lief die tilgungsfreie Zeit für die am 27. Mai fälligen Zinszahlungen in Höhe von rund 100 Millionen Dollar ab, eine Frist, die bei Versäumnis als Zahlungsausfall gilt.

Moskau will Schulden in Rubel begleichen

Ein düsteres Zeichen für die rasante Entwicklung des Landes, prognostiziert Bloomberg. Die Eurobonds des Landes würden seit Anfang März zu Notlagen gehandelt, die Währungsreserven der Zentralbank seien eingefroren, und die größten Banken vom globalen Finanzsystem abgeschnitten. Freilich sei der Zahlungsausfall, wie es im Bloomberg-Bericht heißt, vorerst nur symbolischer Natur und für die Russen, die mit einer zweistelligen Inflation und dem schlimmsten Wirtschaftsabschwung seit Jahren zu kämpfen hätten, von lediglich geringer Bedeutung. Russland wiederum wehrt sich gegen die Bezeichnung als zahlungsunfähig und behauptet, es verfüge über die Mittel, um alle Rechnungen zu begleichen, und sei zur Nichtzahlung gezwungen worden.

In seinem Bemühen um einen Ausweg kündigte das Land letzte Woche an, dass es seine ausstehenden Staatsschulden in Höhe von 40 Mrd. USD in Rubel begleichen werde, und kritisierte eine vom Westen künstlich herbeigeführte Situation der "höheren Gewalt". Dies bestätigt auch der Analyst Hassan Malik gegenüber Bloomberg: "Es ist eine sehr, sehr seltene Situation, in der eine Regierung, die ansonsten über die Mittel verfügt, von einer externen Regierung zur Zahlungsunfähigkeit gezwungen wird." Malik betont zudem, dass es sich dabei um einen der größten Staatsbankrotte der Geschichte handeln wird.

Russlands Gläubiger werden wohl abwarten

Zumal Ratingagenturen aufgrund der europäischen Sanktionen keine Ratings für russische Unternehmen mehr durchführen, ist mit einer formellen Bankrotterklärung nicht zu rechnen. Jedoch könnten, schreibt Bloomberg unter Bezugnahme auf die Dokumente zu den Anleihen, deren tilgungsfreie Zeit am Sonntag abgelaufen ist, die Inhaber selbst eine solche Erklärung abgeben, wenn die Eigentümer von 25 % der ausstehenden Anleihen zustimmen würden, dass ein "Ausfallereignis" eingetreten sei. Da die letzte Frist nun verstrichen sei, stelle sich die Frage, was die Anleger nun als nächstes tun würden.

Laut Bloomberg müssten diese jedoch nicht auf der Stelle handeln, sondern können den Fortgang des Krieges in der Hoffnung beobachten, dass die Sanktionen schließlich doch noch gelockert werden. Die Zeit könne auf ihrer Seite sein: Den Anleiheunterlagen zufolge würden die Forderungen erst drei Jahre nach dem Zahlungsdatum verfallen. Auch der Wirtschaftswissenschaftler Takahide Kiuchi erklärt gegenüber Bloomberg, dass die meisten Anleihegläubiger wohl abwarten würden. Zuletzt geriet Russland 1918 in eine solche Situation, als die Bolschewisten unter Wladimir Lenin die gewaltige Schuldenlast des Landes aus der Zarenzeit zurückwiesen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Das Zeitalter des intelligenten passiven Einkommens: Bitcoin-Mining mit BlackchainMining

In der heutigen, sich rasant entwickelnden digitalen Wirtschaft sind Kryptowährungen wie Bitcoin nicht nur Vermögenswerte, sondern auch...

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

DWN
Finanzen
Finanzen Optimismus für europäische Banken und der Auftakt zu 2026
09.12.2025

Die Wall Street steht vor Rekorden. Analysten sehen starke Impulse für 2026, doch warnen vor Risiken. Banken glänzen, Bitcoin sorgt für...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Voith: Maschinenbauer streicht 2.500 Stellen
09.12.2025

Der Maschinenbauer Voith plant in Deutschland den Abbau von bis zu 2.500 Stellen. Grund sind strukturelle Probleme wie hohe Energie- und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Feiertage killen fürs BIP: Ist das wirklich eine gute Idee?
09.12.2025

Mehr Arbeitstage, mehr Wachstum – so lautet das einfache Versprechen für 2026. Doch die Debatte über einen möglichen Wegfall eines...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Exporte: USA- und China-Geschäft bricht im Oktober ein
09.12.2025

Die deutschen Exporte geraten in ihren wichtigsten Absatzmärkten ins Rutschen, und die Zahlen aus den USA und China zeichnen ein klares...

DWN
Finanzen
Finanzen Neues Silberpreis-Rekordhoch: Engpässe treiben Aufwärtsrallye – warum Anleger jetzt wachsam sein müssen
09.12.2025

Der Silberpreis jagt von Rekord zu Rekord und übertrifft selbst den Hype um Gold, folgerichtig gibt es am Dienstag ein neues...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Arbeitsmarkt: Sieben Wege wie Unternehmen Fachkräfte finden und halten
09.12.2025

Qualifizierte Fachkräfte werden knapp – das spüren Unternehmen bei der Personalsuche immer deutlicher. Die Folgen: Engpässe,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Milan Nedeljkovic BMW: Er folgt auf Oliver Zipse
09.12.2025

BMW bekommt einen neuen Chef: Milan Nedeljkovic übernimmt das Ruder von Oliver Zipse. Der Produktionsvorstand bringt Erfahrung aus fast...

DWN
Finanzen
Finanzen Allianz-Aktie im Fokus: Allianz-Kooperation mit Oaktree – was der Syndikat-Pakt für Anleger bedeutet
09.12.2025

Ein neuer Deal in London, ein bestätigtes Top-Rating und höhere Gewinnziele treiben die Allianz-Aktie bis an das Jahreshoch. Doch hinter...